And I’m bad like the Barbie
Eine pinke Welle hat Leipzig erfasst und Kolumnistin Margarete Arendt steckt mittendrin. Über Barbie, Feminismus und die Frage: Wie passt das zusammen?
Barbie kündigte sich bei mir schon vor Wochen an, mit dem Instagram-Post eines menschengroßen Dreamhouses, was meine Social-Media-Bubble in helle Aufregung versetzte. Ein moderner Barbie-Film mit feministischen Elementen – was kam da auf uns zu? Dass es eine pinke Explosion sein würde, war damals noch nicht absehbar. Plötzlich hatten alle großen Marken eine eigene Barbie-Kollektion, Spotify schlug mir die Barbie-Playlist vor und ich stolperte beim neusten YouTube-Workout zu Barbies Songs über meine eigenen Füße. Ich liebe pink, aber das machte mich dann doch skeptisch: Ging es hier wieder nur um Geld? Gleichzeitig wurden unzählige Instagram-Storys von politischen Menschen mit Vorbildfunktion für mich mit Nicki Minaj, Ice Spice und Aquas „Barbie World“-Song als Rap-Edition unterlegt und ich fand es irgendwie cool. Alle Welt in pink, alle sind „bad like the Barbie“. Bei einem Bier auf der Eisenbahnstraße klärte mich eine Freundin auf: cooler Film, zu weiß, nicht queer genug, aber trotzdem cooler Film. Es war klar, dass ich den Film auch sehen musste, wenigstens um mitreden zu können.
Ich verabredete mich mit einer Gruppe aus Freund*innen im Kino. Am Morgen stand ich vor dem Kleiderschrank. Sollte ich auf den Zug aufspringen und mich für den Kinobesuch rosa und pink kleiden? Ich entschied mich für eine eigene Version mit ein bisschen rosa und ein bisschen Leo im Hip-Hop-Look. Ein Kompromiss aus „Ich liebe pink“ aber auch „Ich sehe Kapitalismus eher kritisch“ und „Ich vertrete queerfeministische Werte“ und diese Unschlüssigkeit spiegelte sich auch in meiner Freund*innengruppe wider: Zwei interpretierten den Look neu, eine Person hatte frisch manikürte Barbienägel und der Rest sah aus wie immer, weil dieses „Ganz-in-pink-ins-Kino-gehen“ auch ein bisschen peinlich ist. Ausgestattet mit einer kleinen Portion Popcorn für 6,20€ (ich habe den Beleg extra aufgehoben, sonst glaubt mir das ja keiner), pflanzten wir uns in den Kinosaal. Das Publikum war gemischt und ich musste an meine Schwester denken, die mir von einem Arbeitskollegen erzählt hatte. Der Kollege fand den Barbie-Film so gut, dass er schon zweimal im Kino gewesen war. Tolle und wichtige feministische Botschaften, fand er. Aber das überwiegend weibliche Publikum habe ihn genervt. Das ganze Gackern und Kichern. Gelacht wurde dann auch nicht nur in der Reihe vor mir kräftig. Der Film verursachte ein emotionales Auf und Ab in meinem Herzen. Und kurz kam mir der Gedanke: Ich will lieber im Barbieland leben, wo alles schön ist, ich alles sein kann und vor allem das Patriarchat nicht existiert.
Ich nahm also gemischte Gefühle aus dem Kino mit nachhause. In meinem Kopf lief immer abwechselnd „I’m a Barbie Girl“ und „What was I made for“, und damit einher gingen Stimmungsschwankungen von Stolz und Empowerment und Selbstbewusstsein, das abgelöst wurde durch Krise und Ratlosigkeit und die Frage: Ja, Billie, aus welchem Grund existiere ich denn jetzt?! Am nächsten Tag fuhr ich mit der Barbie-Playlist auf den Ohren in die Bibliothek und begrüßte meine Freund*innen mit einem fröhlichen „Hi Barbie!“. Insgesamt habe ich ein positives Gefühl gegenüber dem Film. Ja – er entspricht wirklich nicht dem Queerfeminismus meiner Leipziger Bubble und ja – er ist auch wirklich zu weiß. Es wäre toll gewesen, wenn zum Beispiel eine Schwarze Person und/oder eine Trans-Person eine Hauptrolle gespielt hätte. Aber die Vorstellung, was für eine Reichweite dieser Film hat und wie viele kleine FLINTA*-Personen ihn sehen und damit einen Basiskurs Feminismus belegen würden, stimmt mich schon sehr zufrieden. Für einen profitorientierten Mainstream-Film ist das eine außerordentliche Leistung. Ist dieser Anspruch zu gering? In der Mittagspause wurde der Kinobesuch vom Vortag noch einmal ausführlich besprochen und ich erhielt ordentlich Gegenwind. Viel zu flach, viel zu oberflächlich und auch nicht wirklich feministisch. Nichts, wo man hinter stehen kann. Wie kann man außerdem eine Puppe, die solche toxischen Schönheitsideale verkörpert und die so viel Unheil angerichtet hat, feiern? Sollen Kinder jetzt etwa wieder mehr mit Barbies spielen, weil die Figur feministisch gezaubert wurde? Andererseits ist an der Existenz von Barbie nicht zu rütteln. Warum sollten sie und ihre Lieblingsfarbe Rosa dann kein feministisches Symbol werden? Es fühlt sich zumindest an wie ein Weg nach vorne.
Titelbild: Erika Wittlieb; Pixabay
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