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  • „Da ich an der Hochschule bin, bin ich hochschulpolitisch aktiv“

    Die studentische Vertretung im Senat der Universität Leipzig erzählt im Gespräch mit luhze von Verantwortungsgefühl, Repräsentation und gutem Mittagsschlaf.

    Die Hochschulwahlen der Universität Leipzig finden dieses Jahr vom 18. bis 25. Juni statt. Unter anderem wird die studentische Vertretung im Senat, dem höchsten Gremium der Universität, gewählt. Drei der vier studentischen Senator*innen haben im Gespräch mit luhze-Redakteur Conn Heijungs über Hochschulpolitik und ihre Amtszeit geredet: Johann Goldhahn (Progressive/Queerfeministische Liste), Johann Papesch (RCDS) und Lone Bettin (Die Liste). Roman Behrends (Juso-Hochschulgruppe) hat bis Redaktionsschluss nicht auf die Gesprächsanfrage von luhze reagiert. 

     

    Johann Papesch (RCDS)

    Portrait Johann Papesch. Im Hintergrund Steinsäulen

    Johann Papesch möchte nicht nur meckern, sondern versuchen, aktiv etwas verändern. Foto: Conrad Papesch

    luhze: Was bedeutet es für dich, hochschulpolitisch aktiv zu sein? 

    Johann Papesch: Als Studi sieht man ja, was gut läuft und was nicht so funktioniert. Viele Leute meckern dann, aber wenige Leute sagen: „Okay, ich verändere jetzt aktiv etwas.“ Ich will nicht immer nur meckern. Dazu fühle ich mich nur berechtigt, wenn ich zumindest versucht habe, was zu ändern. Deshalb bin ich eingestiegen. Ich wollte etwas bewirken und habe beim RCDS, dem Ring Christlich-Demokratischer Studenten angefangen, wurde in den Fakultätsrat der Mediziner gewählt und das Jahr darauf dann in den Senat. 

    luhze: Und wie kam dann der Sprung zum Senat? 

    Papesch: Ich hatte das Gefühl im Fakultätsrat der Medizin nicht so viel bewirken zu können. Ich hatte nie etwas mit dem FSR zu tun. Inzwischen glaube ich, es macht inhaltlich mehr Sinn den „normalen“ Weg über den FSR zu gehen. Allerdings meinte ein ehemaliger RCDS-Kollege, der Senat sei ein interessantes Gremium mit vielen Möglichkeiten etwas zu bewirken und man komme mit den verschiedenen Statusgruppen gut in Kontakt. Für uns war die Digitalisierung der Uni ein großes Thema. Wir wollten eine Uni-Leipzig-App etablieren und die Lehre und Online-Angebote verbessern. Persönlich war mir das Thema Barrierefreiheit auch sehr wichtig.  

    luhze: Wie findest du die Sitzverteilung im Senat? 

    Papesch: Wenn ich es richtig im Kopf hab, sitzen da elf Hochschullehrerinnen und Hochschullehrern, vier Studierende, vier Personen des akademischen Mittelbaus, also die wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Universität, und zwei sonstige Angehörige der Universität Leipzig, also 21 Sitze. Ich weiß, die geringe Anzahl studentischer Vertreterinnen und Vertreter im Senat hat schon für Unmut gesorgt. Ich persönlich habe damit kein Problem, weil die Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer auch bestrebt sind, die Umstände an der Universität Leipzig zum Guten zu verändern und sie viel Erfahrung mitbringen. 

    luhze: Planst du weiterhin hochschulpolitisch aktiv zu sein? 

    Papesch: Ich lasse das jetzt eher ausschleichen. Mein Staatsexamen steht an. Dann gehe ich in das praktische Jahr und mache noch meine Promotion. Hochschulpolitik benötigt viel Zeit, viel Engagement. Ohne sollte man es nicht machen. Ich werde weiterhin in meiner Hochschulgruppe bleiben, aber dort nicht mehr im Vorstand sein. 

    luhze: Was würdest du einer Person mitgeben, die in die Hochschulpolitik einsteigen möchte? 

    Papesch: Sammle erstmal ein bisschen Erfahrung im studentischen Leben, schau, wo es Probleme gibt, was läuft und was nicht so gut. Dann nimm diese Erfahrung in ein entsprechendes Gremium oder in eine Hochschulgruppe mit. Aus meiner Erfahrung heraus würde ich auch raten, erstmal im FSR anzufangen. 

     

    Johann Goldhahn (Progressive/Queerfeministische Liste)

    Portrait Johann Goldhahn. Im Hintergrund Bäume

    Johann Goldhahn denkt, man sollte einen Posten in der Studierendenvertretung mit viel Idealismus antreten. Foto: Fanny Weickelt

    luhze: Was bedeutet es für dich, hochschulpolitisch aktiv zu sein?

    Johann Goldhahn: Zum großen Teil sehe ich das schon als Repräsentationsaufgabe. Es gibt nicht so viele nicht-binäre oder trans-Menschen, die in der Hochschulpolitik sichtbar sind. Wenn ich weiß, dass sich da eine Person engagiert, die aus eigenen Erfahrungen versteht, mit was für Problemen ich an der Uni konfrontiert bin, erzeugt das Vertrauen. 

    luhze: Und wie kam dann der Sprung zum Senat? 

    Goldhahn: Ich identifiziere mich nicht so mit den ganzen parteinahen Hochschulgruppen. Wir wollten eine Alternative anbieten und dezidiert inklusive, antirassistische, antifaschistische, queerfeministische Hochschulpolitik machen. Zuerst hießen wir „Progressive Liste“, inzwischen treten wir als „Queerfeministische Liste“ an. 

    luhze: Wie findest du die Sitzverteilung im Senat? 

    Goldhahn: Als Studierende haben wir vier Sitze mit Stimmberechtigung. An der Uni sind wir aber die größte Gruppe. Vor dem Hintergrund ist das schon lächerlich. Wir können unmöglich alle Themen abdecken, die den Studis wichtig sind. 

    luhze: Planst du weiterhin hochschulpolitisch aktiv zu sein? 

    Goldhahn: Klar. Bei der jetzt anstehenden Wahl trete ich wieder für die Queerfeministische Liste an. Ansonsten bin ich im FZS (freier Zusammenschluss von Student*innenschaften, Anm. d. Redaktion) aktiv. Das ist die deutschlandweite Studierendenvertretung. Meine verschiedenen hochschulpolitischen Posten gehen gerade gut Hand in Hand. Gerade habe ich noch auch noch das Referat für Gleichstellung und Lebensweisen vom Stura. Das werde ich aber wahrscheinlich bald abgeben. Auf jeden Fall profitieren die verschiedenen Posten davon, dass die Leute sich mehr mit mir auseinandersetzen müssen. So bin ich mit meinen Themen generell sichtbarer in der Hochschulpolitik. Mit der Hochschulpolitik bin ich auf jeden Fall noch nicht durch. 

    luhze: Was würdest du einer Person mitgeben, die in die Hochschulpolitik einsteigen möchte? 

    Goldhahn: Insgesamt sind wir als Studierendenvertretung natürlich nicht die Gruppe, die kurz mal alles umkrempelt. Ich sehe uns eher als die Opposition, die große Forderungen machen kann, in der Hoffnung, dass etwas umgesetzt wird. Deshalb sollte man so einen Posten mit viel Idealismus antreten. Die Plena der verschiedenen Gremien und die Plenumsstrukturen können erstmal einschüchternd oder langweilig wirken, aber man kommt da schnell rein. Ich würde es allen ans Herz legen, die sich schon mal gedacht haben „Ey, diese eine Sache, warum funktioniert das nicht.“ Zum Beispiel: „Warum funktioniert das nicht, dass wir Periodenprodukte von der Uni bekommen?“ Es gibt so viele Stellen, wo man ansetzen kann auch über Fachschaftsrat und Stura hinweg, wie zum Beispiel die vielen Arbeitsgruppen des Stura. Und es ist wichtig, dass an allen Stellen jemand aktiv ist. 

     

    Lone Bettin (Die Liste)

    Lone Bettin Portrait. Im Hintergrund eine Hörsaal-Tafel und ein Banner von "Die Liste"

    “Es ist keine Option, nicht politisch aktiv zu sein”, meint Lone Bettin. Foto: Cassedy Richter

    luhze: Was bedeutet es für dich, hochschulpolitisch aktiv zu sein? 

    Lone Bettin: Es ist keine Option, nicht politisch aktiv zu sein. Da ich an der Hochschule bin, bin ich hochschulpolitisch aktiv. Angefangen habe ich in Kirchengruppen. Das waren die einzigen, die in meiner Region, Ostbrandenburg, was gegen den Rechtspopulismus gemacht haben. Da gab es nicht wirklich Angebote für Jugendliche, aber halt Kirchengruppen und da haben wir schon Proteste organisiert. Dann bin ich schnell auf die Partei aufmerksam geworden und habe hier auf dem Campus einen Listenstand gesehen. Ja, und Satire macht mich an, weil es schöne Sprache ist. Satire ist für mich Spaß, für andere Leute ist Satire vielleicht ein Mittel zur Depressionsbekämpfung. Je nachdem. 

    luhze: Und wie kam dann der Sprung zum Senat? 

    Bettin: Um Transparenz zu schaffen, aber so, dass meine Wähler*innen wissen, wie ich sie gut vertreten kann. Ich setze mich zum Beispiel für den Mittagsschlaf ein und für „Liberté“ statt Kaffee, weil heißes Wasser mit Geschmack halt schon sehr geil ist. Ich unterstütze auch die Ziele meiner Genoss*innen, zum Beispiel: Tiefe Nudelteller einführen, Schlafräume am Campus, Semestervergütung statt Semesterbeitrag. Bisher habe ich auf jeden Fall ein gewisses Level an Depression erreicht, weil auch wenn ich im Senat sitze, ist das Gremium nicht transparenter geworden. Inzwischen sehe ich auch, dass die Strukturen studentische Teilnahme zwar wahrnehmen, aber teilweise sehr vernachlässigen. Das muss unbedingt sichtbarer gemacht werden. Deswegen möchte ich nochmal in den Senat. Bis ich verstanden habe, was da eigentlich los ist, sind halt zehn Monate vergangen. 

    luhze: Wie findest du die Sitzverteilung im Senat? 

    Bettin: Peinlich. 

    luhze: Planst du weiterhin hochschulpolitisch aktiv zu sein? 

    Bettin: Solange ich in der Hochschule bin, werde ich hochschulpolitisch aktiv sein. Solange ich bin, werde ich politisch aktiv sein und solange ich bin, werde ich so viel Freude und Spiel und Kommunikation da einbringen, wie ich kann. 

    luhze: Was würdest du einer Person mitgeben, die in die Hochschulpolitik einsteigen möchte? 

    Bettin: Besorgt euch ein Kissen. Es sind lange Sitzungen, man braucht die Power-Naps. Und Papier. Ob ihr Bullshit-Bingo spielen oder Papierflieger an die Köpfe anderer Senator*innen werfen wollt. Da kommt man auch gut ins Kreative. Ich kann es auf jeden Fall empfehlen, auch wenn man sich gelebte Satire angucken will, braucht man im Senat nicht nur uns zuzuhören. Kommt vorbei, spielt Mäuschen. Die Sitzungen sind schließlich offen für Angehörige der Uni. 

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