Disobedient
„Was könnten andere von mir denken, wie werden sie es bewerten?“ Solche und ähnliche Fragen, versucht Kolumnist Leen in seinem Alltag abzulegen.
Ich sitze in der Straßenbahn, Kopfhörer in den Ohren und drücke auf Shuffle.
Irgendwie hat es mir ein Lied wieder angetan, das ich ewig nicht gehört habe. „Disobedient“ aus der Serie Steven Universe handelt von einer Person, die es satt -hat, immer das zu tun, was andere Leute von ihr wollen und erwarten. Ich denke jeder*m sagt der Ausdruck „people pleaser“ etwas. Personen die schlecht „Nein“ sagen können und sich oft dafür selbst zurückstellen. Dieses Lied könnte direkt aus dem Gehirn eines wütenden „people pleasers“ geschnitten sein.
In letzter Zeit höre ich das Lied wieder und wieder. Auch ich fühle mich sehr angesprochen von dem Song. Besonders die Stellen „I think about all the wasted time I’ve spent“ und „I stood awake, wondering where my summers went“ haben mich dazu gebracht, das Lied zu lieben.
Es hat mich ziemlich zum Nachdenken angeregt. Ich kenne von mir selbst, dass ich meine eigenen Bedürfnisse und Wünsche hinter die der anderen stelle und mir auch viele Sorgen darum mache, was andere von mir und meinen Handlungen denken könnten oder ob es sie negativ beeinflussen könnte.
Vor Kurzem war ich in einer sehr lustlosen, grauen Phase, nichts hat mir Freude gebracht, ich habe mich sehr ausgelaugt gefühlt und traurig. Nach viel Zeit des „An die Decke Starrens“ bin ich irgendwie wieder rausgekommen und Lieder wie diese haben mir geholfen, ein wenig mehr zu mir selbst zu finden. Ich habe selten vor Augen, dass ich in meinem Leben Dinge entscheiden kann, die für mich gut sind und mir gefallen und nicht dafür lebe, um andere nicht zu stören oder um anderen Gefallen zu tun.
Kleine rebellische Tätigkeiten in meinem Alltag haben mir geholfen, helfen mir immer noch, aus diesem Trott herauszukommen.
Es hat ganz winzig angefangen, als ich mich beim Essen mit einer Freundin für ein Getränk entschieden habe. Ich bin eigentlich ein Cola oder Sprite Mensch, aber dachte mir: „Hey, wenn ich das möchte, kann ich auch einfach Fanta nehmen, ich muss nicht das gleiche nehmen, nur weil ich es immer tue.“ Klingt erst mal albern, aber das hat irgendwie etwas entzündet und war der Weg hin zu anderen Dingen.
Einige Tage später habe ich ein Outfit getragen, das ich mich eigentlich nicht traue zu tragen, weil es so stereotypisch feminin kategorisiert wird. Aber wer soll mich aufhalten? Nur ich entscheide, was ich trage und ob dieses Outfit für mich feminin oder maskulin oder auch einfach gar nichts davon ist.
Und nun habe ich mir die Haare sehr knallig lila gefärbt.
Ich möchte mir gerne öfter vor Augen führen, dass ich doch in mehr Dingen freie Entscheidung besitze als ich denke und das möchte ich auch nutzen. Für mich.
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