Jungs Juwel – Startschuss Wilhelm-Leuschner-Platz
Viel wurde seither über die geplante Neubebauung des zentralen Wilhelm-Leuschner-Platzes gesagt und geschrieben. Luhze-Redakteurin Elisa Drechsler hat den Status Quo zusammengetragen.
Kaum eine Brachfläche in der Messestadt ist so bekannt wie der etwa sechs Hektar große Wilhelm-Leuschner-Platz. Das Areal wurde ein Jahr nach seinem Tod nach dem 1944 in Berlin hingerichteten sozialdemokratischen Gewerkschaftsfunktionär und hessischen Innenminister Wilhelm Leuschner benannt. Zuvor trug es den Namen Königsplatz. Dabei ist kaum zu glauben, dass der zentrale Platz diesem Titel früher einmal gerecht wurde. Neben Geschäftshäusern und einer großen Zentralmarkthalle befand sich vor Ort auch eine von Bäumen gezierte Promenade. Nichts auf der heutigen Brache lässt mehr auf den damaligen Prunk schließen und das, obwohl seit den verheerenden Luftangriffen des 4. Dezembers 1943 bereits 80 Jahre vergangen sind. Warum sprießen also Neubauten überall in Leipzig wie Pilze aus dem Boden, während auf dem bekannten Innenstadtplatz weiterhin alles ruhig bleibt?
Ein einziges Gebäude ist dort noch heute zu finden und versprüht als Denkmal der DDR-Architektur den Charm vergangener Jahre – der ehemalige Bowlingtreff. In einer großangelegten Arbeitsaktion wurde das unterirdische Umspannwerk 1986 als Jugendobjekt der Freien Deutschen Jugend (FDJ) zu einem Freizeittreff mit 14 Bowlingbahnen umgebaut.
Über 6.000 Personen halfen mit und setzten Pläne für das 15 Meter in die Tiefe gehende Gebäude teils ohne Genehmigung aus Berlin um. Architekt Winfried Sziegoleit zeigte sich in dem 2015 erschienenen Dokumentarfilm „Bowlingtreff“ noch immer erstaunt. Zum ersten Mal habe er bauen können, wie er wollte, sagt er darin.
Dass das geschichtsträchtige Gebäude in einigen Jahren Leipzigs Naturkundemuseum beherbergen soll, ist seit dem Planungsbeschluss im April 2021 Gewissheit. Es wird eine von vielen Institutionen sein, die auf dem Platz bis 2035 einziehen sollen. Das Leibniz-Institut für Länderkunde (IfL), das Forschungszentrum „Global Hub“, das Forum Recht und die Juristenfakultät sowie Raum für die Musikschule „Johann Sebastian Bach“ und die städtische Volkshochschule sind seit 2022 vorgesehen. Auch der Freistaat mischt mit. Er erwarb die Fläche für das IfL und legte in einem Wettbewerb bereits 2019 fest, wie das fertige Gebäude 2025 aussehen soll. Gemeinsam mit der Stadt investiert er außerdem in das Forschungsgebäude „Global Hub“. Hierfür steht ein Siegentwurf seit März 2022 fest. Der Bau beider Gebäude soll noch in diesem Jahr starten. Und auch die Freifläche vor den drei Baufeldern ist an der Reihe. Der Start eines entsprechenden Gestaltungswettbewerbs ist noch bis Ende des Jahres vorgesehen.
Es sollte sich also bald etwas tun auf dem Innenstadtplatz. Nach der Bestätigung des Satzungsbeschluss zum Bebauungsplan Nr. 392 „Wilhelm-Leuschner-Platz“ durch die Ratsversammlung im Juli 2023 wurde die heiße Phase offiziell eröffnet. Das bis zu diesem etwa 13 Jahre voller Diskussionen vergangen sind, ist auch einer intensiven öffentliche Beteiligung geschuldet, denn während mache Leipziger sich den Platz futuristisch und modern wünschen, würden andere gern an den ehemaligen Königsplatz anknüpfen oder befürworten vor allem Natur und Nachhaltigkeit.
Besonders auf sich aufmerksam machten einige Naturschützer. Sie hatten ihr Veto eingelegt, damit sich die potenzielle grüne Oase nicht in eine reine Betonwüste verwandelt. Aktuell beherbergt das teilweise überwachsene Areal noch zahlreiche Tier- und Pflanzenarten. Laut wurden Experten wie René Sievert, Diplom-Biologe und Vorsitzender des NABU-Regionalverbands Leipzig. Doch Professor Dr. Getu Abraham (SPD) Veterinärmediziner, Stadtrat und Sprecher für Stadtentwicklungspolitik, Umweltpolitik, Hochschul- und Wissenschaftspolitik beteuerte, dass auf der Fläche mehr Entsiegelungen als Bebauung stattfinden werde.
Etwa 3.000 Quadratmeter Grünfläche mit Neupflanzungen sind geplant. Baubürgermeister Thomas Dienberg (Grüne) sagte zu dem fast fertigen Konzept im Juni 2022: „In diesem Jahrzehnt wird auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz ein außergewöhnliches Quartier entstehen, das aus national bedeutenden Forschungseinrichtungen, aus städtischen Bildungsbauten, aus einer Markthalle mit Gastronomie und vielen Wohnungen in den Obergeschossen besteht. In Summe ein lebendiges Viertel als Link zwischen Innenstadt und Südvorstadt, das hohen Ansprüchen an Baukultur und nachhaltigem Bauen entsprechen wird.“ Oberbürgermeister Burkard Jung (SPD) sprach von einem künftigen „architektonischen Juwel“. Inwiefern finanzielle Herausforderungen aktueller Tage die Umsetzung behindern, lässt sich noch nicht genau sagen. Doch für Fall Nr. 392 stehen soweit alle Zeichen auf Grün.
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