Gespräche über Gespräche
Fernseh- und Radiosender sind fester Bestandteile der Leipziger Buchmesse. Doch das Medienangebot entwickelt sich weiter. Längst sind Podcasts omnipräsent und nun auch das Trendthema der Buchmesse.
In diesem Jahr fanden sich auf der Buchmesse vereinzelt Podcaster*innen mit Bezug zu Literatur und Schriftstellerei, die live von der Buchmesse Folgen aufnehmen. Zum Beispiel haben die Autorin Diana Hillebrand und Literaturkritiker Wolfgang Tischer das Event zum Anlass genommen, um vor Ort mit ihren Hörer*innen ins Gespräch zu kommen. Der dafür vorgesehene Stand in Halle fünf quillt bereits vor Beginn der Aufzeichnung am Freitagnachmittag über. Vor allem haben sich angehende Schriftsteller*innen versammelt, denn das ist die Zielgruppe des Podcasts „Schreibzeug“. Alles dreht sich hier ums Schreiben und Veröffentlichen von Texten. Dementsprechend ist auch direkt die erste Frage aus dem Publikum, wie man mit dem sogenannten Imposter- oder auch Hochstapler-Syndrom, also starker Selbstzweifel und dem Gefühl die eigenen Erfolge gar nicht verdient zu haben und früher oder später als Nichtskönner entlarvt zu werden, umgehen kann. „Das gehört dazu!“, ist Hillebrands Antwort. „Und es ist immer besser, sich selbst nicht zu wichtig nehmen, als direkt bei der ersten Veröffentlichung zu denken, dass man das Rad neu erfunden habe.“, fügt Tischer hinzu. Nach dieser Eisbrecherfrage trauen sich langsam immer mehr Mutige nachzuhaken. Schließlich kommen auch persönlichere Fragen an Tischer und Hillebrand, zum Beispiel welches ihre Lieblingsbücher seien. Alles scheint wie am Schnürchen zu laufen und es entspinnt sich ein interessanter Dialog zwischen den Beteiligten. Da lässt sich auch über einen kleinen Patzer direkt zu Beginn der Aufnahme hinweg schauen. Während nämlich noch das Handy ans Mikrofon gehalten wird, um den Jingle aufzunehmen, ergreift bereits Tischer das Wort. Also nochmal von vorne.
Professioneller geht es beim Podcast-Radio „detektor.fm” zu. Diese haben ihren Stand zwischen großen Medien wie MDR und Arte in der Glashalle am Eingang des Messegeländes. Hier treten von morgens bis abends jeweils für eine knappe halbe Stunde Autor*innen der Buchmesse auf. In vier Tagen finden also 50 bis 60 Gespräche statt. Alles, was davon in die Zeit zwischen 15 und 19 Uhr und somit in die Sendezeit des Formats „Der Tag“ fällt, wird sogar live übertragen.
Dies betrifft unter anderem das Gespräch mit Max Czollek, der von seinem neuen Buch „Versöhnungstheater“ berichtet. Vor allem echauffiert er sich dabei über das Narrativ des Wieder-Stolz-Sein-Dürfens. „Weil sich gut erinnert wurde, können wir wieder einen Führungsanspruch formulieren“, zitiert Czollek sinngemäß verschiedene Politiker*innen. Er spricht davon, dass es dabei zu einer Funktionalisierung der Shoa käme. Stattdessen fordert Czollek, dass sich die Gesellschaft nicht schuldig fühlen, sondern die Geschichte im Kopf behalten solle, damit sie sich nicht wiederhole.
Einen anderen spannenden Einblick in Neuerscheinungen liefert das Gespräch mit dem Satiriker Sebastian Hotz, besser bekannt unter seinem Twitter- und Instagram-Pseudonym El Hotzo, über sein Buch „Mindset“. Überall um den Stand herum, stehen gespannte Zuhörer*innen, die keinen Sitzplatz mehr gefunden haben. An keinem anderen Stand der Glashalle herrscht so viel Betrieb. „Bei manchen Gästen ist von Anfang an klar, dass sie Publikumsmagneten sein werden, wie zum Beispiel Sebastian Hotz“, sagt Christian Bollert, Geschäftsführer von „detektor.fm“ im Nachhinein. El Hotzos Buch „Mindset“ erzählt die Geschichte von zwei Männern, die versuchen, Karriere zu machen, und davon überzeugt sind, dass alles eine Frage des richtigen Mindsets ist. Die Frage, ob er eine Fortsetzung plane, verneint er. Dafür sei es zu kräftezehrend sich in solche Personen hineinzuversetzen. Sein Plädoyer sei vielmehr, die Arbeit nicht als etwas Schönes zu sehen, sondern als das, was es ist, nämlich das Mittel, sich den Rest des Lebens zu finanzieren. Zum Schluss wirbt El Hotzo noch für den Podcast „boys club“. Denn seit neuestem hat „detektor.fm” eine eigene Sendung, in der es nur um Empfehlungen für Podcasts geht. Deswegen wird jede Person am Ende des Gesprächs nach ihren Tipps gefragt.
Seit 2017 ist „detektor.fm” bereits auf der Frankfurter Buchmesse vertreten und spricht mit Personen über Bücher. Dort liegt der Fokus eher auf Sachbüchern. Dieses Jahr hat der Leipziger Radiosender auch erstmalig einen Stand auf der Leipziger Buchmesse. Eigentlich war es schon früher geplant gewesen, aber dann kam Corona dazwischen, verrät Bollert. Wie die Auswahl der Gesprächspartner*innen zustande kommt, liege ganz am Programm der Buchmesse. Wer von den Gästen interessant wirke und Expertise für Bücher mitbringe, werde eingeladen. „Das Schöne ist, dass direkt vor Ort hunderttausende Menschen erreicht werden können“, sagt Bollert.
Fotos: Leonie Beer
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