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  • Ein Kampf um Anerkennung

    2021 wurde beschlossen, dass Clubs Anlagen kultureller Zwecke sind, doch bis heute gibt es große Lücken in der Umsetzung.

    Sind Clubs eigentlich eine Vergnügungs- oder Kulturstätte? Ganz klar eine Kulturstätte, findet die Initiative „LiveKommbinat Leipzig“, welche sich aktiv für die Verbesserung der Rahmenbedingungen von Kulturräumen einsetzen. Aber warum spielt das überhaupt eine Rolle? Besonders wichtig ist es für die Baunutzungsverordnung (BauNVO) und die technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm). Die BauNVO regelt die Nutzung eines Grundstücks und die TA Lärm den Umgang mit Schallemissionen.  

    Im Februar 2021 hat der Bundestag diesbezüglich einen Beschluss gefasst. Es wurde festgehalten, dass Livemusikspielstätten und Clubs künftig als Anlage kultureller Zwecke gelten. Dadurch wurden Clubs und Livemusikspielstätten von Vergnügungsstätten, wie beispielsweise Spielhallen, abgegrenzt. Das bedeutet, dass sie dieselbe rechtliche und gesellschaftliche Anerkennung wie Opern, Theater oder Museen erhalten sollen. Dabei blieb es allerdings auch für lange Zeit. Rechtliche Grundlagen, wie die BauNVO oder die TA Lärm, wurden nicht angepasst. Die von Live-Musik und Musikclubs produzierten Geräusche fallen deshalb laut TA Lärm unter Gewerbe- und Industrielärm. Bereits bestehende Clubs geraten dadurch bei Beschwerden der Anwohner*innen in die Bredouille. Um dem entgegenzuwirken, schlägt die Bundesstsiftung Livekultur die Einführung einer Kulturschallverordnung vor. Diese soll durch eine klare Abgrenzung vom Industrielärm, den direkten positiven Einfluss auf die Empfänger*innen der Musik berücksichtigen. Durch veränderte Berechnungen des Lärms sowie angepasste Ruhezeiten soll gesichert werden, dass Kulturstätten weiter existieren können.  

    Auch die Veränderung der BauNVO gestaltet sich schleppend. So muss das Bundesministerium Vorschläge für die Veränderung dieser einbringen, welche vom Bundesrat beschlossen werden müssen. Die Lösungsansätze diesbezüglich werden ihnen zum Beispiel vom LiveKommbinat vorgeschlagen.  

    Jörg Kosinski, Sprecher des LiveKommbinat Leipzig, beschreibt baurechtliche und Standortbezogene Problematiken als „seltenen Regelfall“. Standortwechsel von Clubs sind demnach selten, sollten aber bestimmten Regularien folgen, um einen bestmöglichen Ersatz zu gewährleisten. Deshalb muss beispielsweise die BauNVO angepasst werden. Dies hat sich allerdings als besonders tückisch erwiesen. Laut dem Sprecher der Initiative „#clubsAREculture“ Steffen Kache, welche verschiedene Akteure vereint, die sich für die Anerkennung der Clubkultur einsetzen, „steckt der Teufel im Detail“. Eigentlich verändert sich die BauNVO nämlich vor allem durch Rechtsprechungen. Da es in diesem speziellen Fall aber keine gibt, müssen neue Wege gefunden werden. 

    Auf regionaler Ebene hat insbesondere das LiveKommbinat Leipzig am politischen Diskurs teilgenommen und nach Lösungen gesucht. Auf diesem Weg haben sie gemeinsam mit der Stadt ein Kulturkataster erarbeitet. Das LiveKommbinat Leipzig sieht das Kulturkataster in einer von mehreren Funktionen potenziell als eine verbindliche „verwaltungsinterne Abwägungsgrundlage“ im Rahmen der Raum- und Städteplanung. Auf der Internetseite der Stadt Leipzig bietet das Kulturkataster seit Frühjahr 2022 einen Überblick über die Verortung, Größe und Verteilung aktueller Kulturstätten in Leipzig. Das Problem dabei war, dass dieses laut Jörg Kosinski „keine niedergeschriebene Verbindlichkeit hat“. Es musste sich deshalb darauf verlassen werden, dass eine Berücksichtigung des Kulturkataster bei der Städteplanung stattfand. 

    Erst Ende 2023 wurde diesbezüglich in Leipzig ein Antrag der Grünen mit dem Titel „Clubs are Culture“ beschlossen. Dieser beinhaltete eine definitive Berücksichtigung des Kulturkatasters. Für Clubs, welche als Anlagen kultureller Zwecke definiert werden, bedeutet es eine entsprechende Beurteilung während der Bauleitplan- Verfahren. Es soll geprüft werden, inwiefern Kultureinrichtungen im entsprechenden Gebiet vorhanden- und abwägungsrelevant sind. Dem soll mithilfe des Kulturkatasters auf den Grund gegangen werden. 

    Diese Veränderungen scheinen besonders in aktuellen Zeiten wichtiger denn je. Durch steigende Preise, Personalmangel und der nach Steffen Kache „geringeren wirtschaftlichen Gewinnspanne“ von Clubs sei eine Zeitnahe Anpassung der BauNVO, sowie der TA Lärm notwendig. Seit Corona ist laut Steffen Kache außerdem ein Wandel der „Weggehkultur“ zu bemerken. Es werde weniger und kürzer feiern gegangen. Jörg Kosinski zufolge ist es auffallend, dass vor allem großen und teuren kulturellen Events Aufmerksamkeit geschenkt wird. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass vor allem kleine Kulturorte von dieser Veränderung betroffen sind. Um auf das Problem aufmerksam zu machen, gibt es eine Plakataktion im öffentlichen Raum. Damit soll auf die Vielfalt der Clubkultur sowie die Bedeutung dieser für jeden Einzelnen erinnert werden. Gewonnen hat das Public-Voting für die #clubsAREculture-Beteiligungsaktion –“Was ist ClubKultur?“ Leipzig, mit der Einsendung „Clubkultur ist mehr als nur Techno“. Mit Blick auf die Zukunft bleibt spannend, wie vor allem die TA Lärm, aber auch die BauNVO auf Bundesebene angepasst wird.  

     

    Foto: Pixabay

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