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  • Wer studiert denn sowas? – Bibliothekswissenschaft

    Unsere Reihe „Wer studiert denn sowas?“ nimmt verschiedene Studiengänge unter die Lupe. Wer weiß denn schon, welche Themen andere Studierende alltäglich beschäftigen. Heute: Bibliothekswissenschaft.

    Die Prüfungszeit beginnt in wenigen Tagen und alle strömen in die Bibliotheken, um zu lernen und Hausarbeiten zu schreiben. Mehr Berührungspunkte haben die meisten Studierenden mit diesen Einrichtungen nicht. Außer sie studieren Bibliotheks- und Informationswissenschaft. Das kann man in Leipzig an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur (HTWK) – einer von acht Standorten mit diesem Studiengang in ganz Deutschland.
    In dem Studium geht es dabei aber nicht ausschließlich um Tätigkeiten in Bibliotheken. Auch andere informationsvermittelnde Einrichtungen können als Arbeitsplatz dienen. Denn im Mittelpunkt steht der Umgang mit Informationen: sie zu strukturieren, aufzuarbeiten und zur Verfügung zu stellen. Um diese theoretischen Inhalte praktisch umzusetzen, gibt es zwei Pflichtpraktika und mehrere praktisch ausgerichtete Projekte.

     

    Es braucht gar kein Studium, da Bibliothekar*in doch ein Ausbildungsberuf ist!

    Nein! Wie in vielen Berufen ergeben sich mit dem Studium andere Karrierechancen: Um beispielsweise eine leitende Funktion zu übernehmen, ist ein abgeschlossenes Studium die Voraussetzung.

     

    Stefan Schneider

    Stefan Schneider ist 25 Jahre alt und studiert seit sieben Semestern Bibliotheks- und Informationswissenschaft an der HTWK.


    Stefan Schneider lächelt in die Kamera.

    Foto: privat

    „Bevor ich das Studium begonnen habe, hatte ich bereits eine Ausbildung als Fachangestellter für Medien- und Informationsdienste in einer Bib­liothek absolviert. Danach hatte ich Lust, noch mehr über Bibliotheken und die damit einhergehenden Tätigkeiten zu lernen. Auch wenn ich durch die Ausbildung schon vieles wusste, wurden die Dinge noch viel mehr vertieft und auch stärker aus einer theoretischen Perspektive betrachtet.
    An Modulen fand ich besonders die literarisch ausgerichteten interessant. Wir hatten beispielsweise deutsch­­­­­sprachi­ge Gegenwartsliteratur und ausgewählte fremdsprachige Literatur. Das erinnert an ein Germanistikstudium. Aber das Modulangebot ist natürlich vielfältiger und umfasst auch die Geschichte von Bibliotheken, Marketing, Medienrecht und sogar ein bisschen Informatik. Es ist, als hätte man in einem Studiengang verschiedene Studiengänge vereint, und trotzdem ist es spezifischer auf einen Beruf ausgerichtet.
    Ab dem vierten Semester wählt man aus verschiedenen Wahlpflichtmodulen seinen Schwerpunkt. Das legt den Grundstein dafür, in welchem Bereich man später vermutlich arbeiten wird. Hier an der HTWK gibt es die Schwerpunkte „Informationserschließung und -vermittlung“, „Literatur- und Medienvermittlung“ sowie „Kinder- und Jugendbibliotheksarbeit“.
    Für die Tätigkeit in den Bibliotheken ist es wichtig, sich mit Bestandsaufbau und Erwerbungsmanagement neuer Werke auszukennen. Denn mit den verfügbaren Medien hat man natürlich einen Einfluss auf die Nutzer*innenschaft. Solche Diskussionen finde ich auch besonders spannend im Studium. Dann geht es beispielsweise darum, ob Bibliotheken neue rechte Literatur, die es möglicherweise sogar auf Bestsellerlisten geschafft haben, an­schaffen sollen oder nicht. Und wenn ja, wie werden sie zur Verfügung gestellt? Werden sie kontextualisiert? Gibt es kritische Ausgaben? Oft heißt es, dass solche Literatur auch in Bibliotheken zugänglich sein soll, um Neutralität zu wahren. Aber können Bibliotheken beim Bestandsaufbau überhaupt neutral sein?
    Häufig, wenn ich erzähle, dass ich Bibliothekswissenschaft studiere, sind die Leute überrascht: ,Das kann man studieren?‘ oder ,Ach, heutzutage kann man echt alles studieren!‘ – solche Reaktionen habe ich schon oft gehört. Ich habe das Gefühl, dass es für die Menschen so selbstverständlich ist, dass Bibliothekar*innen existieren, und ihnen gar nicht klar ist, dass dahinter natürlich auch eine Ausbildung oder ein Studium stehen.“

     

     

    Der erste Studiengang, der sich mit Bibliotheken beschäftigte, wurde in Leipzig eingerichtet. Andere Studienstandorte wie zum Beispiel Stuttgart oder Köln wurden von Absolvent*innen des Leipziger Studiums etabliert, vor allem von Frauen. .

     

     

    Andrea Nikolaizig

    Andrea Nikolaizig ist Professorin für Bibliotheks- und Informationswissenschaft.


    Andrea Nikolaizig lächelt in die Kamera, im Hintergrund sind mehrere Bücherregale zu sehen

    Foto: privat

    „Der Studiengang Bibliotheks- und Informationswissenschaften an der HTWK ist sehr gefragt. Auf einen Studienplatz bewerben sich im Schnitt drei Personen. Daher kommen unsere Studierenden von überall her, auch aus anderen Ländern.
    Unser Fach kann auf eine lange Geschichte zurückblicken. Bereits 1914 wurde die Fachschule für Bibliothekstechnik und -verwaltung gegründet. Seitdem ist diese Disziplin in Leipzig vorhanden. Ein Jahr später entstand zusätzlich eine Ausbildungsstätte für die Tätigkeit an wissenschaftlichen Bibliotheken. Bis 1992 die HTWK gegründet wurde, und der Studiengang dort seinen Platz fand, war das Studium für öffentliche und wissenschaftliche Bibliotheken also voneinander getrennt.
    Bei uns ist der Studiengang unterteilt in einen siebensemestrigen Bachelor und dreisemestrigen Master. Das ist auch eine der Besonderheiten an der HTWK. Außerdem haben wir durch die verschiedenen Wahlpflichtmodule eine starke Profilierung, die bereits im Bachelor beginnt. Zudem bieten wir den Schwerpunkt Katalogisierung an, was an anderen Unis und Hochschulen nicht der Fall ist.
    Relevant in der Forschung der Bibliotheks- und Informationswissenschaft sind verschiedene Fragen rund um das Thema Informationsleistung. Denn die Bibliothek ist ein entscheidender Ort des freien Informationszugangs nach Artikel fünf des Grundgesetzes. In diesem Kontext wird sich auch mit der Problematik von Fakenews und Desinformationen auseinandergesetzt.
    Das Berufsfeld ist sehr vielfältig. Die meisten Absolvent*innen arbeiten an­schließend in Bibliotheken. Aber auch Tätigkeiten bei anderen Bibliotheksdienstleistern, wie zum Beispiel Unternehmen, die Spezialsoftwares anbieten, sind möglich. Es gibt Tätigkeiten, die im Hintergrund ablaufen und sich für Personen anbieten, die sich lieber zurückziehen. Dazu zählen alle Aufgaben, die mit IT zu tun haben, wie sicherzustellen, dass die Website funktioniert und der Online-Katalog intuitiv nutzbar ist. Aber auch kommunikativere Menschen sind gefragt für den Kontakt mit den Nutzer*innen. Zusätzlich gehen mit den verschiedenen Bibliothekstypen, ob wissenschaftlich oder öffentlich, unterschiedliche Aufgaben einher.
    Da sich gerade in vielen Bibliotheken ein Generationswechsel vollzieht, gibt es auch gute Chancen auf einen Job. Allein in Leipzig gibt es 120 verschiedene Bibliotheken, die Studierende der HTWK vor einiger Zeit in einem Online-Portal gesam­melt und aufbe­reitet haben.“

    Foto: Pixabay

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