Puppen mit Charakter
Bis zum 12. November läuft das Festival für Figuren-, Objekt- und Anderes Theater. luhze-Autorin Isabella hat sich von Puppenspielerin Hanne Braun und Rapunzel in ihre Kindheit entführen lassen.
Es ist Sonntagnachmittag, 16 Uhr, und in die Friedenskirche Gohlis strömen Menschen. Doch es ist kein Gottesdienst, der hier gefeiert wird – die Kirche ist heute ein Theater, und die Menschen, die aufgeregt lachend und redend hineinlaufen, sind Kinder und ihre Eltern. Im Rahmen des 31. Festivals für Figuren-, Objekt- und Anderes Theater wurde hier am 16. Oktober „Rapunzel“ aufgeführt. Das Festival stellt in diesem Jahr unter dem Titel „Märchen-Fest“ alte Märchenklassiker der Gebrüder Grimm vor.
Dass ein Märchen aufgeführt wird, sieht man schon beim Betreten der Friedenskirche: Im Altarraum ist ein Schloss aufgebaut, davor stehen einige Stuhlreihen. Es dauert eine Weile, bis alle Kinder ihren Platz gefunden und sich beruhigt haben. Doch als das Stück beginnt, ist endgültig Ruhe eingekehrt. Gebannt lauschen Kinder und Erwachsene dem Puppenspiel und verfolgen die bekannte Geschichte von Rapunzel. Inhaltlich gibt es keine großen Überraschungen: Das Märchen wird genau so erzählt, wie ich es aus meiner Kindheit in Erinnerung habe. Doch die Umsetzung dieser Art der Geschichtenerzählung scheint die Kinder in ihren Bann zu reißen: Puppenspielerin Hanne Braun versteht es, ihren Figuren Leben einzuhauchen. Durch unterschiedliche Stimmen, vielfältige Bewegungen und nicht zuletzt die lustigen Unterhaltungen des Prinzen mit seinem Pferd (das zusehends an Lust verliert, den Turm, in dem Rapunzel eingesperrt ist, aufzusuchen) wirken die Puppen fast wie echte kleine Personen, die eigene Charaktereigenschaften und Persönlichkeiten haben.
Begleitet wird das Stück durch Musik und Soundeffekte, die die Kinder begeistern: Sie lachen laut, als die böse Hexe begleitet von Musik Rapunzels langen Zopf herunterrutscht und dabei fast ins Publikum hineinfliegt. Wenn das Stück von kleinen Liedern – beispielsweise dem „Lied vom Haarewaschen“ oder dem vom „Rapunzelsalat“ – unterbrochen wird, für die Hanne Braun hinter dem Schloss hervorkommt und direkt vor den Kindern singt, lauschen sie geduldig, einige hört man sogar leise mitsummen.
Obwohl es eine Kindervorstellung ist, ist das Stück auch für mich kurzweilig, und als ich nach dem Abschlussapplaus auf die Uhr sehe, bin ich überrascht, dass schon eine Dreiviertelstunde vergangen ist. Während ich zwischen den kleinen Gästen und ihren großen Begleiter*innen aus der Kirche ins Sonnenlicht trete, höre ich, wie neben mir eine Frau den kleinen Jungen neben sich fragt: „Und, hat es dir gefallen?“ „Ja!“, ruft der Kleine laut, und ich muss ein wenig lächeln.
Die Märchen-Vorführungen unter der Regie von Jost Braun sind eine kleine Flucht aus dem Alltag und schaffen es, den Kindern auf fantasievolle Weise alte Märchenklassiker nahezubringen. Das 31. Festival für Figuren-, Objekt- und Anderes Theater läuft noch bis zum 12. November mit Vorstellungen der Märchen „Der Wolf und die sieben jungen Geißlein“, „Der Wettlauf zwischen dem Hasen und dem Igel“, „Dornröschen“ und „Der Froschkönig“ an verschiedenen Orten in und um Leipzig.
Fotos: Jost Braun
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