Märchenstunde in Connewitz
Die Leipziger Theatergruppe Das ÜZ inszenierte internationale Märchen in der Cammer. Eine seltene Sammlung traditioneller und ungeschmückter Geschichten.
Der Connewitzer Weihnachtsmarkt des Werk 2 ist gut besucht an diesem kalten, aber nicht sehr weihnachtlichen Wochenende. Aber zum Glück ist der Glühwein auch innerhalb der Cammerspiele gestattet. Auf der Bühne stehen ein festlich geschmückter Tisch sowie drei Stühle. Die Vortragenden Jennifer Demmel, Carmen Orschinski und Danilo Riedl von der freien Leipziger Theatergruppe Das ÜZ betreten die Bühne. Die Cammer ist voll, so dass man die Wärme des Kaminfeuers, dass sie über einen Laptop laufen lassen, beinahe spüren kann. Der Titel „Schmeiß die Oma in den Ofen“ und die Warnung an der Kasse, die Vorführung sei nicht jugendfrei, klingen vielversprechend, einmal nicht die abertausendste Romanze zwischen einem Prinzen und einer wer-weiß-wie verfluchten Prinzessin zu hören. Erstaunlich viele Omas sind für dieses Stück erschienen.
Die Märchen die ‚szenisch‘ vorgelesen werden, sind alle von der unbekannteren Sorte. Die Ursprungsländer variieren stark: Schottland, Schweden, Bangladesch, Italien und mehr. Genauso variieren die Themen und Charaktere. Ein Holz-Schleppender, der zum Arzt wurde und den Tod mehrfach betrog, ein Glasaugenmacher der dem Teufel heißes Blei in die Augen gießt oder ein Mann, der sich tot hinlegte, nachdem er dreimal gähnte, weil er dachte, das sei nun mal so üblich, aber schließlich ‚wiederauferstand‘ als sein Vetter kam, der ihm Geld schuldete. Es sind nicht die Grimm’schen Klassiker, die hier dargeboten werden, was die Erfahrung sehr erfrischend macht. Es sind nicht die typischen Figuren, die Gut und Böse im immer selben Spiel vertreten, vielmehr sind es öfters einfache Leute, die sich geschickt gegen ihre Unterdrücker währen, oder auch mal nur den Alltag bestreiten. Einige der stärker humoristischen Erzählungen lassen zudem unterschwellige Bezüge erschließen. Ein Priester, der plötzlich nur noch „merda“ sagt (dt.: scheiße) oder der Adelige, der einen Kuhfladen heiraten möchte, der von Feen in eine Prinzessin verwandelt wurde. Geschichten wie die vom Priester (ein anderer wohlbemerkt, aber macht es einen Unterschied?), der seinen Knecht zwei Jahre lang verhaut, scheinen zu dem manchmal noch erstaunlich aktuell. Bei dem vulgären Sprachgebrauch darf dabei nur die Hemmschwelle nicht zu gering sein. Die drei Sprechenden wissen jedoch genau, wie sie was zu parodieren haben, damit es die Gemüter des Publikums nicht verstimmt.
Der Ablauf ist dabei immer gleich. Eine Person der drei übernimmt den Sprecher, die anderen beiden die meistens zwei Charaktere. Szenisch bedeutete in diesem Fall vor allem Mimik und Gestik am Platz und Anpassung der Stimmen. Zusätzlich haben sie einen weiteren Laptop mit Sounds und ein kleines Glockenspiel auf dem Tisch. Die Gruppe macht es perfekt, nichts sein zu wollen, was sie nicht sind: ein Theaterstück. Stattdessen erinnert es an eine gemütliche Leserunde mit der Familie an den Feiertagen, wie in jedem guten Weihnachtsfilm. Mit einem kleinen Ständchen zu Beginn und heißem Tee und Spekulatius zwischendurch tragen sie vor. Diese lockere Atmosphäre wird durch die Publikumsnähe und Synergie der Drei weiter ausgebaut und sorgt für eine Atmosphäre, in der jede noch so ulkige Umsetzung passend erscheint. Ob sie sich, mal mit Absicht, mal nicht, versprechen und das witzig kommentieren, sich gegenseitig ins Wort fallen, einander mit Sprüchen belegen, extra komische Mützen und Perücken aufsetzten, oder ein Schauspiel mit dem Daumen aufführen (bei einem Märchen über einen daumengroßen Jungen), alles war stimmig im Rahmen dieser vorweihnachtlichen Märchenstunde.
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