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  • Hört auf, euch zu entschuldigen

    Streicht die unnötigen Phrasen aus eurem Wortschatz! Denn ohne die vielen „Sorrys“ wäre das Leben leichter, findet Kolumnist Leo.

    Ständig mache ich es. Dutzende Male täglich sage ich, nuschle ich oder rufe ich „Sorry“, „Tut mir leid“, „I’m sorry“, „Tschuldigung“ und jegliche andere Variation einer kleinen Entschuldigung, die erdacht werden kann. Jedes Mal sagt der*die andere Person wahlweise „Alles gut“, „Kein Ding“, „Passt schon“ oder winkt sonst ab. Warum machen wir das? Warum entschuldige ich mich dafür, in der Vorlesung meine Sitznachbarin versehentlich mit dem Fuß berührt zu haben, als ich meine Sitzposition geändert habe? Warum entschuldige ich mich dafür, dass das Frisbee etwas schräg geflogen ist, mein*e Gegenüber ihn nicht fangen konnte und jetzt ein Stück über die Wiese rennen muss? Warum entschuldige ich mich dafür, dass ich etwas getan habe, von dem die andere Person genau weiß, dass es versehentlich passiert ist und es auch überhaupt keine Folgen hat.

    Männlich gelesene Person mit kurzen braunen Haaren und grünem Sport-T-Shirt seitlich lachend.

    Meistens kann man die Entschuldigung weglassen. Foto: privat

    Dieses ständige Entschuldigen ist unnötig. Ich glaube nicht, dass es wirklich einen (sozialen) Zweck hat. Für mich ist es eine lästige Angewohnheit. Sie führt so weit, dass ich mit meiner Freundin spreche und mich ständig und permanent für irgendetwas an mir, meinen Bedürfnissen oder meinem Verhalten entschuldige. Ich habe aber eigentlich nichts getan, außer ich selbst zu sein. Eine Entschuldigung ist nicht nötig, das wissen wir beide. Sie sagt mir, dass ich aufhören soll, mich ständig zu entschuldigen. „Stimmt, sorry“, antworte ich. Well, wow Leo, du hast dich gerade dafür entschuldigt, dass du dich zu viel entschuldigst.

    Was würde passieren, wenn wir uns nicht mehr für unsere Existenz entschuldigen? Unsere Gesellschaft würde nicht zusammenbrechen, glaube ich zumindest. Die vielen kleinen Entschuldigungen des Alltags stärken unsere sozialen Bindungen nicht. Natürlich müsste man sich daran gewöhnen, nicht immer wieder gespiegelt zu bekommen, dass das offensichtlich unbeabsichtigte Verhalten des anderen wirklich unbeabsichtigt war. Würden wir aber aufhören, uns ständig zu entschuldigen, wüssten wir vielleicht automatischer, dass unsere sozialen Beziehungen sicher sind und wir als Person wertvoll, auch wenn wir mal jemanden angerempelt haben.

    Ich frage mich, ob man den Versuch, sich nicht zu entschuldigen, noch weiterführen kann. Wie wäre es, sich nicht nur nicht für Banalitäten zu entschuldigen, sondern sich überhaupt nicht mehr zu entschuldigen? Zumindest in einem Bereich von Taten, die doch in den unteren Bereich der Entschuldigungsbedürftigkeit fallen. Ich habe jemandem versprochen, seine/ihre Hausarbeit Korrektur zu lesen. Nun habe ich keine Zeit dafür gefunden oder es vergessen. Ich könnte mich bei der anderen Person dafür entschuldigen. Ich könnte es aber auch lassen. Nicht, weil ich nicht weiß, dass mein Verhalten nicht optimal war, sondern weil wir beide wissen, dass ich das weiß. Wenn wir aber beide wissen, dass ich nicht vorhabe, mich erneut so zu verhalten und dass ich eingesehen habe, einen Fehler begangen zu haben, warum müssen wir dann darüber kommunizieren?

    Darüber nachdenkend kommen in mir Zweifel auf, das kann man doch nicht machen, wir wirkt man denn da auf die anderen. Aber: Natürlich kann man es machen, wenn alle mitmachen. Wenn alle wissen, dass eine ausbleibende Entschuldigung nicht fehlendes Einsehen bedeutet. Wenn alle wissen, dass die Entschuldigung allein noch zu nichts führt. Entscheidend ist doch, ob das Verhalten später geändert wird, ob man seine Tat vielleicht wieder gut macht.

    Nun gut, vielleicht sind die Einwände auch korrekt und das führt zu weit. Darüber muss ich noch nachdenken. Aber zumindest für die kleinen Dinge im Leben entschuldige ich mich nicht mehr, wundert euch nicht. Und falls es mir doch mal wieder rausrutscht: Sorry.

     

    Foto: Vie Studio

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