Dual genial?
Seit ihrer Gründung 1991 bietet die Berufsakademie Sachsen ein duales, praxisintegriertes Studium an. Mit einem Gesetzentwurf soll nun der Weg zu einer Dualen Hochschule geebnet werden.
Ab 2025 kann die sächsische Hochschullandschaft eine weitere Hochschulart begrüßen. So will es jedenfalls der Gesetzentwurf des Sächsischen Kabinetts, in dem die Berufsakademie Sachsen (BA) in die Duale Hochschule Sachsen überführt werden soll. Die BA Sachsen bietet mit ihren sieben Standorten ein dreijähriges Studium in den Bereichen Wirtschaft, Technik sowie Sozial- und Gesundheitswesen an. Vierteljährlich wechseln sich für die Studierenden Theorie- und Praxisphasen im Unternehmen ab. Diese Funktionsweise wird auch zukünftig beibehalten. Mit der Novelle sollen jedoch nun vor allem die Abschlüsse aufgewertet werden, sodass die Berufsakademie Sachsen zu einer vollwertigen Hochschule wird, die gleichberechtigt neben den anderen Hochschulformen Universität, Hochschule für angewandte Wissenschaften und Kunsthochschulen steht. Denn trotz staatlicher Gleichstellung stoßen die bisherigen Bachelor-Abschlüsse oft auf Akzeptanzprobleme, die mit einer Reform der Vergangenheit angehören sollen. Damit folgt man unter anderem dem Beispiel der ehemaligen Berufsakademie Baden-Württemberg, welche schon 2009 zu einer Dualen Hochschule wurde.
Über den Gesetzentwurf freut sich besonders Andreas Hänsel, Präsident der BA Sachsen, und ergänzt: „Die Novelle ermöglicht es uns, mit den Praxispartnern intensiver zusammenzuarbeiten. Für beide Seiten ist dies eine Win-Win-Situation.“ So werde unter anderem durch die gleichberechtigte Teilnahme an Forschungsförderprogrammen oder Bildungskrediten von Bund und Ländern ein verstärkter Wissens- und Technologietransfer erleichtert.
Genauso ergeben sich für Studierende zahlreiche Vorteile. Unter anderem soll mit dem Gesetzentwurf die Möglichkeit von dualen Masterstudiengängen bestehen, welche auf die praxisbezogenen Bachelorstudiengänge aufbauen. Auch der Einstieg in das duale Studium soll erleichtert werden, indem künftig junge Menschen ohne Abitur gleich nach Abschluss einer Berufsausbildung mit ihrem Studium an der Dualen Hochschule Sachsen beginnen könnten, ohne Berufserfahrung nachweisen zu müssen. Außerdem wird der Studierendenrat als Gremium den Organen der Studierendenschaft gemäß des Sächsischem Hochschulfreiheitsgesetz in allen Rechten und Pflichten gleichgestellt.
Grundsätzlich begrüßt auch Anna Gorskih, hochschulpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Sächsischen Landtag, die Weiterentwicklung der Berufsakademie zur Dualen Hochschule Sachsen. Das Ziel der gleichwertigen Abschlüsse und der Abbau möglicher Benachteiligung sei sehr gut. Außerdem halte sie die Stärkung der regionalen Verankerung für sinnvoll. Jedoch brauche es eine gesetzliche Regelung der Mindestvergütung, die sicherstellt, dass alle dual Studierenden ihren Lebensunterhalt sichern können. Im Zuge dessen fordert sie eine Lehrmittelfreiheit. Das heißt, Praxispartner*innen sollen dafür aufkommen, dass beispielsweise Lehrmaterialien und Lehrkosten übernommen werden und nicht von den Studierenden selbst getragen werden müssen.
Die mangelnde Bezahlung dual Studierender ist ein häufig genannter Kritikpunkt. Der Freie Zusammenschluss von Student*innenschaften beklagt Mehrkosten durch Pendeln oder Zweitwohnsitz, hohe Studiengebühren und schlechte Zukunftsperspektiven. Nach Andreas Hänsel habe man 2022 im Mittel über dem durchschnittlichen Bafög-Satz gelegen. Man versuche jedoch, eine Anpassung zu realisieren. Die Regelung müsse dabei für alle Studierenden funktionieren. In einer Pressemittelung fordert Paul Steinbrecher, Sprecher der Konferenz Sächsischer Studierender (KSS), eine Mindestvergütung, die deutlich über den bisherigen 440 Euro liege. Geht es nach dem Deutschen Gewerkschaftsbund, müsse der Betrag dem Bafög-Höchstsatz von 934 Euro entsprechen. Denn der Erwerb neben dem Studium ist für viele dual Studierende kaum möglich, ist man durch die Praxisphasen in den Unternehmen schon stark in den Arbeitsalltag involviert. Dieser Punkt erschwere generell die Mitbestimmungsmöglichkeiten der Studierenden, wie Ludwig Firkert, ebenfalls Sprecher der KSS, unterstreicht. Denn durch den ständigen Theorie- und Praxiswechsel würde das studentische Engagement erschwert werden. Deshalb brauche es einen angemessenen Ausgleich bei der Arbeitszeit.
Ein weiterer Kritikpunkt beläuft sich auf eine mögliche Präsenzpflicht. Diese würde wiederum die Duale Hochschule Sachsen von den anderen Hochschulformen abgrenzen. „Ein Studium sollte jedoch voraussetzen, selbständig studieren zu dürfen“, sagt Gorskih und steht dabei nicht allein. Steinbrecher unterstreicht, dass man weg vom Schulgedanken kommen müsse.
Außerdem sieht der Entwurf vor, die dualen Praxispartner*innen zur fünften Statusgruppe an der Hochschule zu machen. Demnach sollen sie zu stimmberechtigten Mitgliedern in den Hochschulgremien werden. Kritiker*innen wie Anna Gorskih befürchten dabei einen zu großen Einfluss, da nicht ausgeschlossen ist, dass die neue Gruppe der Dualen Praxispartner*innen eine Mehrheit bekommen wird. Die Unternehmen sollten eher eine beratende Rolle haben, meint die Linken-Politikerin. Andreas Hänsel hingegen erachtet eine stärkere Einbindung der Praxispartner*innen für sinnvoll, da die Praxis ein wichtiger Teil der dualen Lehre sei. Insofern sollten die Unternehmen unbedingt in den Gremien gehört werden.
Anfang Dezember hat es zum geplanten Entwurf eine Anhörung gegeben. Wie viele der angemerkten Verbesserungsvorschläge umgesetzt werden, bleibt bislang ungewiss. Doch eines ist sicher: Die Duale Hochschule Sachsen wird kommen. Und mit ihr viele Chancen als auch Defizite.
Titelbild: Staatliche Studienakademie in Breitenbrunn; Stephan Floss
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