Zwischen Gerechtigkeitsekstase und Unterdrückung
Kolumnistin Johanna schreibt in ihrer Kolumne über eine neue Erfahrung im Studium: investigativen Journalismus. Dabei lernt sie jedoch nicht nur die Spannung, sondern auch die Risiken kennen.
Was heißt es, investigativen Journalismus zu betreiben? Für mich war es immer das Entdecken von Geschichten, das Enthüllen von Missständen und das Aufzeigen von Problemen. Investigativer Journalismus hatte daher in meinen Augen immer eine Aufklärungsfunktion, um Menschen zu beschützen und die Welt ein kleines Stückchen mehr von dem zu befreien, was sich in einer Gesellschaft entwickeln konnte, in der Geld und Macht eine zu große Rolle spielen. Jedoch wusste ich nicht, was es wirklich bedeutet, investigativ zu arbeiten, bevor ich es nicht selbst ausprobiert hatte. Spoiler: Es war nicht das Detektiv-Dasein, das ich einst ein wenig darin sah, sondern vielmehr eine Mischung aus zu starken Gerechtigkeitsräuschen und erschreckenden Einschüchterungen.
Mit einer Gruppe an Studierenden fand ich ein Thema, das wir für ein Seminarprojekt des Journalismus M.Sc. näher untersuchen wollten, denn Gerüchte und Suspektes schien sich dahinter zu verbergen. Nach wochenlanger Sammlung und Analyse von Informationen, Interviews mit Experten und Betroffenen war unsere Stimmung an einem Hochpunkt. Wir fühlten uns, als wären wir an etwas Größerem dran. Und ohne Frage, es stimmte etwas nicht. Das Unternehmen, das wir versuchten zu durchleuchten, wurde uns stets kurioser. Doch je tiefer wir in die Materie vordrangen, desto mehr Interesse zeigte auch das Unternehmen an unserer Recherche. Was mit plötzlichen und bedrohlich wirkenden Anrufen und Nachrichten begann, führte letztlich sogar zu einer Unterlassungsklage. Die anfängliche Euphorie verfloss und die Hoffnung, etwas besser zu machen, war zerbrochen.
Dennoch mussten wir die Recherche weiterführen, um unser Modul zu bestehen. Der Artikel, der einst auch publiziert werden sollte, war uns nun nur noch gut genug für eine Modulnote. Es war nicht unbedingt Angst, die uns befangen hielt und unsere Pläne zurückziehen ließ, es waren vielmehr die Nerven und die Sorge, dass uns noch mehr bevorstehen würde, würden wir nun nicht ein Stopp einlegen. Ein ungewolltes und ungern geschenktes Nachgeben an ein Unternehmen, das nicht nur unmoralisch handelte, sondern auch seine Macht gegenüber Studierenden demonstrieren wollte, wobei es jeglichen Respekt und Höflichkeit außer Acht ließ. Denn während professionelle Journalisten und Journalistinnen von ihrer Medienanstalt größtenteils rechtlich abgesichert sind, so waren wir ohne Rückendeckung auf offenem Feld. Auch das gute Zureden unseres Professors und Beraters konnten uns hier leider nicht vor dem Schuss retten.
Mit Widerstand legten wir den dicken Ordner voller Indizien zur Seite. Doch die Mails liefen weiter und ein Unternehmen mit angeblich dickem Fell zeigte erstaunlich viel Betroffenheit und Rechtfertigungslust für eine Recherche, die in deren Augen nur unwissende Studierende aufgerissen hatten.
Mein Resultat aus dieser Erfahrung ist nicht etwa, wie gefährlich investigativer Journalismus ist. Nein, mein Fazit ist, dass ich nur noch mehr Respekt für derzeitige Journalisten und Journalistinnen verspüre, die sich diesem Nervenkrieg widmen, und noch mehr Abscheu für diese Menschen, die sich in ihrem ekelhaften Machtmissbrauch und Egoismus suhlen. Und wenn mich diese Recherche etwas gelehrt hat, so sei es mehr Mut, den Sinn daran, Freundlichkeit in allen Situationen zu wahren, sowie Distanz zu den Menschen zu halten, deren Verstand und Herz von Unmoral und Gier überschattet werden.
Foto: Pexels
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