„Man sollte kleine Brötchen backen“
Ein eigenes Café eröffnen – davon träumen viele. luhze-Redakteurin Natalie Stolle hat mit Ralf Hauenschild vom „Espresso Zack Zack" am Lene-Voigt-Park darüber gesprochen, wie es wirklich ist.
luhze: Wie bist du auf die Idee gekommen, ein eigenes Café zu eröffnen?
Ralf: Ich bin der klassische Quereinsteiger und habe Bildende Kunst in Leipzig studiert.
Die Geisteswissenschaften und die künstlerischen Disziplinen sind der Gastronomie recht nah, was bedeutet: Ich habe viel Zeit in der Gastronomie und später auch beim Kaffeeröster verbracht.
Durch meine Ausbildung habe ich immer viel über Konzepte nachgedacht, die vielleicht noch fehlen und was an welchem Ort spannend sein könnte.
Ich habe mich vor der tatsächlichen Selbstständigkeit lange gedrückt und die Idee von einem Café mit eigener Rösterei so groß aufgeblasen, dass sie nicht umsetzbar war.
Als dann mein zweites Kind unterwegs war, war der Gedanke da: Was machen wir denn jetzt?
Wir sind als Familie 2013 nach Reudnitz gezogen und haben bei Spaziergängen im Lene-Voigt-Park zum Beispiel gemerkt, dass wir uns hier nicht mal irgendwo einen Kaffee holen können.
Mit meinem künstlerischen und dem betriebswirtschaftlichen Hintergrund meiner Frau haben wir dann ernsthaft angefangen über die Selbstständigkeit nachzudenken.
Der Business-Plan nahm Gestalt an, uns fiel die Immobilie praktisch vor die Nase und dann war uns klar: Wenn wir das nicht machen, macht das jemand anderes.
Die Idee an sich ist also eigentlich eher aus der Not geboren, ein Einkommen für unsere Familie zu generieren.
Konntet ihr alle eure Ideen so umsetzen, wie ihr euch das in der Planungsphase vorgestellt hattet?
Ich kann sagen, dass wir das Konzept, so wie es ursprünglich geplant war, eins zu eins umsetzen konnten.
Es ging darum: Was geben der Ort und der Raum vor? Was können wir mit unseren Fähigkeiten leisten?
Das Grundkonzept hat sich somit seit der Planung nicht mehr geändert.
Welche Schwierigkeiten hattet ihr zu meistern?
Gar keine. (lacht) Was heißt Schwierigkeiten, wir hatten am Anfang ein minimales Budget. Dazu kommt der ganze behördliche Kram wie Gewerbeanmeldung, Termin beim Amtsgericht, später Steueranmeldung und, und, und.
Du brauchst vor allem auch die Courage, das durchzuziehen. Als ich angefangen habe, das Café auszubauen, hat sich das angefühlt, als würde ich mir mein eigenes Gefängnis schaffen. Es war klar, dass das jetzt der Ort ist, an dem ich auf unbestimmte Zeit jeden Tag stehen werde. Ein komisches Gefühl am Anfang.
Wie lief die Eröffnung damals? Was war das für ein Gefühl, endlich fertig zu sein?
Es war befreiend. Ich habe den Ausbau allein fertiggestellt, also habe ich zwei Monate mit geschlossenen Jalousien vor den Fenstern gearbeitet. Zur Eröffnung im März 2015 kamen die runter, was dann sehr eigenartig war, weil der Raum gleich ganz anders gewirkt hat.
Es hat mich sehr gefreut, zu sehen, dass das Konzept funktioniert und wir zur richtigen Zeit den richtigen Riecher hatten. Außer der Substanz gab es in Reudnitz damals noch nichts anderes Gastronomisches. Es war vom ersten Tag an klar, dass es mit den Leuten aus dem Viertel einen sehr hohen Identifikationsfaktor gab.
Hast du den Schritt in die Selbstständigkeit je bereut?
Nein, durch den Bildungsweg, den ich habe, bin ich seit ich 20 bin quasi selbstständig.
Was ich sehr zu schätzen weiß, ist der diverse Arbeitsalltag mit Kaffeekochen, Catering, Büroarbeit, Werkstattarbeit an den Kaffeemaschinen und Kontakte in der Gastronomie pflegen. Ich kann dadurch meinen Berufsalltag meist recht frei gestalten.
Wie lassen sich Café und Privatleben miteinander vereinbaren?
Das ist eine kontinuierliche Arbeit. Wir haben früher sehr nah am Café gelebt, deshalb war es schwierig, sich da rauszunehmen. Im Tagesgeschäft ist immer irgendwas. Gerade am Anfang ist man noch bemüht, alles hinzukriegen und steht vom Mittagstisch auf, um nochmal loszufahren.
Mittlerweile bin ich kurz nach acht Uhr morgens am Laden, trinke meinen Kaffee, gehe in den Arbeitstag rein, bin in der Regel ab sechs Uhr abends zu Hause, was natürlich auch variieren kann, um die Kinder ins Bett zu bringen. Am Wochenende bin ich aber zu Hause und sage zu allen, die was wollen: Sorry, bin ab Montag wieder da für dich.
Das war auch der Grund, warum wir uns für diese Geschäftsform entschieden haben. Es ist ein Tagesgeschäft: Wir machen Kaffee, Kuchen, ein bisschen was Herzhaftes und um sechs Uhr abends, genau in der Zeit zwischen Nachmittags- und Abendgeschäft, machen wir zu.
Du bist schon seit acht Jahren dabei. Was hat sich aus deiner Sicht geändert in der Gastronomie?
Im Hinblick auf Kaffee ist sehr viel passiert in Leipzig. 2015 waren wir noch das einzige inhaberbetriebene Geschäft mit Fokus auf Kaffee.
Was ich schade finde, ist, dass es noch zu wenig Wettbewerb im Viertel gibt, der die Entwicklung vorantreibt. Im Vergleich zu 2015 ist das aber trotzdem schon ein himmelweiter Unterschied.
Wir sind mit Corona durchaus gewachsen, jetzt sind wir ja in der nächsten Krise – das bedeutet natürlich auch, dass sich die Klientel in den drei Jahren sehr gewandelt hat. Gar nicht so sehr von der Zielgruppe her, sondern eher wie die Kund*innen das Geschäft nutzen. Das To-go-Geschäft ist jetzt noch viel stärker, als es vorher war.
Was würdest du anderen raten, die von der Eröffnung eines Cafés träumen?
Man sollte sich klarmachen, dass es wahnsinnig viel harte Arbeit ist. Die wenigsten Gastronom*innen arbeiten in diesem Bereich, um reich zu werden. Es ist halt nicht die Regel, dass du ein Geschäft aufmachst und sofort profitabel bist. Du steckst viel Arbeit und Energie rein.
Der Spruch „selbst und ständig“ ist wahr. Du machst nicht einfach Feierabend und sagst, es geht dich nichts weiter an, ich komme morgen um sieben wieder. Manchmal bekommst du auch eine negative Google-Bewertung, die dich dann wochenlang beschäftigt. Es sind jeden Tag mehr oder weniger dieselben Probleme.
Was ist entscheidend, wenn man diesen Weg gehen möchte?
Die Selbsteinschätzung im Business-Plan ist enorm wichtig. Was sind deine Stärken und deine Schwächen? Meine Stärke war meine Vielseitigkeit, die Schwäche dagegen meine Unerfahrenheit in der Personalführung. Jemand, der über eine Selbstständigkeit nachdenkt, sollte mindestens ein bis zwei Jahre in einem Angestelltenverhältnis gearbeitet haben, um Einblick in das Tagesgeschäft zu bekommen.
Man sollte am Anfang auch lieber versuchen, kleine Brötchen zu backen. Schauen, was man selbst überhaupt leisten kann. Viele, die frisch anfangen, steigen groß ein, ohne jede Kalkulation.
Arbeit macht Arbeit. Also sollte man etwas finden, bei dem man es schafft, sich jeden Tag mit denselben Dingen zu beschäftigen.
Fotos: Natalie Stolle
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