Wer studiert denn sowas? – Arabistik und Islamwissenschaften
Unsere Reihe "Wer studiert denn sowas?" nimmt verschiedene Studiengänge unter die Lupe. Wer weiß denn schon, welche Themen andere Studierende alltäglich beschäftigen. Heute: Arabistik und Islamwissen.
Wer ein Faible für die arabische Welt hat, ist beim Bachelorstudiengang „Arabistik und Islamwissenschaften“ richtig. Durch das Eintauchen in Sprache, Kultur und Recht, soll ein tiefes Verständnis für die Vielfalt und Dynamik dieser Region erreicht werden.
Im Vordergrund des Bachelorstudiengangs „Arabistik und Islamwissenschaft“, der auch an anderen Universitäten, wie in Bochum, angeboten wird, steht die islamische Welt. In Leipzig werden sowohl ein Bachelor- als auch ein Masterstudiengang angeboten. Im Master können sich Studierende auf einen Schwerpunkt, also Sprache, Kultur oder Recht, festlegen. An der Universität Leipzig gibt es die drei Schwerpunkte Sprachen, Kulturen und Recht. Untersucht werden Nationen, in welchen die islamische Religion vorherrschend ist.
Der erste Schwerpunkt fördert den Erwerb der arabischen Sprache auf Basis von Leitfäden, die am Orientalischen Institut Leipzig entwickelt wurden. Es werden grundlegende Übersetzungskompetenzen vermittelt, wobei besonders auf die aktive Sprachpraxis Wert gelegt wird. Um weitere Sprachkompetenz zu erlangen, können an der Universität Leipzig außerdem Sprachkurse für Türkisch, Persisch und Indonesisch belegt werden.
Der zweite Bereich thematisiert die Kultur und Geschichte der islamisch geprägten Welt, wobei aktuelle politische, religiöse und gesellschaftliche Aspekte behandelt werden. Auch Themen aus den Anfängen des Islams, also ab dem siebten Jahrhundert, werden abgedeckt.
Der dritte Bereich, das islamische Recht, deckt den Umgang mit Anwendung von islamischen Rechtsquellen, Rechtsnormen und -geschichte ab, indem entsprechende Quellen herangezogen werden.
Durch die vielseitige Ausbildung werden die Studierenden darauf vorbereitet, ein tiefes Verständnis für die Lebensrealität in der islamischen Welt zu entwickeln. Die genannten Kompetenzen ermöglichen Absolvent*innen die Arbeit in politischen wirtschaftlichen oder medial-kulturellen Berufsfeldern. Sie können nach ihrem Studium perspektivisch im In- sowie Ausland arbeiten. Der Einstieg ins Berufsleben wird durch die Kombination von inhaltlicher Schwerpunktsetzung des Einzelnen und Sprachausbildung von Student Tommy Seefeld, der nun zu Wort kommen soll, als einfach empfunden.
Um Arabistik und Islamwissenschaften zu studieren, muss man selbst muslimisch gläubig sein.
Nein, der Studiengang ist konfessionsungebunden. Weiterhin wird die Studierendenschaft von Studierenden selbst und Professor*innen als religiös sehr vielfältig wahrgenommen und nicht vermehrt Muslim*innen im Studiengang verzeichnet.
Tommy Seefeld
Tommy Seefeld, 25 Jahre alt, studiert Arabistik und Islamwissenschaften M.A. im ersten Semester mit dem Schwerpunkt auf islamischem Recht.
2018 bin ich nach Jena gegangen, habe dort Geschichte studiert und nebenbei in einem Abendkurs Arabisch belegt. Das Studium gefiel mir nicht und ich bin 2019 zurück nach Leipzig und habe meinen Bachelor angefangen. Die Motivation dafür war die Sprache.
Im Bachelor wollte ich erst in die Sprache gehen, doch jetzt ist das islamische Recht mein Fokus und die Sprache wurde zum Hilfsmittel.
Wir beschäftigen uns auch mit dem Islam, weil wir eine Regionalwissenschaft sind und alle Quellen, die wir haben, sich darauf beziehen. Es gibt Studiengänge wie evangelische Theologie, wo man sich mit den Lehren der Religion beschäftigt. Wir sehen den Islam als ein Forschungsthema, mit dem man sich objektiv beschäftigen kann. Wir haben nicht die Lehren des Islam zum Inhalt des Studiums und ich habe nie im Koran gelesen. Das geht, aber wenn das nicht das Interesse ist, muss man das nicht machen.
Im Studiengang haben alle ein familiäres Verhältnis. Im Master sind wir sieben Leute dieses Semester. Man kennt sich und wenn es ein Problem gibt, kann man das gut sagen. Meistens gehen wir dann mit unseren Dozenten einen Kaffee trinken.
Zwischen Theorie und Praxis gibt es Schnittstellen. Viele machen ein Praktikum, meistens wird es mit Auslandssemestern verbunden. Vor allem im sprachlichen oder sozialen Bereich, es gibt auch Praktika in Verlagen, in gemeinnützigen Organisationen und als Dolmetscher.
Es steht einem beruflich vieles offen, weil man eine Sprache studiert. Auch wenn man in eine soziale Richtung geht, wo kulturelle Unterschiede zum Tragen kommen, können wir damit umgehen.
Empfehlen würde ich das Studium Menschen, die sich gern mit Sprache befassen. Ich hatte Glück, dass ich vorher Arabisch konnte, weil es am Anfang sprachlich gesehen schwer ist. Wenn man ein Gefühl für Sprachen hat und etwas mit Sprachen machen möchte, dann ist das eine gute Wahl.
Schade finde ich, dass das Interesse am Studiengang in Wellen kommt. Nach den Terroranschlägen 2001, nach 2015 gab es einen Aufschwung und jetzt ist es wieder. Ich möchte nicht immer hoffen, dass etwas Schlechtes in der Welt passiert, was man mit Arabisch oder dem Islam verbindet, dass neue Leute kommen. Für den Studiengang selbst wünschen wir uns, dass er umstrukturiert wird, weil er unter diesem Punktesystem und Modulsystem leidet. Interne Veränderungen dauern aber.
Der Studiengang hieß früher oftmals Orientalistik. Durch die Umbenennung wollte man sich von eurozentrischen, veralteten Begriffen, wie der des „Orients“ distanzieren. Laut Studiengangsfachberater Yousief Sleiman wird dadurch eine „inklusivere Darstellung der arabischen Welt und des Islams“ begünstigt.
Professor Dr. Maisel
Prof. Dr. Sebastian Maisel ist seit 2018 an der Universität Leipzig als Professor für Arabische Sprach- und Übersetzungswissenschaft tätig. Zusätzlich hat er die Leitung des Bereichs Sprachausbildung und Übersetzungswissenschaften am Orientalischen Institut inne. Seine Forschung fokussiert die Soziolinguistik, Didaktik des Arabischen sowie Identitätsfragen bei Minderheiten im Mittleren und Nahen Osten. Er studierte einst selbst „Arabistik und Islamwissenschaften“ an der Uni Leipzig.
Als die Möglichkeit bestand, sich auf eine Stelle zu bewerben, mit der man stark verbunden ist, war das eine einfache Entscheidung. Wir haben hier am Institut viele Möglichkeiten, uns im Fachbereich mit Sprache, Kultur und Communities der Region zu beschäftigen. Seit 2018 konnte ich neue Projekte anstoßen. Im Bereich arabische Sprache sind wir dabei, uns in der arabischen Didaktik weiterzuentwickeln, mit dem großen Ziel, dass wir bald ein Lehramt Arabisch anbieten können.
Viele nennen es Orientalistik, doch das umfasst mehr als die Arabistik und Islamwissenschaft. Arabistik ist das Studium der Sprache und Kultur der arabisch geprägten Welt. Islamwissenschaft ist das Gleiche aus religiöser Sicht. Mich fasziniert die intensive Auseinandersetzung mit den Sprachen und Kulturen dieser Region. So kann man ein realistisches Verständnis und einen gesunden Einblick in das Denken und Fühlen der Menschen vor Ort bekommen. Es ist sehr bereichernd, wenn man sich auf eine bestimmte Fachrichtung spezialisiert. Man geht in die Feldforschung und in die Interaktion mit diesen Communities gehen. Man kann sich durch das Studium diese Regionen eröffnen. Sprache und Kultur ist unser großes Feld, in dem wir uns bewegen.
Wenn man überlegt, das Fach zu studieren, gibt es zwei wichtige Punkte. Erstens: Wer Arabistik erfolgreich studiert hat, ist mit den Kompetenzen, die er hier bekommen hat, auf dem Arbeitsmarkt sehr gut einsetzbar. Zweitens: Personen, die sich für so ein Studium interessieren, kommen meist mit einer weltoffenen Herangehensweise hierher, aber haben noch keinen regionalen Fokus für sich entdeckt. Sie haben Interesse an Fremdsprachen und am Kulturaustausch. Viele, die politisch interessiert sind, hoffen, dass sie Hintergründe erfahren können zu dem, was wir sonst nur in kleinen Medien-Snippets zugeführt bekommen. Das bespielen wir natürlich. Konflikte werden thematisiert, aber auf der Grundlage von profunden Sprachkenntnissen, sodass sie komplexe Szenarien aus verschiedenen Blickwinkeln analysieren können.
Fotos: Privat
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