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  • Die unerträgliche Lächerlichkeit des Sports

    Kolumnist Eliah über alberne Körperlichkeit.

    Ich mache gerade einen Kurs beim Unisport. Sogar schon meinen zweiten. Wer mich etwas kennt, mag davon überrascht sein, weil ich nicht gerade für meine Sportaffinität bekannt bin. Wer mich sehr gut kennt, weiß aber, dass ich eigentlich seit Jahren relativ regelmäßig Sport mache. Ich habe nur kaum darüber geredet, weil ich es eher als routinierte Instandhaltungsmaßnahme gemacht habe, nicht als Hobby oder gar Leidenschaft. 

    Und immer nur alleine. Mein Schulsport-Trauma hatte mir Sport in Gegenwart anderer Menschen zum Albtraum gemacht. Der erste Unisport-Kurs war auch ein Versuch, diese Angst endlich zu überwinden. Zum ersten Mal seit Jahren musste ich nun also vor anderen Menschen richtig Sport machen. Und es war: unangenehm, ziemlich unangenehm. Sich vor aller Augen in eine Position verrenken zu müssen, in der man nicht von anderen Menschen und schon gar nicht von Fremden gesehen werden will, und dann auch noch an der Übung zu versagen, weil die eigene Stärke nicht ausreicht. 

    Wenn ich mich umsah, schien es vielen im Kurs ähnlich unangenehm zu sein. Nur ein paar stürzten sich schamlos in die Übungen, die hatten mit Sicherheit kein Schulsport-Trauma. Die anderen überspielten ihre Bloßstellung wahlweise mit betont stoischem Steingesicht oder mit  unsicherem Lachen und entschuldigenden Gesichtsausdrücken. (Ich war Typ Steingesicht.) 

    Es ist natürlich völlig subjektiv und anmaßend von mir, aber ich denke, dass die meisten in dem Fitness-Kurs eher der Typ verkopfte Intellektuelle waren, die jetzt durch den Gesundheitssport auf einmal in die Körperlichkeit gezwungen waren. Wer den Körper sonst primär als einen Transportmechanismus für sein Gehirn betrachtet, hat es nicht leicht mit der Körperlichkeit. 

    In „Die Tapetentür“ schrieb die österreichische Schriftstellerin Marlen Haushofer über das Sexleben Intellektueller: „Die Vorstellung, dass all diese ernsthaften, dezent gekleideten Männer manchmal ihre Kleider ablegen und, bleich wie Kartoffeltriebe, darangehen, sich eine Stunde mit Liebe zu beschäftigen, hat etwas Obszönes und Lächerliches an sich. Man kann eben nicht ungestraft durch Generationen das Fleisch verachten und mit dem Hirn allein leben. Eines Tages rächt sich das Fleisch.“ Sport ist dann ein bisschen wie Sex ohne alles Gute daran: Du musst dich vor anderen Personen in seltsame entblößende Verrenkungen begeben und zeigen, wie verletzlich, schwach und lächerlich dein Körper ist, und dann bekommst du dafür nicht mal Nähe. Dass alle in dem Raum das Gleiche tun, macht es auch nicht erträglicher. 

    Eliah beim Bouldern

    Klettern habe ich auch mal ausprobiert. Foto: privat

    Ich denke, das ganze Harter-Macker-Männlichkeits-Image, das sich um Sport aufgebaut hat, ist eine Strategie, um diese eingebaute Lächerlichkeit und Schwäche zu kompensieren. Sport ist doch wirklich völlig albern! Schwitzende Körper wetteifern miteinander, um Bälle zu werfen, auf Holzstücken Berge runterzuschlittern oder auf Styropor-Steine zu klettern. So gut wie jede Sportart ist lächerlich, erst recht im Verhältnis dazu, wie ernst Leute sie nehmen. In Deutschland ist das Paradebeispiel natürlich Fußball. 22 Erwachsene rennen einem Ball hinterher und die ganze Nation gerät in einen Aufruhr, als würden sie dabei Krieg führen. Am schlimmsten sind die Kampfsportarten: Zwei erwachsene Menschen in speziellen Outfits hauen sich in gegenseitigem Einvernehmen und unter Befolgung von strengen Regeln. Jede Prügelei auf dem Schulhof ist ernstzunehmender. 

    Laufen, Schwimmen, Fahrradfahren und andere praktische Arten der Fortbewegung kann man vielleicht noch ernst nehmen (gute Nachrichten für Triathleten). Aber auch solche Sportarten werden lächerlich, wenn man sie auf Bändern oder Bahnen betreibt. Was denken wilde Tiere wohl, wenn sie sehen, wie Menschen völlig unnötig im Kreis rennen, obwohl sie gar nicht von einem Bären verfolgt werden? Die müssen uns für bescheuert halten. Von wegen intelligenteste Spezies. 

    Nun, elegante Überleitung zur Moral der Kolumne: Sport ist lächerlich – und das ist auch gut so. Inzwischen habe ich überraschenderweise den Spaß am Sport entdeckt, seit ich eine Sportart mache, die gar nicht so tut, als könne man sie ernst nehmen: Fechten mit Schwertern. Im Mittelalter war das vielleicht noch bitterer Ernst, heute ist es ein „Kampfsport“ für Nerds, die niemals in einer realen körperlichen Auseinandersetzung sein wollen, näher am Theater als am Boxen.  

    Gemeinsames Training oder Sparring wird von den Praktizierenden oft als „Spielen“ bezeichnet. Und Spiel ist genau das, was Sport ja überhaupt ist. Zu vielen Sportarten gehört das Wort „Spielen“ als Verb (Fußball spielen, Tennis spielen, und so weiter), der Spiel-Aspekt geht nur verloren, wenn man es zu ernst nimmt. Beim Spielen liegt der Fokus nicht auf Gewinnen, Verlieren, Stärke, Härte oder Sich-um-jeden-Preis-an-seine-Grenzen-bringen. Das Ziel ist der Spaß und das Ausprobieren. Klar, Gewinnen kann zusätzlich Spaß machen, aber ob man nun gewinnt oder verliert, seine Bestzeit übertrifft oder nicht, ist sekundär. Ich werde wohl niemals beim Sport Rekorde brechen oder auch nur zu den Besten im Raum gehören, aber völlig egal, ich kann Spaß haben! Das war revolutionär. Dann kann man die Lächerlichkeit und das körperliche Versagen ertragen, sogar genießen. 

    Selbst Fitness kann spielerisch sein: Ausprobieren, was sich gut anfühlt, mit dem Körper im Dialog bleiben, was kann ich, wo kann ich mich verbessern. Vom Trainingsplan abweichen und aufhören, wenn es nicht die gute Art von Schmerz ist. Stärker werden, weil es Spaß macht und sich gut anfühlt, in einem gesünderen und widerstandsfähigeren Körper zu leben. Vielleicht ist es genau das, was gesunde Körperlichkeit ausmacht: den Körper weder als unerwünschtes Anhängsel ans Gehirn zu betrachten, noch als Maschine, die es zu quälen und optimieren gilt, sondern als Partner in einem Spiel. 

     

    Titelbild: Pixabay

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