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  • Queerer Poetry Slam geht in die zweite Runde

    Trotz der teils schweren Themen stellt der Queer Slam eine sehr vielversprechende Veranstaltung dar, welche Interessierte dazu anregen könnte, selbst Texte auf einer Bühne zu vorzutragen.

    Mit etwa fünfzehn Minuten Verspätung startet die zweite Ausgabe des Leipziger Queer Slams im Werk 2 am Connewitzer Kreuz. Genau wie die erste Veranstaltung vom 02.10.2023 ist auch die zweite restlos ausverkauft. Durch einen Fehler wurden mehr Karten verkauft, als Plätze zur Verfügung stehen. Daher verteilen die Veranstaltenden Sitzkissen, um wirklich allen der über 250 Zuschauenden Platz zu bieten.  

    Aber was ist eigentlich ein Queer Slam? Ganz einfach gesagt: ein Poetry Slam wie jeder andere auch, jedoch mit einer Ausnahme: Alle auftretenden Künstler*innen sind queer. Auf die Idee dazu kam die Slam-Poetin Einfach Else. Während eines queeren Poetry Slams in Berlin stellte sie sich die Frage, warum es nicht auch Leipzig einen Ort und eine Auftrittsmöglichkeit als Safe Space für queere Künstler*innen gibt. Sie ging auf den Verein Livelyrics zu, der jetzt den Leipziger Queer Slam ausrichtet.  

    Die sechs teilnehmenden Poet*innen bieten eine sehr gute Mischung aus ernsten, sozialkritischen bis kämpferischen und auch humorvollen Texten und Themen über Queerness. Es geht um das Erforschen der eigenen Identität, den Kampf mit dem Coming-Out und die Reaktionen des Umfelds und vieles mehr. Auf sehr unterschiedliche Weisen thematisieren viele Texte Sexualität und Dating-Leben. Sei es ein Liebesbrief an einen Seelenverwandten, der nun nicht mehr Teil des eigenen Lebens ist, oder einen Bericht über die teilweise schmerzhaften Erfahrungen als Folgen einer unzureichenden Sexualaufklärung.  

    Der Queer Slam Leipzig bietet queeren Künstler*innen eine sichere Auftrittsmöglichkeit.

    Die Stimmung im Publikum ist durchgehend ausgelassen und die Moderator*innen Lina Klöpper und Linux Wedemeyer leiten humorvoll und professionell durch den Abend und teilweise lose zusammenhängend wirkende Programmpunkte wie eine Drag-Show oder ein Quiz über einzelne Aspekte von Queerness in der Geschichte. Über so manche kleine Technikpanne wird souverän hinwegmoderiert. Dabei wirken sie sehr nahbar und sind keinesfalls um den einen oder anderen selbstironischen Spruch verlegen. Zudem herrscht ein durchweg respektvoller Ton gegenüber allen Anwesenden und Teilnehmenden vor. Alle Poet*innen werden immer mit ihren bevorzugten Namen und Pronomen vorgestellt. Eine auf eine Leinwand projizierte Präsentation dient als nützliche Merkhilfe für das Publikum. 

    Eine politische Komponente erhält der Abend nicht nur durch die vorgetragenen Texte, sondern auch durch eine Performance der Drag-Künstler*in Rosa Revoluzza zum Gedenken an die Verfolgung und Ermordung queerer Menschen in der Zeit des Nationalsozialismus. Zudem richtet sich Veranstalterin Einfach Else mit einem Aufruf an das Publikum. Es geht um die Ergebnisse der aktuellen Wahlumfragen in Sachsen und den erstarkenden Rechtsextremismus. Sie fordert mehr gegenseitige Toleranz. Nicht jeder Mensch, der aus Unwissenheit der queeren Community eher zweifelnd bis ablehnend gegenübersteht, sei ein Nazi. Diese als Nazis zu bezeichnen und jeglichen Diskurs mit ihnen zu verweigern, diene unterm Strich nur den tatsächlichen Nazis. Stattdessen solle man lieber für Aufklärung und Bildung sorgen und die Gesellschaft versöhnen, statt die Spaltung durch Rechtsextreme noch weiter zu zementieren.  

    Einfach Else begreift sich selbst als politische Künstlerin. Sie findet es schade, dass Menschen sieben Minuten lang eine Bühne haben und diese zu häufig nicht nutzen würden. Unterhaltung sei für sie immer politisch, selbst wenn man sich selbst einen komplett unpolitischen Anstrich gebe, denn im Wort „Unterhaltung“ stecke auch immer „Haltung“.  

    So passt es auch, dass am Ende der Veranstaltung darauf aufmerksam gemacht wird, dass dem Verein Rosalinde, welcher sich vor allem an Schulen für Bildung und Aufklärung über Queerness einsetzt, nicht weiter vom Freistaat Sachsen gefördert wird. Deshalb muss ein Großteil der Bildungsarbeit des Vereins eingestellt werden. Eine Nachricht, die viele der Anwesenden schwer trifft und die euphorische Stimmung der Veranstaltung überschattet.  

    Und damit endet ein durchweg unterhaltsamer Abend irgendwo zwischen Gesellschaftskritik und dem Feiern des eigenen Queer-Seins. Eskapismus sucht man hier vergeblich. Und das ist vielleicht auch gut so.  

     

    Fotos: Jo Fedelinski

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