• Menü
  • Kolumne
  • An die Ringe – fertig – los?

    Mit Recht wird die Ehe als Institution immer öfter hinterfragt; als zuletzt der Hochzeitstag ihrer Eltern nahte, wurde Kolumnistin Caroline trotzdem von Nostalgie und ein wenig Ehrfurcht erfasst.

    Meine Eltern haben in dieser Woche ihre Perlenhochzeit gefeiert. Das bedeutet 30 Jahre Ehe. Das ist viel. Vielleicht wurde mir im Zuge der Weisheitszahn-OP noch ein Quäntchen jugendlicher Hybris aus dem Schädel gehämmert und an dieser Stelle ist jetzt Platz für Neues, aber meine Sentimentalitäts-Ader hat bei dem Gedanken überraschend stark gepocht.

    Ich bin der allergrößte Fan meiner Eltern – heute und mit mehr Distanz sogar noch viel mehr als in Kindertagen. Das zu schreiben, fühlt sich brisant an. Eigentlich entspräche es der Mode, darüber zu wettern, wie sehr meine Eltern mich verkorkst haben. Dazu würde mir bestimmt auch etwas einfallen. Aber was hätte diese Rückwärtsgewandtheit wirklich für einen Sinn? Stattdessen: Mit welchem Werkzeug haben sie mich ausgestattet, das mir dabei hilft, einen Rahmen zu zimmern, der mein Leben gut trägt?

    Obwohl es nicht meine Beziehung ist, bin ich dankbar für die Ehe meiner Eltern und dafür, wie sie mich geformt hat. Dieser Gedanke ist recht neu für mich. Vor einigen Jahren habe ich mich zwar auch für sie und ihr gemeinsames Glück gefreut; aber ich war noch zu voll vom Girlboss-Unabhängigkeitswahn, um die Tragweite des Ganzen anerkennen zu können.

    Porträtfoto der Autorin

    Hat Kolumnistin Caroline etwa gerade ihre romantische Ader entdeckt? Foto: privat

    Mir wird zum Beispiel immer deutlicher bewusst, dass es überhaupt keine Selbstverständlichkeit ist, einen Vater zu haben, auf den man ehrlich stolz sein kann und der eine super Gesellschaft ist. Ich habe zu Hause nichts anderes erlebt. Meine Mutter war zu meinem (und ihrem) Glück weitsichtig und knallhart in der Partnerwahl, statt ihre Zeit mit inkonsistenten Manbabies zu verbringen – und ich bin überzeugt, dass das eine weichenstellende Entscheidung gewesen ist.

    Wenn ich heute von Leipzig aus nach Hause schaue, ist das weltliche Kontingenzbewältigung in Reinform. Ich kann zu jeder Zeit entspannt durchatmen und mich darauf besinnen, dass die beiden unabhängig von ihrer Beziehung schon alles Mögliche gemeistert haben: persönliche Krisen und Konflikte in allen Farben und Formen, verschiedene berufliche und finanzielle Situationen, Verlusterfahrungen. Sie haben mitten in der Pandemie ein Haus gekauft und renoviert und neun gemeinsame Kinder (Völkische und Fundamentalisten lieben das!).

    Rund zwei Jahrzehnte war ich live dabei. Dadurch, dass ich sehen durfte, wie „normale“ Menschen erfolgreich durch ihr Leben gehen, ohne dabei an Rückgrat zu verlieren, zweifle ich keine Sekunde daran, dass das für mich genauso realistisch ist. Ich lebe in der stillen Gewissheit, dass die Option, nachhaltige und „gute“ Lebensentscheidungen zu treffen sich immer auf einem Spektrum von „einfach“ bis „machbar“ befindet. Kurz: Es gibt weniges, vor dem ich Angst habe.

    Nicht für alle ist die Ehe das richtige Lebensmodell. Es braucht keine monogame Zweier-Beziehung, um glückliche Kinder großzuziehen. Und selbstverständlich werde ich nicht auf die Idee kommen, die Entscheidungen meiner Eltern nach Copy-Paste-Manier auf mein eigenes Leben zu übertragen.

    Viele Handlungslogiken bleiben aber universell: lernfähig sein und bleiben, niemals Peer Pressure nachgeben, vernünftig Weihnachten feiern, oft an die Ostsee fahren, immer eine gute Salami im Kühlschrank haben und einschätzen können, wann Durchhaltevermögen sinnvoll ist. Der Rest rollt von allein.

     

    Titelbild: Pexels

    Hochschuljournalismus wie dieser ist teuer. Dementsprechend schwierig ist es, eine unabhängige, ehrenamtlich betriebene Zeitung am Leben zu halten. Wir brauchen also eure Unterstützung: Schon für den Preis eines veganen Gerichts in der Mensa könnt ihr unabhängigen, jungen Journalismus für Studierende, Hochschulangehörige und alle anderen Leipziger*innen auf Steady unterstützen. Wir freuen uns über jeden Euro, der dazu beiträgt, luhze erscheinen zu lassen.

    Verwandte Artikel

    „Na, hast du immer noch keinen Freund?“

    Kolumnist Leen reflektiert über den Druck, den die Gesellschaft ausübt, in einer romantischen Beziehung zu sein und was das für die Weihnachtszeit bedeutet.

    Kolumne | 18. Dezember 2022

    Raw Woman Summer

    Schwitzen ist an der Tagesordnung. In Leipzig beehrt uns immer öfter die Sonne. Ergo gibt es weniger schattige Winkel, in denen sich die Geister des Patriarchats verstecken können.

    Kolumne | 19. Mai 2024