Anfang ohne Ende
luhze-Redakteur Leen erzählt davon, wie er sich damit fühlt, andauernd über seine besonderen Interessen reden zu müssen.
Ob der Plot einer Serie von vorne bis hinten, meine letzte Runde League oder warum ich den einen Charakter aus meinem Lieblingsbuch hasse – meine engen Freund*innen müssen sich Details von etlichen Dingen aus meinem Leben anhören. Infodumping. Sehr verbreitet unter Menschen, die beispielsweise ADHS oder Autismus haben, und seitdem ich meine Diagnose für ersteres habe, ist das mein Freifahrtschein, um meinen Freund*innen in den Ohren zu hängen.
„Naja, was mir noch aufgefallen ist… “, sage ich in meiner Sprachnachricht Nummer zwölf, , in denen ich meine Lieblingsszenen mehrerer Folgen „The Office“ gefilmt habe.
Ob ich mir nicht nervig und komisch dabei vorkomme? Definitiv. Aber jede*r, der*die sich in mir wiedererkennt, weiß, dass das kein „Ach, ich könnte meiner Freundin mal von diesem Buch erzählen“, sondern ein „Ich muss ihr jetzt unbedingt davon erzählen, mein Kopf ist voll mit Gedanken und Gefühlen dazu und ich möchte es mit ihr teilen!“ ist.
Selbst wenn ich also mal aufhören möchte, so viel auf einmal über eine Sache zu berichten, ist es mir kaum möglich, auch wenn in meinem Kopf andauernd der nagende Gedanke sitzt, dass ich jetzt schon eine halbe Stunde über das Gleiche rede.
Glücklicherweise haben mich meine Freund*innen so kennen und lieben gelernt und versichern mir jedes Mal, dass sie mir gerne zuhören.
Das ist bei mir auch ein Zeichen dafür, dass ich mich bei einer Person wohlfühle. Also wenn ich dir anfange zu erzählen, was welches meiner Mitglieder in League zu jedem Zeitpunkt meines Matches gemacht hat und wie sich das auf das Spiel ausgewirkt hat, hast du es in meinen engen Freundeskreis geschafft.
So ähnlich läuft es auch, wenn ich nach meinem Tag gefragt werde. Für mich ist es unvorstellbar, dass es Menschen gibt, die einfach nur „Gut “ darauf antworten und sich nicht mal an irgendetwas erinnern, was sie gemacht haben.
Bei mir fängt es an mit „Also zuerst habe ich dies und jenes zum Frühstück gegessen“ und hört auf mit „Und dann ist das in meinem Traum passiert“.
Wenn ich mal wieder infodumpe, erwarte ich in der Regel keine ausschweifenden Antworten, doch es gibt einen bestimmten Freund, der sogar noch zusätzlich nachfragt, was danach passiert ist oder irgendetwas anderes erzählt, was dazu passt.
Als er mir letztens angeboten hat, einige Folgen meines Lieblingsanimes mit mir zu schauen, hat mich das so gefreut, dass ich vor Schreck zuerst gar nicht wusste, ob er das ernst gemeint hat. Leider habe ich es vorerst abgelehnt, weil ich denke, dass er sich dazu gezwungen fühlt.
Ich denke, dass es ein genereller Anspruch der Gesellschaft an die Menschen ist, dass sie ihre Gefühle möglichst gering halten, insbesondere ihren Enthusiasmus für die „kleinen“ Dinge. Da ich aber ein sehr begeisterungsfähiger Mensch bin, dessen Tag gerettet werden kann, wenn mir jemand drei Mandarinen mitbringt, obwohl ich nach einer gefragt habe, verunsichert mich das sehr.
Offensichtlich wirkt sich das auch auf Dinge wie mein Infodumping aus, so dass ich das, sofern ich es mal kontrollieren kann, versuche zu vermeiden und meinen Enthusiasmus einzuschränken. Aber jedes Mal, wenn mir eine*r meiner Freund*innen so etwas sagt wie: „Schön, dass du mich daran teilhaben lässt!“ „Und was ist dann passiert?“, fühle ich mich immer weniger schlecht dafür, so zu sein, wie ich bin.
Ich versuche stetig daran zu arbeiten, dass ich mich nicht mehr als „zu viel“ empfinde und irgendwann solche Vorschläge, wie mein einer Freund sie gemacht hat, annehmen kann.
Aber Moment mal…habe ich gerade übers Infodumping geinfodumpt?
Foto: Pixabay
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