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  • Fünf nach zwölf

    Trotzt zahlreicher Klimaschutz-Demos werden relativ wenige geeignete Maßnahmen realisiert. Kolumnist Eric schreibt darüber, wie echter Klima- und Umweltschutz gelingen kann.

    Am vergangenen Freitag war es wieder soweit: Anlässlich des globalen Klimastreiks demonstrierten in hunderten Orten rund 250.000 Menschen für schnellere Fortschritte im Klimaschutz. Die Demonstrierenden versuchen vor allem, die geplante Abschwächung des Klimaschutzgesetzes zu verhindern. Nach dem ersten Schulstreik Greta Thunbergs am 20. August 2018 gewann die Klimaschutz-Debatte eine neue Dynamik, welche über „Fridays For Future“ und die klebrige „Letzte Generation“ hinausreicht.

    Zwischen Dürren und Überschwemmungen, Waldbränden und Parasitenplagen: Der Mensch steht mächtig im Schlamassel. Dabei betone ich bewusst „der Mensch“, denn am Ende sind es wir, die die Konsequenzen zu tragen haben. Zumindest künftige Generationen werden unter deutlich schwierigeren Bedingungen leben – vorausgesetzt, wir machen so weiter wie bisher. Und die klimatischen Bedingungen sind nur eine Seite der Medaille: Auch das voranschreitende Artensterben wird neue Ausmaße annehmen und uns vor neue Herausforderungen stellen.

    Dass jedoch das Leugnen gegenteiliger Positionen statt eines konstruktiven Dialoges gängige Praxis ist, kann eigentlich nicht positiv stimmen.

    Es könnte so schön sein, doch …

    … es ist oft zu schwer, sich an die eigene Nase zu fassen. Das kann auch verständlich sein, bedenkt man den Alltag vieler Schichtarbeiter*innen und Leute, die einen Knochenjob betreiben, der jede Lebenskraft raubt. Die rar gesäte Freizeit dann auch noch mit Natur- und Klimaschutzthemen zu füllen, ist schwer genug, passiv vor der Glotze zu hängen viel einfacher.  Dabei sind es weniger die Themen an sich, sondern eher die damit einhergehenden neuen Gewohnheiten. Das ist mit dem „Endlich wieder Sporttreiben“ oder „Jetzt ernähre ich mich gesund“ vergleichbar. Man kann hochmotiviert starten, doch wenn man sich gleich zu Beginn den Marathon vornimmt oder von heute auf morgen komplett auf Fast Food verzichtet, sinkt schnell die Motivation – „Hab’s ausprobiert, ist doof“. Bei der Herangehensweise ist das natürlich. Aus dem Grund ist es falsch, Klimaschutz immer so groß zu denken und damit automatisch als Synonym zu Verzicht zu betrachten. Klar, veränderte Lebensbedingung bedeuten veränderte Verhaltensweisen. Natürlich ist Autofahren mit dem SUV genauso eine Klimasünde wie täglicher Konsum von Billig-Fleisch. Das heißt jedoch nicht, dass eine radikale Veränderung sinnvoll ist – denn langfristig halten diese wahrscheinlich nicht an.

    Leider habe ich oft das Gefühl, dass viele Menschen (nicht alle!) dabei eine krampfhafte Abwehrhaltung entwickeln und Mauern um ihr „gewohntes“ Leben bauen. Dann werden halt irgendwelche „Fakten“ oder Berechnungen herausgeholt, die belegen, dass unter anderem die Zucht von Insekten zum Verzehr viel ressourcenaufwendiger ist als die Fleischproduktion in Massentierhaltung. Ganz dem Motto folgend: Nach mir die Sintflut! Jegliche CO2-Bomben werden dabei als Statussymbol gesehen. Dass Eigeninitiative jedoch dringend notwendig ist, steht außer Frage.

    Denn: Die Uhr tickt.

    Eine Klimautopie

    Wie können wir dennoch die neuen Herausforderungen meistern? Mit der neuesten High-Tech-Rakete, die uns auf den nächsten (bewohnbaren) Planeten schießt? Wohl eher nicht, da zum einen ein solches Vorhaben sehr unrealistisch ist und es zweitens einer Bewahrung des Status quo nahekommt. Denkt bloß nicht, wir würden auf dem neuen Planeten komplett anders handeln. Was reichlich vorhanden ist, ist halt weniger wert.

    Doch wir haben nur einen Planeten.

    Eric Portrait; Gent

    Warum sollte ich keine Hoffnung haben? Foto: Eric Binnebößel

    Es ist deshalb falsch, auf die eine rettende Erfindung zu warten, die uns in das nächste Paradies katapultiert: Auf Knopfdruck in eine neue Welt, „Minecraft“ in der Realität. Genauso ist es irreführend, darauf zu warten, dass „die da oben“ schon alles richten werden. Wenn die Bewahrung der natürlichen Grundlagen schon schwer ist, dann ist es Politik erst recht. Denn das heißt: Verhandeln, Verhandeln, Verhandeln. Unterschiedliche Meinungen wollen und sollen gehört werden, das ist die größte Stärke der Demokratie und zugleich ihre größte Schwäche. Denn das lähmt, doch wir brauchen Tempo. Da kann schonmal eine „Fortschrittskoalition“ zu einer Light-Version dessen werden. Und wenn dann noch ein kleiner, gelber und (angeblich) liberaler Bremsklotz „Finanzen!“ schreit, ist die Messe eh gelesen.

    Die optimale Utopie wäre deshalb, wenn von heute auf morgen jede Person aufwachen würde und zu sich selbst sagt: Ich ändere etwas – nicht unbedingt auf radikale Art und Weise, sondern Schritt für Schritt. „Stetig“ ist das Zauberwort. In dieser Utopie sind sich alle ihrer Verantwortung bewusst. Diese optimale Welt kennt keine Multi-Millionär*innen, die selbst nicht wissen, wie sie an das ganze Geld gekommen sind, und es für irgendwelchen Unsinn verprassen. Das soll kein Entwurf einer klassenlosen Gesellschaft sein. Doch gerade Menschen, die deutlich über dem Einkommensdurchschnitt der Gesellschaft liegen, sollten ihren Auftrag kennen: Gutes tun und Menschlichkeit zeigen. Es gibt zahlreiche Initiativen, bei der sich eine (finanzielle) Unterstützung lohnt. Das bezieht sich nicht nur auf den Klima- und Artenschutz.

    Das Große erwächst aus dem Kleinen – und die Uhr tickt weiter, es ist kurz vor Mitternacht.

    Das ist kein Zweckoptimismus!

    In letzter Zeit muss ich immer an die eine Szene aus „Star Wars – Die Rache der Sith“ denken, als Padmé Amidala auf die Ausrufung des galaktischen Imperiums reagiert: „So geht die Freiheit zugrunde. Mit donnerndem Applaus.“ In diesem Fall ist es unsere Umwelt, die zugrunde geht, und wir mit ihr. Leider haben wir nichts Besseres zu tun, als uns in Scheindebatten zu verirren und uns an den unwichtigsten Kleinigkeiten aufzugeilen. Was der- oder diejenige gesagt hat, ist oft wichtiger als konkrete Taten.

    Dass seit Beginn der Amtszeit von Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva die Abholzung des Regenwaldes stark zurückgegangen ist, ist eine von wenigen Nachrichten, die mir Hoffnung gibt. Wie Luisa Neubauer es anlässlich des globalen Klimastreiks formulierte, sei Hoffnung eine Praxis, bei der es an uns liege, sie in die Welt zu tragen.

    Es ist fünf nach zwölf. Doch es gibt noch diese Hoffnung – ich weigere mich, sie aufzugeben.

     

    Titelbild: Dominic Wunderlich; Pixabay

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