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  • Zusammen die Einsamkeit überwinden

    Kolumnistin Anne fiel es schwer, im Studium neue Freundschaften zu schließen. Sie schreibt darüber, warum sie damit nicht allein ist und was ihr auf der Suche nach Freundschaften geholfen hat.

    Neue Freunde zu finden, wird immer schwerer, je älter man wird. Eine Tatsache, die mir niemand schonend beigebracht hat, sondern die ich über die letzten Jahre hinweg bitter festgestellt habe. Als Kind schien es mir wie selbstverständlich, einen großen Freundeskreis zu haben. Es war immer jemand da, mit dem man sich verabreden konnte. Es hat gereicht, auf dem Pausenhof ein paar Sätze zu wechseln, und schon war man befreundet. Je älter man wird, desto länger dauert es, bis sich das Gefühl von Freundschaft einstellt. Im Studium neue Freunde zu finden, fiel mir wirklich schwer. Natürlich unterhalte ich mich nach der Vorlesung mit Mitstudierenden. Man geht zusammen in die Mensa. Trifft sich abends in einer Bar oder wird auf eine Hausparty eingeladen. Trotzdem hatte ich die ersten zwei Semester meines Studiums über das Gefühl, sehr einsam zu sein. 

    Lange dachte ich, ich sei die einzige, der es so geht. Alle anderen hätten bereits richtige Freundschaften geschlossen, seien jedes Wochenende verabredet und fühlten sich nie allein. Deswegen habe ich auch selten andere gefragt, ob sie sich mit mir verabreden möchten. Ich dachte, sie hätten bereits genug Freunde und ich würde ihnen mit meinen Einladungen auf die Nerven gehen. Die Angst vor einer Absage war zu groß. Ich habe mich nur mit anderen verabredet, wenn sie mich gefragt haben. Als ich nicht so viele Einladungen bekommen habe, wie mir lieb gewesen wäre, habe ich angefangen, an mir selbst zu zweifeln. Ich war überzeugt, dass ich einen schlechten Eindruck auf andere mache. Dass ich aus irgendwelchen Gründen nicht cool oder witzig genug wirke. Dieses schlechte Selbstbild hat alles noch viel schlimmer gemacht. Ich habe mich gar nicht mehr getraut, irgendwen anzusprechen, und wurde auch immer seltener eingeladen. Es war eine Abwärtsspirale aus Selbstzweifeln, dem Gefühl von Ablehnung und Einsamkeit. 

    Seitdem ich beschlossen habe etwas gegen die Einsamkeit zu tun, habe ich wieder häufiger einen Grund zum Lächeln. Foto: privat

    Irgendwann habe ich beschlossen, dass es so nicht weitergehen kann. Ich wollte mein Studium nicht damit verbringen, jeden Abend allein in meinem Zimmer zu sitzen. Ich wollte auch nicht immer nur allein ins Kino, ins Museum oder auf Flohmärkte gehen. Und vor allem wollte ich nicht, dass die Vorlesung der einzige Ort ist, an dem ich andere Menschen sehe. Ich hatte zwar Angst davor, auf andere zuzugehen, doch das ständige Gefühl der Einsamkeit war schlimmer. Ich dachte mir: „Das Schlimmste, was passieren kann, ist nur, auf Ablehnung zu stoßen. Und dann bin ich schlimmstenfalls genauso allein, wie ich mich sowieso schon fühle.“ Schließlich habe ich anderen gegenüber offen ausgesprochen, wie allein ich mich oft fühle. Dadurch habe ich gemerkt, dass es vielen ganz genauso geht. Die meisten haben geantwortet, dass es ihnen ebenfalls schwerfällt, neue Freundschaften zu schließen. Das hat mich sehr überrascht. Ich dachte immer, es sei mein persönliches Problem, keine Freunde finden zu können. Von anderen zu hören, dass ich damit nicht alleine bin, tat mir sehr gut. Letztendlich war es auch nicht meine Schuld, dass es mir schwer viel, im Studium Freundschaften zu schließen. Das Studium ist nicht auf sozialen Kontakt angelegt. In der Vorlesung reden hauptsächlich die Dozierenden. Im Seminar tauscht man sich zwar aus, jedoch nur über Studieninhalte. Ein persönliches Gespräch kommt selten zustande. Außerdem sind die Auswirkungen von Corona noch zu spüren. Viele Veranstaltungen finden noch immer online statt. Zu Freizeitangeboten, wie Unisport oder Hochschulgruppen, haben viele nach der Pandemie nicht mehr zurückgefunden. Das Angebot an Sportvereinen oder VHS-Kursen ist ebenfalls zurückgegangen. Die Erhebungen des Deutschen Olympischen Sportbundes zeigen, dass die Mitglieder der Sportvereine seit 2010 rückläufig sind. Alles ist distanzierter geworden. Da ist es kein Wunder, dass man sich komisch dabei vorkommt, offen auf andere zuzugehen. Doch das ist nötig, um Freundschaften zu schließen. Man muss selbst die Initiative ergreifen. Wenn man immer nur wartet, bis andere auf einen zugehen, wartet man sehr lange. Konkrete Vorschläge helfen dabei, sich mit anderen zu verabreden. Am besten man sucht eine Veranstaltung aus, zu der man gehen möchte, und fragt, wer mitkommt. Ein unkonkretes: „Wir könnten uns ja mal treffen“ führt meistens zu nichts. Auch wenn es schwer ist, muss man die Angst vor einer Absage überwinden. Dabei hilft es, immer im Hinterkopf zu behalten, dass es noch sehr viele andere einsame Menschen gibt. Die meisten freuen sich darüber, angesprochen zu werden. Nur die wenigsten Menschen sind gerne allein. Vor allem zu Beginn des Studiums gibt es kaum jemanden, der über sich selbst sagt, schon genug Freunde zu haben. 

    Außerdem hilft es, nach Freunden außerhalb des eigenen Studiengangs zu suchen. Bei sozialen Gruppen wie der Hochschulzeitung oder dem Fachschaftsrat kommt man einfacher ins Gespräch als im Unialltag. Mich hat es Überwindung gekostet, allein zu diesen Gruppen zu gehen. Doch man stößt so gut wie immer auf nette Menschen, die wissen, wie man sich fühlt. Und die darum bemüht sind, einem ein gutes Gefühl zu geben. 

    Wir geben nicht gerne zu, dass wir uns einsam fühlen, weil es uns verletzlich macht. Deswegen verbergen wir unsere Einsamkeit lieber. Doch um die Einsamkeit zu bekämpfen, dürfen wir genau das nicht tun. Wir sollten nicht so tun, als hätten wir alle bereits genug Freunde und seien auf niemanden angewiesen. Stattdessen sollten wir uns offen für neue Freundschaften zeigen. Dass wir uns alle über nette Unterhaltungen oder eine Verabredung freuen würden. Wir sollten uns bewusst machen, dass wir alle nicht gerne alleine sind. 

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