Dokumente des Ostens
Die Fotografie-Ausstellung „Evelyn Richter. Ein Fotografinnenleben.“ im Museum der bildenden Künste in Leipzig, widmet sich dem Lebenswerk der 2021 verstorbenen Künstlerin.
Der Bau der Berliner Mauer, arbeitende Frauen in der DDR, Südthüringer Fachwerkhäuser und zeitweilen Evelyn Richter selbst, eingewebt in einer Szenerie im Osten. Die Fotografin, deren Name nicht umsonst sofort mit der DDR assoziiert wird, hat im Laufe ihres Lebens ein facettenreiches Gesamtwerk entstehen lassen. Richter wurde 1930 in Bautzen geboren, absolvierte eine Lehre als Fotografin und besuchte die Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig, bis sie dort von der Studienführung vor ihrem Abschluss vermutlich aufgrund von unterschiedlichen kulturpolitischen Ansichten, exmatrikuliert wurde. Danach versuchte sie, sich als freischaffende Künstlerin zu etablieren.
Der damalige Anspruch der DDR an die Fotografie war eine überzeugende Werbe- und Propagandafotografie zu leisten. Künstlerische Aspekte und experimentelle Projekte im Geiste der Bewegung der subjektiven Fotografie, die sich an die Avantgarde-Kunst der Zwanziger Jahre anschloss, welche sich nach dem Ersten Weltkrieg von der als traditionell ästhetisch bezeichnete Norm abkehrte und Fortschritt durch Innovation anstrebte, waren schlichtweg nicht erwünscht. Daraus erwuchs die Formalismus-Debatte: In der DDR wurde jede Form des Abstrakten als Ausdruck des Kapitalismus abgelehnt.
Die Kontroversen und Gemeinsamkeiten dieser beiden Arbeitsweisen für Staatsvorgabe und freie Kunst die Evelyn Richter miteinander vereinbaren konnte, zeigt das Museum der bildenden Künste in anschaulicher Weise im klassischen „White Cube“-Konzept. Klare weiße Räume setzen den Fokus auf ihre Fotografien, die thematisch angeordnet sind. Richter schien zum einen mit ihren fotojournalistischen Werken ein Sprachrohr des sozialen Umfelds der arbeitenden Frauen im Osten zu sein. Die portraitierten Arbeiterinnen in Fabriken zeigen ernste Gesichter, fehlende Arbeitskleidung und gewaltige, komplizierte Maschinen. Die Menschen erscheinen durch die Ablichtung in Schwarz-Weiß trist und zeigen eine unausgesprochene Kritik am fadenscheinigen Bild der emanzipierten DDR-Frau.
Eine weitere Themenreihe widmet sich dem reisenden Menschen im Zug und der U-Bahn. Ob schlafend oder sehnsüchtig aus dem Fenster schauend, die Melancholie der Bilder ist spürbar. Zum anderen musste Richter, um als selbstständige Künstlerin tätig zu sein, Auftragsarbeiten annehmen, die im Sinne der Staatskunst und zu Werbezwecken gestaltet waren. Sie fotografierte unter anderem für die Modezeitschrift „Sybille“, für das Leipziger Gewandhaus und die Messe Leipzig. In der Mitte der Ausstellungsräume auf Tischen werden diese Arbeiten gezeigt, sowie Ausgaben ihrer Fotobücher. Dieses bis dahin nicht stark etablierte Kunstmedium eignete sich ideal für ihre bevorzugt serielle Arbeit und ergänzen in der Sammlung den Überblick über ihr Gesamtwerk. Richters Fotografien entstanden nie im Atelier, sondern wurden immer im Bezugsumfeld gemacht, wodurch sich ein dokumentarischer und spontaner Charakter bildet. Einzig in der Reihe ihrer Spiegel-Selbstportraits stellte sich Richter selbst ins Bild, allerdings immer als Fotografin, das Gesicht verdeckt von der Kamera. Diese Fotografien und weitere Werke waren der Öffentlichkeit lange unzugänglich.
Neben Richters Fotografien werden auch ihre Freundinnen und Künstlerkolleginnen Ursula Arnold, Christa Sammler und Eva Wagner-Zimmermann in den Fokus gesetzt. Es werden Reportagen und gegenseitige Portraits von Arnold und Wagner-Zimmermann in Zusammenarbeit mit Richter, sowie Skulpturen von Christa Sammler ausgestellt. Durch diese Kooperation zeigt die Ausstellung nicht nur das fotografische Lebenswerk Evelyn Richters, sondern ist auch eine Hommage an das künstlerische Schaffen von vier weiblichen Künstlerinnen und ihrer jahrzehntelangen Freundschaft. Das Museum der bildenden Künste zeigt die Ausstellung noch bis zum 17. März 2024.
Foto: Evelyn Richter, DDR-Fotografie, Museum der bildenden Künste, Druckerei
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