Ein Buch aus Liebe zum Buch
Mit „Die Stadt der Träumenden Bücher“ entführt Autor Walter Moers den Leser in die unterirdischen Tiefen des fiktiven Kontinents Zamonien.
Doch eins nach dem anderen. Zunächst stellt der Autor klar, dass er lediglich Übersetzer sei – der wahre Urheber des Werks sei der renommierte (und fiktive) Poet Hildegunst von Mythenmetz. Dieser erhält von seinem im Sterben liegenden Mentor, Danzelot von Silbendrechsler, den Auftrag, den Urheber eines mysteriösen Textes ausfindig zu machen. Dafür reist er in die sagenumwobene Bücherstadt Buchhaim.
Dort angekommen erfährt er, dass sich unter der Stadt ein labyrinthisches Netz aus Katakomben befindet. In diesem sollen legendäre und extrem seltene Bücher schlummern, in denen der Ursprung für den Reichtum Buchhaims liegt. In diesen Katakomben liefern sich sogenannte „Bücherjäger“ erbitterte und blutige Kämpfe um die seltenen Schätze. Die Suche nach dem geheimnisvollen Autor des Manuskripts stellt sich für Hildegunst als schwierig heraus, bis er auf den charismatischen Antiquar Phistomefel Smeik trifft. Durch eine Intrige gerät er jedoch selbst in die dunklen Fänge der Katakomben, ohne Aussicht auf Rettung…
Moers Fähigkeit, mit bloßen Worten eine so immersive Welt zu schaffen, ist beeindruckend. Dass der Leser sich so auf die Welt und Erzählweise einlassen kann, liegt unter anderem an Moers’ fiktiven Kollegen: Zum einen trägt die Inszenierung von Hildegunst als ‘wahrer Autor’ zur Immersion bei. Zum anderen helfen auch die kleinen Fußnoten, die auf die fiktive Enzyklopädie eines gewissen Professor Nachtigaller verweisen. Besondere Schmuckstücke sind außerdem die detaillierten und fantasiereichen Illustrationen des Autors, die verschiedene Charaktere, Wesen und Orte zeigen, denen Hildegunst auf seiner Reise in die Katakomben von Buchhaim begegnet.
Über die fiktiven Aspekte hinaus sind zentrale Themen des Romans die überspitzt-satirische Kritik der Literaturbranche und Parodisierung bekannter Autoren. So trifft Hildegunst in Buchhaim auf verschlagene Literaturagenten und hinterhältige Buchhändler, die Aspekte wie Materialismus und Profitgier in der Branche repräsentieren sollen. Ganz im Kontrast dazu entstammt Hildegunst selbst der Lindwurmfeste, auf der die idealistischen Lindwürmer sich allein der Kunst verschreiben.
Dass der Autor sich klassische Horror- und Schauerliteratur für „Die Stadt der Träumenden Bücher“ zum Vorbild genommen hat, merkt man spätestens, wenn Hildegunst schließlich in die Tiefen der Katakomben stolpert. Denn dort gedeiht die Natur auf eine ganz verkehrte Art: Lebende Bücher, spinnenartige Riesenwesen und titanische Maden treiben dort ihr Unwesen. Fast pausenlos jagen die Schrecken der Katakomben Hildegunst und den Leser immer tiefer in das Herz der Unterwelt. Moers’ Beschreibungen des unterirdischen Labyrinths beschwören klaustrophobische, aber gleichzeitig unheimlich faszinierende Bilder herauf.
Moers’ Talent für das Erzählen von Geschichten, die den Leser in ihre Welt hineinziehen und das Gelesene zum Erlebten machen, strahlt ganz besonders in diesem Roman. „Die Stadt der Träumenden Bücher“ glänzt mit Humor, Spannung, Horror-Elementen und dem unvergleichlichen Charme, den nur Geschichten von Moers in sich tragen. Somit ist der Roman eine ganz klare Empfehlung für alle, die etwas für urige und immersive Fantasygeschichten übrig haben. Für alle, denen der Roman noch nicht reicht, gibt es übrigens auch noch eine Fortsetzung: „Das Labyrinth der Träumenden Bücher“.
Grafik: Sara Wolkers
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