Aus der Gropiusstadt auf die Berlinale
Felix Lobrecht, deutscher Stand-Up Comedian und Podcast-Host, hat seinen Roman „Sonne und Beton“ zusammen mit Filmregisseur David Wnendt („Kriegerin“, „Feuchtgebiete“) verfilmt.
Lukas wächst zwischen den Plattenbauten in Berlin-Gropiusstadt auf. Zusammen mit seinen Freunden Julius und Gino verbringt er den besonders heißen Sommer des Jahres 2003 damit, die Schule zu schwänzen, zu rauchen, zu kiffen und über Mädels und Geld zu quatschen. Hier und da schaffen sie es, in die ein oder andere Auseinandersetzung mit Drogendealern zu kommen. Nach einer Schlägerei im Park fordert eine Gruppe von Dealern 500 Euro von Lukas. Da er und seine Freunde in Armut aufwachsen, kann er die 500 Euro nicht auftreiben. Auch sein großer Bruder, zu dem Lukas aufschaut, kann ihm nicht dabei helfen. Zusammen mit Sanchez, der als neuer Schüler in die Klasse von Lukas kommt, beschließen sie, die neu angeschafften Bildschirme und Computer aus dem Schulkeller zu stehlen, um ihre Geldprobleme zu lösen.
„Sonne und Beton“ holt einen zurück in die Realität. Die dystopische Realität der Neuköllner Gropiusstadt, die seit den 1980er Jahren als sozialer Brennpunkt gilt. „Brennpunkt“, ein Wort, das viel zu schwach, viel zu oft daher gesagt ist, um die Probleme und Zustände der Menschen in diesen Gebieten zu beschreiben. Alleinerziehende und Pärchen, die sich ihre Kinder nicht mehr leisten können, weil sie keine Jobs finden. Kinder, die mit Drogen in Kontakt kommen, bevor sie die Risiken richtig einschätzen können. Eine Welt, in der es nur um Geld geht, aber nicht getrieben von Gier, sondern aufgrund von struktureller sozialer Benachteiligung. „Sonne und Beton“ ist ein Film, der zeigt, dass Chancengleichheit in Deutschland schon 2003 eine Lüge war. Er zeigt jene, die auch zur Stadt gehören, aber hinter Gentrifikation und der „trendigen“ Stadt unsichtbar werden.
Lukas, Julius, Gino und Sanchez leben in einem Alltag, in dem total unversteckt das Trauma von Generation zu Generation weitergegeben wird. Männer, die ihre Frauen und Kinder verprügeln und ihre Emotionen in Alkohol und Drogen versenken. Rassismus und Diskriminierung, die erlebt, ausgelebt und nicht hinterfragt werden. Während mich der Film in dieser Hinsicht traurig macht, löst er in mir auch viele positive Emotionen aus. Das Chaos im Klassenraum mit den verzweifelten Lehrern erinnert mich an ein paar Momente aus meiner Schulzeit auf der integrierten Sekundarschule. Den Arschficksong von Sido hatte ich seit meiner Mittelstufen- oder sogar Grundschulzeit nicht mehr gehört. Der Film gibt mir ein Gefühl der Dankbarkeit für alle Lehrenden, die trotz mangelnden Personals und veralteter Ressourcen für die Bildung und Zukunft der Schüler kämpfen. Ich bin doch sehr froh, zehn Jahre später und in einem deutlich schöneren Teil von Berlin ein Jugendlicher gewesen zu sein.
Mir hat „Sonne und Beton“ sehr gut gefallen, die zwei Stunden sind schnell vergangen und neben der Story bietet der Film auch filmisch viele erstklassige Szenen. Ich kann mir aber vorstellen, dass viele nicht so viel mit ihm anfangen können, eben weil er „echt“ ist, nicht wirklich einen Austritt aus der Realität bezweckt und ein spezifisches Thema behandelt. Da immer mehr Deutsche in Armut aufwachsen, ist es aber ein aktuelles Thema, dass im Medienkonsum mehr im Vordergrund stehen sollte. Auch für jene, die zwischen den späten 90ern und 2010 ihre Kindheit hatten, gibt es viele Requisiten, Fahrzeuge und Szenen, die Erinnerungen aufrufen, besonders wenn man in Berlin oder anderen Großstädten aufgewachsen ist.
„Sonne und Beton“ hat auf der Berlinale bereits seine Weltpremiere gefeiert und kommt am 2. März 2023 in die Kinos.
Fotos: Constantin Film Verleih
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