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  • Jüdisches Empowerment auf der Leipziger Buchmesse

    Junge jüdische Aktivist*innen zeigen Stärke und Vielfalt auf der Leipziger Buchmesse. Das Buch „Wir lassen uns nicht unterkriegen” setzt ein Zeichen gegen Antisemitismus.

    Die Leipziger Buchmesse bietet neben zahlreichen Verlagsständen auch etliche Veranstaltungen, die nach einer dreijährigen Corona-Pause zu einem Austausch einladen. In diesem Jahr öffnete zum ersten Mal das Forum Offene Gesellschaft in Halle 4 seine Pforten. Gesellschaftliche Themen wie Integration, Krieg, Meinungsfreiheit und Menschenrechte stehen im Fokus.

    Es ist Freitag, der 28. April, der zweite Tag der Leipziger Buchmesse bricht an. Bereits gegen elf Uhr sind die Hallen gut besucht und an manchen Stellen münden die ersten Besucher*innen-Ströme in einem Stau. Auch die Stühle im Forum Offene Gesellschaft sind gut belegt und Anwesende finden nur noch wenige Plätze in den ersten beiden Reihen.

    Grund dafür ist eine Veranstaltung von #verlagegegenrechts und dem Hentrich & Hentrich Verlag mit dem Titel „Wir lassen uns nicht unterkriegen. Junge jüdische Aktivist*innen in Deutschland“. Pünktlich um 11:30 Uhr beginnt Nora Pester, Eigentümerin und Verlegerin des Leipziger Verlagshauses Hentrich & Hentrich für jüdische Kultur und Zeitgeschichte, die Veranstaltung mit einleitenden Worten. Zunächst heißt sie die beiden Aktivisten und Debütautoren Monty Ott und Ruben Gerczikow willkommen, die passend zur Veranstaltung im Februar das Buch „Wir lassen uns nicht unterkriegen“ veröffentlichten. Die beiden sind auch abseits des Buches in der antisemitismuskritischen Bildungsarbeit engagiert, wobei Gerczikow sich besonders mit Antisemitismus im digitalen Raum auseinandersetzt. Das Buch selbst kann als Sammelband betrachtet werden. Schließlich kommen die verschiedensten jüdischen Akteur*innen zu Wort. Wichtig hierbei ist „Empowerment“ und damit verbunden, „eine vielfältige jüdische Kultur sichtbar zu machen und nicht vom Antisemitismus ohnmächtig zu werden“, so die beiden Verfasser.

    Gerczikow berichtet zunächst von antisemitischen, queerfeindlichen, islamistischen Aufklebern in Berlin, wogegen sich mutige jüdische Aktivist*innen wehren, und wie daraus eine Art „Aufkleberkrieg“ entstanden ist, bei dem immer wieder neuen diskriminierenden Aufkleber auftauchen und im Gegenzug von Aktivist*innen überklebt werden. Ott liest aus einem Kapitel vor, das aus einem Interview mit der Künstlerin Talya Feldmann entstanden ist. Vor zwei Jahren war sie es, die eine Ausstellung im Jüdischen Museum Berlin kuratierte, welche überwiegend aus Installationen zum Hören bestand. Präsentiert wurden Sprachaufnahmen von Überlebenden rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt. Überlebende des Attentats in Halle kamen ebenfalls zu Wort. Später sollte Feldmann hierfür den DAGESH-Kunstpreis erhalten. Der seit 2020 vergebene Preis wird laut Selbstverständnis „an junge Künstler*innen vergeben, die sich mit „jüdischen Gegenwartspositionen und -erfahrungen sowie Fragen zur Gestaltung eines gesellschaftlichen Wandels auseinandersetzen“. Ott liest aus dem Buch: „Nach der Frage, ob Sie sich als Künstlerin oder Aktivistin versteht, antwortet Feldmann: „Die Kunst ist mein Handwerk, um gehört zu werden.“

    Weiter im Gespräch erzählt Gerczikow: „Die geografische Nähe Leipzigs zu Halle, der Stadt, wo jüdisches Leben durch den Anschlag eine Zäsur erfahren musste, macht die Lesung hier auf der Buchmesse besonders wichtig. Schließlich hat der Anschlag gezeigt, „wie fragil jüdisches Leben in Deutschland ist.“ Insgesamt sind seit der Wiedervereinigung über 200 Menschen aufgrund rechtsextremistischer Gewalt in Deutschland gestorben. Dem entgegen engagiert sich Gerczikow in der Jüdischen Studierendenunion Deutschland. Nora Pester, hofft abschließend auf eine breite Erinnerungskultur in Leipzig, da sich am 9. Oktober der vierte Jahrestag des Anschlags in Halle jährt.

     

    Foto: Verlag Hentrich & Hentrich

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