Papier-Krone und Baumwoll-Perücke
Die Oper Leipzig bringt mit „Mary, Queen of Scots“ ihr erstes nachhaltiges Stück auf die Bühne.
Klimawandel: der Elefant im Raum. Mittlerweile ist der weltweite Naturnotstand keine Neuigkeit mehr. Wo konsumiert wird, wird CO2 verprasst, also überall, vom Fischstäbchen bis in den Kulturbereich. Auch seitdem 2021 die Planung der ersten klimaneutralen Oper in Leipzig „Mary, Queen of Scots“ begann.
Den Keim für eine solche Produktion säte die Kulturstiftung des Bundes mit ihrem Projekt „Zero“. Dabei wurden Kultureinrichtungen verschiedener Sparten zu einer Kulturinitiative eingeladen, deren Ziel es ist, das künstlerische Wirken an der ökologischen Nachhaltigkeit auszurichten. Der Kulturstiftung stehen bis 2027 acht Millionen Euro an Fördergeldern zur Verfügung. Die Inszenierung der Oper „Mary, Queen of Scots“, welche im Dezember 2023 uraufgeführt wurde, ist eins von bisher 25 geförderten Projekten.
Sofort nahm die Oper die Einladung an. Das blutige Stück um die hingerichtete schottische Königin Mary Stewart, auch bekannt aus Schillers Dramatisierung „Maria Stuart“, sollte zwar dem Großteil der Protagonist*innen, aber nicht der Umwelt an den Kragen gehen. Nachdem dieses Ziel feststand, wurde darum ein aufgeschlossenes Team versammelt, das bereit war nach kreativen Alternativen zu forschen, mit dabei Regisseurin Ilaria Lanzino und Bühnenbildner Dirk Becker.
Die generelle Datenlage über Klimawirkungen, die durch die Kulturbranche verursacht werden, ist noch gering, und das Ausmaß der potenziellen Einsparungen durch nachhaltigere Produktionen ist kaum abschätzbar. So fand noch vor Beginn der Planung eine Hausbilanzierung an der Oper Leipzig statt, um die Verursachung von Emissionen in den verschiedenen Bereichen der Produktion zu berechnen. Die Oper stand irgendwo zwischen Plastikbecher und Kohlewerk. Die Transporte und der Publikumsverkehr stellten sich jedoch als Hauptverursacher von Emissionen heraus, leider keine Stellschraube, an der sich in puncto Nachhaltigkeit viel machen lässt.
Doch Bestmögliches wurde versucht. Das Bühnenbild konnte dank der Unterstützung der DHL immerhin in Elektrotransportern durch Deutschland kutschiert werden, und eine weitere Einsparung sollte durch eine verkürzte Arbeitszeit auf der Probebühne erfolgen. Bevor das Bühnenbild und die Technik tatsächlich in der Oper installiert werden, findet nämlich in der Regel eine Übergangszeit an einer ausgelagerten Probebühne am Stadtrand von Leipzig statt. In dieser Zeit müssen alle Darsteller dort anreisen und auch Teile des Bühnenbilds werden teilweise zwischen Oper und Probebühne hin- und hertransportiert. Um die dadurch entstehenden Transporte zu reduzieren, wurde die Zeit auf der Probebühne für „Mary, Queen of Scots“ minimiert.
Die für den Zuschauer sichtbaren Einsparungen fanden am Kostüm sowie Bühnenbild statt. Alles stammte aus dem Fundus der Oper Leipzig, es gab also weder üppig angefertigte Kostüme noch pompöse Szenerien. Stattdessen wurden Tische durchdekliniert, die sich als Hauptelement des Bühnenbilds zu einer riesigen Empore aufstapelten. Tische, an denen Politik stattfindet, an denen Macht missbraucht wird und auf denen Mary, die schottische Königin, ihr Kind gebärt. Perücken wurden aus Baumwollfäden und Panzer aus Pappmache gefertigt. Bühnenbildner Dirk Becker fasst zusammen: „Aus neuen Materialien zu bauen geht schnell, das alles braucht Zeit und eine langfristige Planung. Da geht kein: Oh Mist, das bestell ich mal schnell auf Amazon wie man es von zu Hause kennt.“ Schon im Vorfeld sei deshalb weniger Geld für die Ausgaben und mehr Geld für Arbeitsstunden eingestellt worden.
Becker meint, für ihn als Bühnenbildner sei der Arbeitsauftrag der nachhaltigen Gestaltung keine Einschränkung gewesen. Im Grunde brauche es gar nicht viel, um Theater zu machen. Wenn man von Grund auf einen ressourcenschonenden Weg einschlage, müssten auch keine Abstriche bei der Kreativität gemacht werden. Er könne sich gut vorstellen, auch weitere Bühnenbilder nach diesem Konzept zu entwickeln. Welchen Effekt die Einsparungen allerdings tatsächlich haben, wird sich erst in den Bilanzierungen, nach dem Ende der Spielzeit zeigen.
Letztendlich war die Umsetzung einer nachhaltigen Inszenierung ein Erfolg. Das Team der Oper hat ein Stück auf die Beine gestellt, dem an nichts gefehlt hat und das auch ohne aufwendige Sonderanfertigungen und Neuanschaffungen sehr gut auskam. „Mary, Queen of Scots“ ist Leipzig – jung, unverblümt, gesellschaftskritisch und frei von Schnick-Schnack. So tanzt Protagonistin Mary eben in Negligé und Dr. Martens mit Bier auf der Bühne, statt schmuckerschlagen in funkelndem Ballkleid.
Fotos: Tom Schulze
Hochschuljournalismus wie dieser ist teuer. Dementsprechend schwierig ist es, eine unabhängige, ehrenamtlich betriebene Zeitung am Leben zu halten. Wir brauchen also eure Unterstützung: Schon für den Preis eines veganen Gerichts in der Mensa könnt ihr unabhängigen, jungen Journalismus für Studierende, Hochschulangehörige und alle anderen Leipziger*innen auf Steady unterstützen. Wir freuen uns über jeden Euro, der dazu beiträgt, luhze erscheinen zu lassen.