Ackern für die solidarische Landwirtschaft
SoLawi (Solidarische Landwirtschaft) produziert ökologische Lebensmittel. Ein Tag als Freiwillige auf dem Acker bei der Kola (Kooperativen Landwirtschaft) gewährt Einblicke in die Abläufe auf dem Hof.
Die Sonne scheint und ein ländlich friedliches Bild empfängt die nach und nach eintrudelnden Helfenden an diesem Samstagmorgen – vor dem großen holzverkleideten Haupthaus hängen Laken an einem Wäscheständer. In der Werkstatt daneben herrscht rege Betriebsamkeit. Zwei Stühle stehen auf der Wiese vor dem Haus. Ein letzter Rest von Tau bedeckt das Gras. In der nächsten halben Stunde wird die Gruppe Freiwilliger immer größer. Die meisten Leute kommen aus Leipzigs Zentrum oder aus Taucha. Jakob, der heute auf dem Acker betreut, wartet bis alle da sind und klärt in der Zwischenzeit Fragen. Dann beginnt eine kurze Einführung mit Sicherheitsbelehrung. Mit der Sonne soll aufgepasst werden, Pausen können nach. Bedarf gemacht werden und jeder sollte genug trinken. Auf dem Feld wird dann noch die Beschäftigung heute genauer erklärt. Alle hören gespannt zu. Was ist Unkraut? Was Salat? Gar nicht so leicht, die kleinen Pflänzchen zu unterscheiden. Wer möchte, bekommt Knieschützer und Gartenhandschuhe. Dann hocken sich alle neben das Beet und es geht los.
Die Kola in Taucha ist eine Solawi. Das Konzept solidarischer Landwirtschaft beruht auf gegenseitiger Unterstützung und Zusammenarbeit von Erzeugenden und Abnehmenden.
„Wir haben das alles hier auf der grünen Wiese aufgebaut.“
Auf 35 Hektar Land der wird in Taucha eine breite Palette von Gemüsesorten angebaut. Vor etwa fünf Jahren wurde die Kola gegründet. Heute zählt sie mit über 2000 Mitgliedern zu den größten Solawis deutschlandweit. Angefangen hat der Betrieb mit etwas über 300 verteilten Kisten pro Woche. Jakob Grüner, der heute den Einsatz betreut, begeistert sich seit er klein ist für die Landwirtschaft. Bei der Kola ist er einer der ersten gewesen. „Wir haben das alles hier auf der grünen Wiese aufgebaut“, erzählt er stolz. Das Kernteam der Kola besteht aus 25 Angestellten, die die landwirtschaftliche Expertise mitbringen und für die Koordination der Einsätze, Mitgliederwerbung und Verwaltung verantwortlich sind. Auch die Ausbildung von Gemüsegärtnern sowie ein Freiwilliges Soziales Jahr gehören zum Angebot der Kola. Jakob, der auch schon Erfahrungen in der konventionellen Landwirtschaft gesammelt hat, findet: „gerade Leipzig ist eine dankbare Gegend für Solidarische Landwirtschaft“. Das Interesse an regionalen und fair produzierten Lebensmitteln nehme zu, und die Mitgliederzahlen würden kontinuierlich steigen. Erst kürzlich seien durch eine Folge bei der „Sendung mit der Maus“ wieder mehr Menschen auf die Kola aufmerksam gemacht worden. Beim Sommerfest soll das besonders spürbar gewesen sein, meint Jakob. So viele Leute seien noch nie da gewesen. Auch heute erzählt eine der Helfenden, sie hätte ihre erste Probekiste bestellt und sich angemeldet nachdem, sie die Folge zu Kola angesehen hätte. Zwischen den Feldsalatpflanzen und Gras kommt ab und an auch eine bei der Ernte übersehene Karotte zum Vorschein. Auch diese werden entfernt. Die Maschinen mit denen später auch nochmal durch die Beete gegangen wird, würden daran hängen bleiben. Während alle weiter jäten, wird hier und da über den jeweiligen Zugang zur Landwirtschaft erzählt. Eine Freiwillige erzählt, sie überlege, eine landwirtschaftliche Ausbildung anzufangen und sucht noch nach einem geeigneten Betrieb.
Solidarischer Preis – Gemüse für alle?
Wer hier Mitglied wird, bezahlt einen monatlichen Beitrag für seine Kisten, der zwischen 12 und 43 Euro variiert. Die Preise orientieren sich an den Jahresausgaben des Hofes. Allerdings steht es den Mitgliedern frei, etwas mehr oder weniger zu geben, je nach den jeweiligen finanziellen Möglichkeiten. Mit ihrem Beitrag finanzieren die Mitglieder nicht ein einzelnes Lebensmittel, sondern eine ganze Landwirtschaft. Als Gegenleistung werden Kisten mit dem Ertrag verteilt. Einige Verteilstationen liegen im Umkreis der Äcker, also in der Nähe von Taucha. Andere sind an verschiedenen Standorten über Leipzig verstreut. Der Inhalt der Kola-Kisten unterscheidet sich je nach Saison. Von Kohlrabi, Grünkohl, Salat über Auberginen und sogar Wassermelonen ist alles dabei. Einige Gemüsesorten müssten allerdings, gerade im Winter, zugekauft werden. Darunter würden zum Beispiel Kartoffeln fallen. Diese kämen vom Landgut Nemt, einem Biohof in der Nähe von Leipzig. Auch im Falle einer Missernte in Folge von Hagelereignissen oder auch Schädlingsbefall würden die Verluste durch Zukaufen gedeckt werden. Es seien aber nie alle Kulturen betroffen, weil die Kola sehr divers aufgestellt sei. Als nächstes Ziel habe die Kola, eigenes Obst in die Kisten legen zu können.
Teikei und Community Supported Agriculture – Ursprünge und Entwicklung der SoLawi
Der Ursprung des Konzepts der Solawi liegt im Japan der 60er Jahre. Dort schloss sich damals eine kleine Gruppe japanischer Mütter zusammen. Sie garantierten den Landwirten, ihnen die gesamte Ernte abzukaufen, unter der Bedingung, dass beim Anbau auf Pestizide verzichtet wird. Heute noch werden mehrere Millionen Japaner über das Teikei-System mit frischem Obst und Gemüse versorgt. Auf dem zweiten Platz stehen die USA. Schätzungen zufolge werden dort entgegen dem Klischee von Burger und Pommes als Grundnahrungsmittel vieler Amerikaner über die Community Supported Agriculture mehrere 100.000 Menschen mit Gemüse versorgt. Auch in Europa und Deutschland wächst das Interesse an fair produzierten und regionalen Lebensmitteln. Insgesamt gibt es in Deutschland 244 Solidarische Höfe. Sachsen zählt derzeit 27.
Das ‚So‘ in Solawi – Solidarität mit den Bauern
Die Idee einer Solawi bezieht sich allerdings nicht ausschließlich auf die Qualität und Regionalität der Lebensmittel. Auch Gemeinschaft und Kooperation zwischen den Mitgliedern und den Betrieben sind wichtiger Bestandteil des Konzepts. Da die Kola als Genossenschaft organisiert ist, gehört sie auch den Mitgliedern. Alle sind gleichberechtigt und können zum Beispiel bei wichtigen Fragen mitentscheiden. Auch das Risiko wird so auf mehrere Schultern verteilt. Die Ackereinsätze der Kola sind freiwillig. Doch im Grunde ist die Hilfe auf dem Feld Grundbaustein im Solawi Konzept. Der Gedanke dahinter ist, bäuerliches Wissen zu vermitteln und den Menschen bewusst zu machen, wie viel Arbeit, Zeit und Mühe hinter den im Supermarkt schnell in den Einkaufswagen sortierten Lebensmitteln steckt.
Auch die krumme Karotte kommt auf den Tisch
Das Prinzip der Solawi ist eine bedarfsorientierte Bewirtschaftung der Felder mit gesichertem Einkommen für die Angestellten, einem Teilen der landwirtschaftlichen Risiken und einem größeren Gestaltungsspielraum für Landwirte. Durch fehlende Marktabhängigkeit können auch selten gewordene Gemüsearten angebaut werden. Es wird nicht nur das perfekt geformte Gemüse verteilt, auch die verwachsenen Kohlrabis und Kohlköpfe werden in die Kisten gelegt.
Nach knappen drei Stunden auf dem Feld wird zusammen mit den anderen Mitarbeiter*innen Mittag gegessen. Alle sitzen an zwei großen hölzernen Tischen zusammen und genießen die Pause von der Arbeit mit angeregten Gesprächen bei selbstgekochtem Essen. Es gibt Kartoffelauflauf und einen Gemüsetopf aus eigenem Anbau, dazu Salat.
Nach dem Essen geht es zurück aufs Feld. Ein Großteil der Arbeit ist schon geschafft. Einer der Kola Mitarbeiter bringt eine Handvoll Weintrauben zum Naschen vorbei. Eine Freiwillige aus der Gruppe schließt sich nach der Mittagspause dem Kreativ Team an. Sie bemalen Schilder, die auf den Hofladen hinweisen sollen. Auf dem Rückweg zum Acker wird über ökologische Schädlingsbekämpfung geredet. Neben den Feldern stehen beispielsweise lange Holzpfähle für die Greifvögel, um Mäuse zu jagen. Außerdem wird sich bemüht, das Mauswiesel hier anzusiedeln – mit Erfolg. Jakob zeigt unter den Büschen am Feldrand kleine Steinhügel, die den Nagern als Schutz dienen.
Die Sonne ist so warm, als gäbe es noch einen letzten Sommertag im Oktober. Wenn alles gut läuft, wird der Feldsalat in ein paar Wochen in die Kisten gelegt und landet auf einem Leipziger Teller – hoffentlich mit nicht allzu viel Unkraut zwischen den Blättern.
Fotos: Paula Busch
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