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  • Wolkig mit Aussicht auf mehr mediales Bewusstsein

    Warum Wetterapps oft unzuverlässiger sind als das Fernsehen, der Deutsche Wetterdienst ein altes Telefon bei sich stehen hat und Spinnen zum Problem für Wettervorhersagen werden können.

    Ob für das Picknick im Park, den Urlaub in den Bergen oder die Outdoor-Klettertournee: Der Wetterbericht begleitet viele von uns fast jeden Tag. Doch was steckt eigentlich dahinter? Wie entsteht so eine Wettervorhersage?

    „Was wir haben, sind Beobachtungsdaten“, erklärt Karsten Haustein, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Meteorologie der Universität Leipzig. „Das sind im Prinzip Wetterstationen, die über das ganze Land, über den ganzen Globus verteilt sind. Da wird Niederschlag gemessen, Temperatur, Wind, Luftfeuchte und so weiter.“ Diese Wetterstationen seien standardisiert und stünden „in der Regel auf einer Wiese.“

    „Standardisiert“ bedeutet in dem Fall, dass es bestimmte Regeln für die konkreten Messungen gibt. Dazu gehört zum Beispiel, dass die Lufttemperatur immer in einer Höhe von zwei Metern über dem Erdboden und im Schatten gemessen wird, wie Thomas Hain erklärt. Er ist Meteorologe bei der Leipziger Außenstelle des Deutschen Wetterdienstes (DWD). Dieser betreibt in Deutschland etwa 180 solcher Wetterstationen. Dazu kommen über 1.700 sogenannte nebenamtliche Stationen, die ehrenamtlich betreut werden.

    In den Wetterstationen arbeiten laut Hain heutzutage keine Menschen mehr. Die Erfassung von Wetterdaten erfolge automatisch mit modernster Technik. Das heißt aber nicht, dass die Menschen von der Technik ersetzt wurden. Denn natürlich werden auch moderne Technologien ab und zu vor Probleme gestellt, die sie von selbst nicht lösen können. So können beispielsweise Spinnen, die ihre Netze unmittelbar vor die empfindlichen Sensoren bauen, die Messung der Sichtweite beeinflussen. An vielen Stationen sind die Messgeräte allerdings gedoppelt, sodass dennoch eine korrekte Datenerfassung möglich ist.

    Nicht nur auf der Erde wird gemessen

    Doch die Bodenmessungen stellen nicht die einzige Art dar, auf die Wetterdienste wie der DWD an ihre Daten kommen. Ebenfalls essentiell für moderne Wettervorhersagen sind Satelliten. Die sogenannten geostationären Wettersatelliten sind rund um die Erde in etwa 36.000 Kilometer Höhe über dem Äquator verteilt. Sie messen unter anderem die Verteilung und Bewegung von Wolken. Dazu kommen außerdem Wetterradare, mit denen zum Beispiel kleine Gewitterzellen verfolgt werden können, Blitzortungssysteme in Form von Masten und Flugzeuge. Letztere werden inzwischen ebenfalls zur Wetterbeobachtung verwendet, indem entsprechende Messinstrumente an den Maschinen angebracht und so von ihnen gewissermaßen durch die Luft getragen werden. Dabei messen sie meteorologische Daten und senden diese an die Wetterdienste. Gemessen werden auf all diese verschiedenen Arten physikalische Messgrößen wie Luftdruck, Temperatur, Windrichtung und -geschwindigkeit und der Gehalt an Wasserdampf.

    Damit diese Werte auch auf verschiedenen Höhen zuverlässig vorliegen können, kommt es zum Einsatz von sogenannten Wetterballonen. „Der Wetterballon wird mit Wasserstoff gefüllt. Da Wasserstoff leichter als Luft ist, steigt der Ballon nach oben und misst dabei die Temperatur, die Luftfeuchte sowie den Wind“, erklärt Hain. Auf diese Weise werden an über 1.300 Stationen weltweit mehrmals täglich Wetterballone gestartet, die bis etwa 30 Kilometer hochsteigen können. Dann zerplatzen sie und die enthaltene Radiosonde, die für die eigentliche Messung zuständig ist, segelt an einem kleinen Fallschirm zu Boden. Diese Wetterballone steigen je nach Windrichtung relativ vertikal nach oben, bleiben auf horizontaler Ebene also in der Regel ungefähr dort, wo sie gestartet sind. Laut Haustein werden sie bei Weitem nicht so groß wie der chinesische Ballon, der über den USA gesichtet und von dem zeitweilig ebenfalls behauptet wurde, es handle sich um einen Wetterballon.

    All diese Beobachtungsdaten gehen in sogenannte Wettermodelle ein. Diese Modelle berechnen für mehrere Tage im Voraus – heutzutage sind das in der Regel etwa zwei Wochen – das Wetter. Dafür brauchen sie die aktuell gemessenen Werte als Anfangswerte. Das ist laut Haustein „ein relativ komplexes numerisches Gebilde, wo die Wenigsten wirklich alle Details verstehen“. Hohe Mathematik also, für die leistungsstarke Computer vonnöten sind. Für die Berechnung wird die Erde in ein dreidimensionales Gitternetz eingeteilt. Für jeden Kreuzungspunkt in diesem Gitter werden die entsprechenden Werte eingespeist. In dem vom DWD verwendeten „Icosahedral Nonhydrostatic Modell“ (Icon) sind das insgesamt über 265 Millionen Gitterpunkte. Für jeden von ihnen berechnet Icon in Zeitschritten von etwa 30 Sekunden nach und nach das zukünftige Wetter. Für die konkrete Berechnung des Wetters in Deutschland wird das Modell „Icon D-2“ verwendet, das eine noch höhere Auflösung hat und dadurch einen feinmaschigeren Blick auf die deutschen Regionen erlaubt.

    Und was geschieht dann mit den berechneten Prognosen?

    Der DWD stellt seine Informationen ganz verschiedenen Kund*innen zur Verfügung. Neben Privatpersonen, die jederzeit anrufen und sich nach dem Wetter erkundigen können, zählen dazu beispielsweise der Schiffs- und Flugverkehr, die Landwirtschaft, aber auch der Katastrophenschutz.  Dass die Feuerwehr sich jederzeit über die aktuelle Wetterlage informieren kann, ist besonders wichtig. Das wird auch bei einem Blick in die Leipziger Außenstelle des DWD in Holzhausen deutlich, wo zwischen vielen modernen Computern ein ziemlich alt aussehendes Telefon steht: „Für Gespräche zum Beispiel mit Katastrophenstäben oder der Feuerwehr nutzen wir ein altes herkömmliches Telefon“, erklärt Hain. „So wird sichergestellt, dass selbst wenn unsere Telefonanlage einmal ausfallen sollte, diese wichtige Kommunikation noch möglich ist.“

    Schwierigkeiten bei der Wettervorhersage

    „Messen können wir eigentlich alles, es ist eine Frage der Abdeckung“, erklärt Haustein. Denn in einigen Regionen der Welt gebe es nur sehr wenige Messgeräte. Schwierig werde es beispielsweise in Wüstenregionen und den Ozeanen. Für Letztere würden daher Schiffe und Bojen eingesetzt, und auch die Flugzeuge und Satelliten können aus diesen Gebieten Werte liefern. Doch auch die bringen ihre Probleme mit sich. Die erwähnten geostationären Wettersatelliten, die über dem Äquator positioniert sind, können laut Hain nämlich „die Polarregionen nicht beobachten“. Aus diesem Grund gibt es für diese Gebiete polarumlaufende Wettersatelliten, deren Bahnen über die Pole hinwegführen. Selbst für die regionale Messung beispielsweise in Deutschland ist es nämlich problematisch, wenn bestimmte Regionen nicht gemessen werden können – denn das lokale Wetter ist maßgeblich von der globalen Wetterentwicklung abhängig.

    Wie zuverlässig sind Wettervorhersagen?

    Ganz genau werden wir das Wetter niemals vorhersagen können, denn „die Atmosphäre ist ein sogenanntes chaotisches System“, erklärt Hain vom DWD. Das bedeutet, dass sie ein chaotisches physikalisches Innenleben hat, das dafür sorgt, dass schon minimale Schwankungen in den Ausgangsdaten einer Wettervorhersage zu völlig unterschiedlichen Prognosen führen können. Diese für kurzfristige Vorhersagen noch relativ kleinen Fehler nehmen bei längerfristigen Prognosen immer weiter zu. „Mit den Vorhersagetagen verlieren die Prognosen an Qualität“, so Haustein. „Insgesamt hat die Vorhersagequalität jedoch deutlich hinzugewonnen. So können heute vier Tage im Voraus mit der gleichen Verlässlichkeit prognostiziert werden wie ein Tag noch vor 30 bis 40 Jahren.” Um die Fehlerquote so weit wie möglich zu reduzieren, werden seit einigen Jahren Ensemble-Berechnungen durchgeführt: „Wie lassen nicht mehr einen Lauf für eine Vorhersage laufen, sondern viele gleichzeitig“, beschreibt Haustein das Vorgehen. Diese Läufe von Vorhersagen unterscheiden sich minimal in den Anfangsbedingungen. Die dadurch leicht variierenden Ergebnisse erlauben es, Wetterereignisse mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit vorherzusagen, also laut Hain „probabilistisch statt deterministisch“. Zumindest kurzfristig seien die Vorhersagen immerhin ziemlich genau: „Das Wetter in einem Zeitraum von zwei Tagen können wir mit einer Wahrscheinlichkeit von etwa 90 bis 95 Prozent vorhersagen.“

    Und was machen die Nachrichtendienste mit den Wettervorhersagen?

    Nachrichtendienste und öffentlich-rechtliche Medien haben alle Zugang zu denselben Informationen. Die Vorhersagen werden von den Leuten, die in der Wetterredaktion arbeiten, interpretiert. Das sind laut Haustein oft, aber nicht immer Meteorolog*innen. Wichtig sei die meteorologische Erfahrung, die die Menschen dazu befähige, die erhaltenen Informationen richtig zu bewerten: „Und dann ist nur die Frage, wie die Leute mit der Zeit auf rein persönlicher Ebene Erfahrung entwickeln und dementsprechend die Informationen interpretieren.“ Im Fernsehen seien die Wettervorhersagen also in der Regel „Handarbeit“.

    Anders sei es bei Wetterapps oder auf entsprechenden Websites. Hier erfolge eine rein automatisierte Vorhersage, also ohne Interpretation. „Die Appentwickler*innen versuchen, aus den Wetterdaten so eine Art „Best Mix“ zu machen, was aber wahnsinnig schwierig ist“, erklärt Haustein. Diese Vorhersagen seien daher oft nicht zuverlässig, was nicht daran liege, „dass die Wettervorhersage falsch ist, sondern daran, dass die Interpretation letztlich zu simpel ist“.

    Was ist mit Extremwetterereignissen?

    „Was wir definitiv vorhersagen können, sind Wetterereignisse wie im Ahrtal“, sagt Haustein. Die Wetterlage und ihre Auswirkungen seien damals ziemlich genau absehbar gewesen, und zwar schon Tage im Voraus. Das Problem ist laut Haustein, dass „die Strukturen nicht so sind, wie sie sein sollten: Der DWD macht keine hydrologischen Vorhersagen.“ Hydrologische Vorhersagen beschreiben, wie die Wasserläufe sich verhalten. Das ist in Deutschland nicht Aufgabe des Wetterdienstes, sondern spezieller hydrologischer Institute. Die bekommen zwar die Wetterdaten vom DWD, aber dadurch, dass es unterschiedliche Stellen und behördliche Befugnisse seien, läuft der gegenseitige Informationsaustausch laut Haustein oft nicht so schnell, wie es wünschenswert wäre.

    Problematisch sei außerdem der Umgang in den Medien mit dem Wetter. „Letztlich waren die Informationen alle da, die entsprechenden Kanäle wie der DWD haben gewarnt, aber der Punkt ist, was davon draußen ankommt“, erklärt Haustein. Selbst bei so extremen Wetterlagen wie im Ahrtal werde in den Medien oftmals nicht der nötige Platz eingeräumt. „Man muss den Leuten erklären, was das bedeutet. Bei den Nachrichtenkanälen gibt es jedoch oft nicht genug Zeit, das richtig zu vermitteln. Weil wir dieses Bewusstsein für die Gefahren nicht haben, ignorieren es die Leute einfach.“ Haustein spricht sich deshalb für ein klares, bundesweites Warnmanagement aus – „nicht dieses zersplitterte System, das wir jetzt haben.“ Letztlich dienen Wettervorhersagen nicht nur dazu, entscheiden zu können, ob man die Freund*innen heute lieber im Park oder in der Bar treffen sollte – sie können, wenn man ihnen die nötige Aufmerksamkeit schenkt, auch einen bedeutenden Einfluss auf unsere Gesundheit und Sicherheit haben.

     

    Foto: Isabella Klose

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