Zuckerfreie Schokolade zum Frühstück
Was darf’s heute zum Frühstück sein? Spaghettieis-Protein-Mousse oder Oreo-Cheesecake-Oats? Kolumnistin Anne berichtet von ihrem exzessiven Konsum an Fitness-Produkten.
Triggerwarnung: Die Kolumne könnte für Personen, die sich viele Gedanken um’s Essen und bestimmte Lebensmittel machen, problematisch sein. Bitte bedenke das, bevor du weiterliest.
Cornflakes habe ich das letzte Mal vor gut zehn Jahren gegessen. Letzte Woche habe ich im Supermarkt welche mitgenommen. Warum? Weil auf der Verpackung stand, sie seien zuckerfrei und „High Protein“. Also landeten sie im Einkaufswagen. Dass mir die Mischung aus aufgeweichten Cornflakes und Milch, von der ich immer Bauchschmerzen bekomme, überhaupt nicht schmeckt, fiel mir erst wieder ein, als ich eine halbe Schüssel verdrückt hatte. Leider lasse ich mich viel zu oft von den Versprechungen auf Fitness-Produkten zum Kauf überzeugen. So ist meine Küche von zahlreichen vermeintlich gesünderen Lebensmitteln bevölkert: Das Küchenregal ist voll mit Proteinriegeln und zuckerfreien Aufstrichen. Wer meinen Vorratsschrank öffnet, wird von einer Armee an halb aufgebrauchten Protein- und Geschmackspulvern begrüßt. Die Sorten klingen, als handle es sich dabei um Willy Wonkas gescheiterte Süßigkeiten-Experimente: Blueberry Bubblebutt, Caramel Ceratin Cookie, Peachy Passionfruit Pampe – oder so ähnlich. Warum gibt es eigentlich noch kein Geschmackspulver in den Sorten „Pommes rot-weiß“ oder „fettiger Döner nachts um halb zwei“? Ein Scoop davon mit Magerquark gemischt und man hat locker 800 Kalorien gespart.
In meinem Kühlschrank warten ebenfalls unzählige Proteinpuddings in diversen Geschmacksrichtungen auf ihr Ablaufdatum. Ich war nie ein Fan von Puddings aus dem Kühlregal – die Variante mit weniger Protein habe ich zweimal im Jahr gegessen. Doch seitdem es die Fitness-Variante gibt, nehme ich immer wieder eine Packung mit.
Ich mache viel Sport und achte auf eine gesunde Ernährung. Jahrelang habe ich mich hauptsächlich von unverarbeiteten Lebensmitteln ernährt. Das heißt nicht, dass ich nie mit meinen Freudinnen Pizza essen gegangen bin oder am Wochenende kein Eis mit meiner Familie gegessen habe. Doch im Alltag habe ich immer mit frischen, natürlichen Zutaten gekocht. Mit dieser Lebensweise hat mir nichts gefehlt. Ich hatte nie das Bedürfnis nach einem Pudding oder einer Schüssel Cornflakes. Was bewegt mich also zum Kauf der ganzen Fitnessprodukte? Sind die wilden Namen der Geschmacksrichtungen so überzeugend? Oder ist es doch das beneidenswerte Sixpack der Fitnessinfluencerin, die die Produkte auf Instagram bewirbt?
Teilweise sind es sicher auch die Versprechungen und Nährwertangaben auf den Verpackungen, die mich letztendlich zum Kauf überzeugen. Wenn es tatsächlich keinen Zucker enthält und der Proteingehalt ja doch recht hoch ist, kann ich das Produkt ja mal ausprobieren.
Was mit ein paar harmlosen Proteinpuddings anfing, entwickelte sich zu dem Zwang, alles zu kaufen, das als Fitnessprodukt deklariert war. So schlichen sich immer mehr Produkte in meine Ernährung, obwohl ich schon vor Jahren aufgehört hatte, diese Art von Lebensmitteln zu konsumieren. Ich fing an, mein Porridge anstelle von Honig mit Süßstoff zu süßen und mein selbstgekochtes Linsencurry wurde durch eine Proteinpizza ersetzt. Dass das nicht so gesund ist, müsste eigentlich jedem klar sein. Doch es erschienen immer wieder neue Fitness-Produkte und ich hatte das dringende Bedürfnis, sie auszuprobieren.
Auf meine Gesundheit haben sich die Fitness-Produkte nicht ausgewirkt. Ich fühle mich genauso gesund wie mit der natürlicheren Ernährung. Kürzlich habe ich bei meiner Hausärztin eine Nährstoffuntersuchung gemacht, die sehr gut ausfiel. Süßstoff ist in Maßen unbedenklich und Proteinpulver kann eine gute Ergänzung zur gesunden Ernährung sein. Das Problem betrifft viel mehr meinen Geldbeutel: Bei einem Proteinpulver, das im Onlineshop um 50 Prozent reduziert war, musste ich einfach zuschlagen. Doch wenn der Originalpreis absurd hoch ist, gibt man trotz des Rabatts immer noch ziemlich viel Geld aus. Nachdem dann der Platz im Küchenschrank knapp wurde, weil alles voller Großpackungen an Proteinpulver war (wer die Großpackung kauft, spart noch mal 10 Prozent), habe ich beschlossen, nichts mehr zu bestellen.
Inzwischen schaffe ich es auch immer öfter, an den Fitness-Produkten im Supermarkt vorbeizugehen, ohne dass eins in meinem Wagen landet. Wenn man fast jedes Produkt auf dem Markt getestet hat, fällt einen sowieso auf, dass sie alle irgendwie gleich schmecken. Vielleicht liegt es auch daran, dass der ganze Süßstoff meine Geschmacksnerven abgetötet hat.
Seit Kurzem gibt es den Real-Food-Trend. Die Anhänger ernähren sich ausschließlich von unverarbeiteten Lebensmitteln. Die Mahlzeiten bestehen hauptsächlich aus einem großen Stück Steak, ein paar Spiegeleiern sowie Erdbeeren und einer halben Avocado. Den Videos zufolge muss das Ganze auf einem großen Holzbrett serviert werden. Der Grund dafür hat sich mir noch nicht erschlossen. Sich ausschließlich von „Real Food“ zu ernähren, ist genauso problematisch wie der exzessive Konsum von Fitness-Produkten. Wer zwanghaft nur unverarbeitete Lebensmittel isst, schränkt sich im Alltag extrem ein, hat Schwierigkeiten in sozialen Situationen und muss viel Zeit in die Zubereitung des Essens stecken.
Da meine Persönlichkeitsstruktur zu Extremen neigt, habe ich schon alle möglichen Arten an Ernährungsweisen ausprobiert: zuckerfrei, vegan, „Low Carb“ und so weiter. Letztendlich ist ein lockeres Verhältnis zum Essen der einzig sinnvolle Weg. Wenn man Bock drauf hat, kann man sich gerne einen Proteinpudding gönnen. Gegen Geschmackspulver und Süßstoff ist auch nichts einzuwenden. Allerdings sollte nicht jede Mahlzeit daraus bestehen. Und die Lebensmittel dürfen auch noch in der herkömmlichen Variante gegessen werden. Für mich geht nichts über einen guten Käse vom Bio-Stand, eine Kugel Eis von der Eisdiele oder ein ganz normales Nutella-Toastbrot. Denn Essen ist Lebensqualität und die lasse ich mir nicht von einer extremen Ernährungsweise nehmen.
Fotos: ab
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