„Marsupilami hab ich auch gelesen“
Comickünstlerin Helena Baumeister spricht im luhze-Interview über die Power von Bilderzählungen.
Anlässlich der Buchmesse war die Künstlerin Helena Baumeister zu Besuch in Leipzig. Ihr Debüt „Oh Cupid“ beschäftigt sich auf traumwandlerische und lebensnahe Weise mit dem Thema Online-Dating – und ist autobiografisch. Es erschien im März 2023 im Avant – Verlag, der auch Superstar Liv Strömquist verlegt. Mit luhze-Redakteur Daniel Emmerling hat Helena über ihr künstlerisches Arbeiten gesprochen.
luhze: Wann hast du angefangen, zu zeichnen?
Baumeister: Ich hab schon mit drei Jahren oder so gezeichnet. Ich glaube, dass alle Kinder zeichnen. Alle Kinder mögen das ja eigentlich, aber ich glaube, ich hab halt nicht aufgehört damit. Ich hab das dann auch meine Jugend über durchgezogen.
Wie kamst du zum Zeichnen von Comics?
Im fünften Semester meiner Hochschule in Hamburg habe ich meinen ersten Comickurs bei Kathrin Klingner gemacht (Anmerkung der Redaktion: Kathrin Klingner ist eine deutsche Comickünstlerin und Illustratorin). Davor hab ich schon sequenzielle Bilderzählungen gemacht, aber bei ihr im Kurs habe ich angefangen, Bild für Bild zu zeichnen und das hat sich dann rasend schnell entwickelt, weil es mich sehr interessiert hat.
Welche Comics haben dich als Kind begeistert?
Ich hab mit meinem Bruder immer noch Insider aus den Lustigen Taschenbüchern. Die haben wir wie viele andere Kinder eingeatmet, diese Comics von Donald Duck, die sind emotional sehr nahe. Marsupilami hab ich auch gelesen. Tim und Struppi fand ich irgendwie unlustig, Asterix und Obelix fand ich auch nicht so geil. Ich hab mir viele Bilderbücher angeguckt, zum Beispiel von Wilhelm Busch, über den man ja viel sagen kann, nicht nur Gutes. Aber seine Art zu zeichnen und zu dichten haben mich sehr beeinflusst.
Woher nimmst du deine Inspiration?
Meine Ideen kommen grundsätzlich aus meinem Umfeld. Bislang habe ich über nichts Comics gemacht, was ich nicht selbst erlebt habe. Alle meine Comics sind autobiografisch, ansonsten kam auch immer etwas Komisches bei meiner Arbeit raus. Eine Ausnahme ist ein Kindercomic, den ich mal gemacht habe und der ganz lustig geworden ist. (Anmerkung der Redaktion: ein Beitrag im Polle drei – Kindercomic – Magazin) Damit ich einen Comic über etwas machen kann, muss es mich berühren. Ich zeichne nicht nur für mich, sondern auch für meine Familie, Friends und Leute, in die ich verliebt bin – einfach, um mich mitzuteilen.
Welche Künstler*innen haben dich inspiriert? Gibt es Vorbilder?
Inspiration kann aus verschiedenen Richtungen kommen. Zum Beispiel von meinen Kommiliton*innen, besonders von meinen Freund*innen Whitney Bursch oder Erik Müller. Im größeren Kontext find ich Tara Booth sehr inspirierend. Sie zeichnet ganz eigenartig, eigentlich malt sie ihre Comics. Christiane Haas mag ich auch sehr. Ich find einfach diese Art spannend, sich vorbehaltlos in Comics zu zeigen.
Was ist deiner Meinung nach der Vorteil einer Graphic Novel/einem Comic gegenüber einem reinen Textroman? Inwiefern lassen sich mit Bildern Dinge anders sagen?
Für Menschen, die sich nicht so gut konzentrieren können, ist eine Graphic Novel möglicherweise unterhaltsamer, weil es viel zu gucken gibt. Die Bilder machen eine ganz neue Ebene auf, man kann es ein bisschen mit einem Animationfilm vergleichen. Menschen entwickeln beim Sehen nochmal ganz neue Eindrücke so wie du – du hast ja dann auf einmal in deinem Kopf Musik gehört. An sich sind es zwei verschiedene Medien, die man wertmäßig nicht vergleichen kann.
Willst du mit deinem Zeichenstil etwas Bestimmtes sagen?
Ich bekomme oft Konnotierungen wie „nicht exakt“, „skizzenhaft“, „unpräzise“, „rotzig“ oder „unordentlich“. Oder halt auch „slobby“ und „scheinbar mühelos“. Allerdings sitze ich sehr lange an Zeichnungen, bis sie wiedergeben, wie eine bestimmte Situation sich für mich angefühlt hat.
Viele Journalist*innen sagen: „Du zeichnest voll rough, aber es funktioniert trotzdem.“ Für mich ist die Art, wie ich zeichne, sehr präzise, aber eben nicht naturalistisch.
Wie lange hast du an deinem kürzlich erschienenen Debüt „Oh Cupid“ gearbeitet?
Ich hab die Geschichte im Winter 2020 angefangen und erlebt. Jetzt im März 2023 hab ich den Comic rausgebracht. Am Anfang hatte ich eine intensive Zeichenphase, die ein halbes Jahr gedauert hat. Dann hab ich das Ganze ein Jahr lang nicht angefasst, schließlich einen Preis (den Hamburger Literaturpreis in der Kategorie Comic – Anmerkung Redaktion) dafür gewonnen und es an den Avant-Verlag geschickt. Danach begann nochmal eine Überarbeitungsphase, die ein halbes Jahr gedauert hat.
War es schwer, den Verlag von deinem neuartigen Stil zu überzeugen?
Ein bisschen Gegenwind war da. Aber dass ein Projekt eins zu eins umgesetzt wird, passiert eher selten. Bezüglich meines Styles war es ein sehr wertschätzender Umgang. Der Verleger hat sich mega viel Zeit genommen, um mit mir Veränderungen durchzugehen. Ich hatte das Gefühl, dass mir mein Zeichenstil Türen öffnet.
Was wäre das schönste Feedback, dass dir jemand für deine Graphic Novel geben könnte?
Das schönste ist, wenn Leute sagen, dass sie die Geschichte gefühlt haben. Wenn die mixed Feelings und dieses angefasste Gefühl, das der Schluss vermittelt, ankommen und die Graphic Novel nicht als eindeutiges Statement zum Thema Online-Dating aufgefasst wird. Und wenn Leser*innen ihre eigenen Erfahrungen widergespiegelt sehen, ist das das Wertvollste überhaupt.
Foto: SWR2
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