Die Känguru-Klassiker
Am letzten Buchmesseabend stehen viele Menschen mit Schildern mit der Aufschrift „Suche Karten“ vor dem Schauspiel, denn die Lesung aus den „Känguru-Klassikern“ von Marc-Uwe Kling ist ausverkauft.
Niemand scheint die in der Kälte ausharrenden und auf ein bisschen Glück hoffenden Personen auch nur wahrzunehmen. Beglückt strömen alle, die sich bereits vor Wochen ein Ticket gesichert haben, in den großen Saal und warten gespannt auf Marc-Uwe Klings Auftritt. Bereits seit 15 Jahren gibt es die Geschichten rund um das Känguru und trotzdem sind sie nicht totzukriegen. Das Reclam-Heft mit den Highlights aus der Känguru-Reihe macht offiziell, was zumindest für alle an diesem Abend Anwesenden längst klar ist: Die Geschichten sind zum Klassiker geworden.
Dies beweist allein der tosende Applaus, als Marc-Uwe Kling die Bühne betritt und in der Stimme des Kängurus lediglich „Na!“ sagt. Es wäre egal gewesen, was gesagt wird, scheint es, denn es sind nur Fans im Raum. Auch als er verkündet, dass es kein Konzept für den Abend gibt – „lohnt nicht, geht auch ohne“, erklärt Kling – erntet er Lacher.
So ganz unvorbereitet ist er dann doch nicht. Immerhin hat er neben dem Reclam-Heft auch noch „Die Känguru-Comics“ und ein paar ganz neue Geschichten mitgebracht. Und die Reihenfolge steht auch: Als Erstes liest er Wünsche aus dem Publikum, dann eine neue Geschichte und anschließend zeigt er ein paar Ausschnitte aus dem Comic und das in Dauerschleife, also zumindest für die nächsten zwei Stunden.
Kaum wird nach den Wünschen gefragt, ruft alles durcheinander. Wie aus der Pistole geschossen, sind sämtliche Lieblingsgeschichten parat. Für die erste Runde haben die „Korrekturen“ gewonnen. Trotz jahrelanger Erfahrungen auf Lesebühnen schleichen sich ein paar Versprecher beim Lesen ein. Da wird aus Lippen ganz schnell mal Luppen. Nach einem kurzen Schmunzeln über sich selbst hat Kling jedoch sogleich eine Erklärung zur Hand: „Bei Kängurus heißt das so.“
Mitten in der ersten neuen Geschichte „Die Känguru-Perspektive“ klingelt plötzlich ein Handy. Sehr souverän wird dieses direkt in das Gelesene eingebaut: „Das Telefon klingelt. Ich gehe ran. Es ist ein Zoologe, der erklärt, dass es auch bei Kängurus Lippe und nicht Luppe heißt. Ich lege auf.“ Der Saal tobt.
Doch neben dem vorprogrammierten Spaß wird es durchaus auch politisch, vor allem in den Comics bekommen unterschiedliche Politiker*innen ihr Fett weg. Und als das Känguru in einer der neuen Geschichten sagt: „Das wird man ja noch sagen dürfen.“, ordnet die Figur Marc-Uwe (ist sie gleichzusetzen mit dem Autor?) schlau ein, dass es bei diesem Satz selten darum ginge, ob es wirklich möglich sei, etwas zu sagen. Denn das Meiste sei in Deutschland sagbar. Vielmehr handle es sich um einen Wunsch nach „der unwidersprochenen, gesellschaftlichen Akzeptanz deiner Meinung als der einzig wahren“. Da kann selbst das sonst so schlagfertige Känguru nur noch zustimmen.
Bei einem der falsch zugeordneten Zitate, die einem jeden Kapitel vorangestellt sind, heißt es: „Ob er aber über Oberammergau, oder aber über Unterammergau, oder aber überhaupt nicht kommt, ist nicht gewiss.“ Was Marc-Uwe Kling der Deutschen Bahn in den Mund legt. Ungläubig registriert Kling, dass die Witze immer noch funktionieren. Ganz geheuer scheint ihm die ganze Begeisterung nicht zu sein. Trotzdem gibt es am Ende des Abends sogar zwei Zugaben. Ein Publikum, das sogar ganze Passagen mitsprechen kann, hätte man mit einer auch schlecht abspeisen können.
Foto: Leonie Beer
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