Eine Friedenserklärung an die Teenagerjahre
Kolumnistin Maritta reflektiert über ihre Zeit im Jugendalter – und darüber, wie Verständnis für sich selbst vielleicht genau das ist, was die Welt gerade braucht.
Wenn ich an meine Teenagerzeit zurückdenke, ist das in so gut wie allen Fällen mit einer ordentlichen Portion Scham verbunden. Die Konfrontation mit alten Klassenfotos und den darauf festgehaltenen Modeentscheidungen von mir, wie etwa Schlauchschals und korrallenrote Skinny Jeans, oder auch ein Rückblick in den WhatsApp-Status lösen heute in mir eine Mischung aus Nostalgie und blankem Entsetzen aus. Diese Reaktion resoniert, zumindest in meinem Bekanntenkreis, mit den allermeisten. Manchmal führt das Thema nur zu einem beschämten Lachen, manchmal zu einem sehr energischen Kopfschütteln und einem schnellen Themenwechsel, das grundsätzliche Empfinden bleibt wohl das gleiche. Aber sollte dem nicht eigentlich viel mehr Bedeutung beigemessen werden, dass die meisten von uns ähnliche Erfahrungen in dieser Phase gemacht haben und die pubertären Peinlichkeiten eine kollektive Realität waren? Schließlich war es uns wohl allen nie so wichtig wie in den Teenagerjahren, als „cool“ angesehen zu werden – und dabei kläglich zu scheitern.
Doch obwohl man selbst auf diesen Zeitraum kaum zurückblicken möchte, beobachten wir die heutige Teenager-Generation mit Abneigung, Skepsis und vielleicht auch etwas Belustigung. So erlebe ich häufig, wie die meisten Menschen, wenn eine Gruppe von Jugendlichen, sich lautstark unterhaltend, die Tram betritt, genervt die Augen rollen. Und auch wenn das Interesse an der vergangenen Partynacht dieser 16-Jährigen nur gering ist, sollte man nicht mehr Sympathie übrighaben, gerade als selbst erst junge*r Erwachsene*r? Insbesondere, wenn man beachtet, mit wie vielen Problemen man sich in diesem Lebensabschnitt eigentlich befassen muss. Ob die eigene Identität, der Freundes- und Familienkreis, die Konfrontation mit politischen Themen und der eigenen psychischen Veränderung – den wenigsten von uns blieb es erspart, sich mit diesen Dingen auseinanderzusetzen. In dieser Zeit habe ich mich etwa von so vielen privaten und gesellschaftlichen Konflikten konfrontiert gefühlt, wie zuvor noch nie. So befand ich mich im ständigen Meinungsfinden, Ausprobieren und Anpassen, was auf die Dauer hin wahnsinnig viel Energie kosten kann. Diese biologisch eingebaute Selbstfindungsphase kann gut und gerne der Hölle stark ähneln.
Wenn wir uns aber selbst noch so gut an all diese Probleme und Konflikte erinnern können, warum können wir dann nicht auch mehr Respekt für uns selbst in dieser Situation und die momentane Generation an Teenagern haben? Hätten wir es nicht einfach alle verdient, mehr Akzeptanz für unser Verhalten in dieser Zeit zu bekommen? Und ist es jetzt nicht mehr denn je wichtig, den Jugendlichen von heute das Gefühl zu geben, sie zu hören und ihre Sorgen und Probleme ernst zu nehmen, besonders, wenn man sich das momentane Wahlverhalten junger Menschen anschaut? So zeigt die Sinus-Studie aus 2024, dass viele der befragten14- bis 17-Jährigen ein Gefühl der Einflusslosigkeit haben. Und obwohl ein politisches Interesse da ist, besonders für Thematiken, die Jugendliche selbst aktiv betreffen, wie etwa Diskriminierung oder die Klimakrise, so ist das Engagement doch gering.
Und auch wenn mir bewusst ist, dass ein verändertes Verhalten nicht automatisch die Wahlergebnisse radikal ändern wird, so sehe ich doch einen Sinn darin, Jugendlichen heutzutage und seinem eigenen Teenager-Ich etwas positiver entgegenzutreten. Denn wenn man erst einmal seinen Frieden mit dem Teenager-Dasein geschlossen hat, so kann man hinter all dem AXE-Bodyspray, Vanille Parfüm und Mango-Erdbeere-Vapes doch einfach nur eine Unsicherheit sehen, die man einst selbst verkörpert hat. Also klopft euch und eurem jüngeren Ich auf die Schulter – und vielleicht haltet ihr in der nächsten Tram voller Teenager für einen Moment inne, atmet den süßlichen Nebel von Parfüm und Vapes ein und erinnert euch: Wir waren alle mal dort, und wir haben mehr gemeinsam, als es auf den ersten Blick scheint.
Titelbild: Johnny Harvester auf Pixabay
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