Lost in language…
…fühlt sich Kolumnist Eric. Über das Gefühl, nicht die richtigen Worte zu finden – und warum die deutsche Sprache auch schön sein kann.
Als ich vor wenigen Wochen Nachrichten schaute, habe ich mich gefreut. Nicht, weil der Nachrichteninhalt so toll war. Um ehrlich zu sein, habe ich gar keinen Plan mehr, worum es ging. Wieder irgendeine Katastrophe oder eine politische Kissenschlacht? Egal. Es war nur dieses eine Wort, welches der interviewte englischsprachige Zivilist sagte: „Zeitgeist“. Ich musste noch einmal zurückspulen. Nicht verhört, mit den Ohren ist noch alles in Ordnung. Dann ballte ich vor dem Fernseher die Fäuste, mein Gesichtsausdruck zwischen Freude und Erstaunen. Endlich mal vertauschte Rollen, dachte ich mir. Ist es doch oft anders: Wir Deutschen und unser tolles „Denglisch“.
Englisch ist eine schöne Sprache. Cool, lässig und oft auch so schön einfach (viele Grüße an die französische Grammatik). Man muss sich keine Gedanken machen, ob jetzt eine fremde Person mit „Du“ oder „Sie“ angesprochen wird: „you“ ist „you“. Wie einfach die Welt doch sein kann. Deshalb verstehe ich gut, warum so tolle englische Begriffe Einzug in die deutsche Sprache finden. Alles wirkt irgendwie „crazy“. Offensichtlich ist jetzt „obviously“. Ich bin kein Malocher mehr, sondern ein „Hustler“. Was ist ein „Hausmeister“ gegenüber einem „Facility Manager“? Von „cringe“ möchte ich gar nicht erst reden.
Doch das ist mir alles irgendwie zu „random“.
Was ich damit sagen will: Auch Deutsch ist eine schöne Sprache. Was ist schon „surprise“ gegenüber eine „Überraschung“? Warum „science“, wenn man auch „Naturwissenschaften“ haben kann? Und „Cinderella“ ist weniger ansprechend als „Aschenputtel“. Oh liebes Deutsch, du bestichst mit deiner Schönheit. Wo gibt es denn sonst solche Perlen wie „Grundstücksverkehrsgenehmigungszuständigkeitsübertragungsverordnung“? German, you are the best!
Ironie beiseite. Klar, manchmal klingt diese Sprache ein wenig hart und scheint beinahe eine Manifestation deutscher Stereotype: spießig, wenig Humor, gewissenhaft und genau. Ich meine, wenn eine italienischsprachige Person erste Gehversuche mit der deutschen Sprache macht, erstickt der- oder diejenige beinahe an den ganzen Konsonanten. Mein vollstes Verständnis für alle, die am Deutschen verzweifeln. Nicht umsonst kam Mark Twain zu der Schlussfolgerung, dass Deutsch zu den toten Sprache gehöre. Denn nur die Toten hätten Zeit, die Sprache zu lernen. Wie recht er doch hat – fast.
Denn ein genauer Blick auf die deutsche Sprache lohnt immer. Eine Inspiration bietet Roland Kaehlbrandts „Logbuch Deutsch“. Wo kann man so toll Wörter kombinieren? Ob Nomen und Nomen („Auto“ und „Bahn“) oder Adjektiv und Verb („fremd“ und „schämen“). Wo ist die Wortstellung im Satz so flexibel? „Ich habe ihm das Buch geschenkt“ kann man beispielsweise drehen und wenden, wie man es möchte, es werden immer wieder neue Satzteile hervorgehoben. In wenigen Worten: umfangreicher Wortschatz, präzise Formulierungen und differenzierter Satzbau. Und so tolle Wörter, die dann in andere Sprachen übernommen werden, gibt es auch noch. Stichwort „Zeitgeist“, Johann Gottfried Herder lässt grüßen. Deutsch kann ein ziemlich guter „Sprachporno“ sein.
Bevor ich jedoch als der nächstbeste Vaterlandsanbeter daherkomme: Ich finde es gut, wenn Sprache sich wandelt, nicht in irgendeiner altertümlichen Zeit stecken bleibt und krampfhaft auf die Gegenwart übertragen wird. Sprachen vermischen sich genauso wie Kulturen. Und vor allem Englisch als Weltsprache gewinnt mehr und mehr an Einfluss. Das kann auch positiv sein, da viele Menschen mit unterschiedlichen Muttersprachen verstärkt miteinander kommunizieren können. Ich hoffe nur, dass jede Sprache sich ihre herrliche Einzigartigkeit bewahrt.
Und um ehrlich zu sein: Wenn ich mich nicht gerade anstrenge, wird man wohl meine Sprache auch nicht als Deutsch bezeichnen. Dieses sogenannte „Deutsch“ kommt in dem Moment zum Vorschein, wenn ich mal wieder zum Landei mutiere. Kleine Kostprobe gefällig? Die Landeshauptstadt Sachsen-Anhalts ist „Machteburch“. Ich gebe nicht, ich „jebe“. Durst ist mir ein Fremdwort, ich kenne nur „Durscht“.
Dass ich dennoch ein kleines Plädoyer für das Deutsche halte, mag wohl daran liegen, dass mein Englisch „not the yellow from the egg“ ist. Es ist eine gekonnte Kreuzung aus den ehemaligen Fußballern Roman Weidenfeller („We have a grandios Saison gespielt“) und Lothar Matthäus („Ai täll ju nau samsing!“), mit einer leichten Prise Dorf-Deutsch und ganz viel „ähms“. Für die einfache Kommunikation hat es dennoch bisher gereicht. Na gut, groß im Ausland war ich selbst noch nicht. Der Tag der Abrechnung kommt also noch – und ich bin gestählt mit schlechtem Schulunterricht und zehn Staffeln „Friends“.
Mit dem Sprachenlernen bin ich oft zu schlampig. Dabei ist mir durchaus bewusst, dass bloßes Konsumieren über Podcasts, Bücher und Serien nur Bruchstücke einer Sprache vermitteln. Man muss sie erleben, sprechen und anwenden: Von Passivität zu Aktivität. Ich nehme mir deshalb auch fest vor, mindestens eine weitere Sprache (neben Deutsch und Englisch) richtig zu lernen. Französisch habe ich nach fünf Jahren in der Schule erfolgreich abgewählt. Qu’est-ce que je peux dire? Je ne parle pas français. Kein Plan, ob das richtig ist, hat mir ein Übersetzer ausgespuckt. Eventuell sollte ich es mal mit Italienisch versuchen. Habe gehört, die Sprache soll den größten Sex-Appeal haben. Na gut, selbst die anziehendste Sprache auf der Welt ist bei mir so wirksam wie eine Kopfschmerztablette bei Liebeskummer. Dann wohl doch nur das Wörterbuch von außen anschauen.
Manchmal bin ich einfach nur verwirrt, welches Wort nun angemessen ist. Ab wann klinge ich abgehoben, wann wie ein Dorftrottel? Wie viel Deutsch, wie viel Englisch? Ich fühle mich ein wenig verloren – eben „lost in language“.
Titelbild: CDD20 (Pixabay)
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