Wie sicher sind Leipziger Studierendenwohnheime?
Im August versuchte ein Mann in einem Studentenwohnheim, eine Studentin zu vergewaltigen. Danach wurden Bedenken über die Sicherheit in den Wohnheimen laut. Wie kann man ähnliche Vorfälle verhindern?
Anfang August wurde eine Studentin im Wohnheim in der Straße des 18. Oktober überfallen und beinahe vergewaltigt. Durch massive Gegenwehr und laute Schreie konnte sie andere Bewohner*innen auf sich aufmerksam machen, diese riefen dann die Polizei. So konnte der Täter gefasst werden. Er selbst war kein Bewohner des Wohnheims – gelang aber trotzdem ins Gebäude. Wie sicher also sind die Leipziger Studierendenwohnheime?
Die Polizei führt keine Statistiken über Einsätze in Studierendenwohnheimen. Das Studentenwerk, das die Zimmer in den Wohnheimen vermietet, hört selten Sicherheitsbedenken von Studierenden. Auch nach der versuchten Vergewaltigung im Sommer seien diese nicht auffällig angestiegen.
Unübersichtliche Zustände
„Ich persönlich habe mich im Wohnheim eigentlich immer sicher gefühlt“, sagt Studentin Martha, die im Wohnheim in der Arno-Nitzsche-Straße wohnt. Von der versuchten Vergewaltigung habe sie gar nichts mitbekommen und könne sich auch nicht vorstellen, dass etwas Ähnliches bei ihr im Wohnheim passieren könnte. Anders als Elena. Sie lebt seit gut einem Jahr im Wohnheim in der Johannes-R.-Becher-Straße. „Es ist völlig unmöglich, einen Überblick darüber zu behalten, wer hier ein- und ausgeht“, findet sie. „Es sind einfach zu viele, und immer neue Leute. Natürlich kann es mal sein, dass nicht alle, die hereinkommen, nur gute Absichten haben. Meine Mitbewohnerin und ich verlassen unser Zimmer wenn möglich nur zusammen, vor allem abends.“
Tatsächlich unterscheiden sich die Studierendenwohnheime in einer Hinsicht erheblich von den klassischen Wohnhäusern: Sie sind größer. Auf 15 Wohnanlagen verteilen sich 5.200 Zimmer. Die Bewohner*innen wechseln häufig, weil die Studierenden beispielsweise ihr Studium beenden, ins Ausland gehen oder in eine eigene Wohnung umziehen. „In einem normalen Haus kennt man irgendwann alle Nachbar*innen“, erzählt Elenas Mitbewohnerin Miryam. „Dann weiß man, wenn jemand Fremdes ins Haus kommt. Aber hier ist das anders.“
Kommunikation in den Wohnheimen
Damit man trotzdem einen Überblick darüber behält, wer im Wohnheim ein und aus geht, empfiehlt Monika Schwarzenberg, Abteilungsleiterin Studentisches Wohnen beim Studentenwerk Leipzig, die wohnheiminternen WhatsApp-Chats zu nutzen. „Wenn ich eine Person sehe, die mir verdächtig vorkommt, kann ich sie erstmal fragen, was sie hier macht. Und dann kann ich in der Gruppe fragen, ob jemand die Person kennt oder eine Ahnung hat, was er oder sie hier macht.“
Raimond Schübel vom Student*innenrat (Stura) der Universität Leipzig hält das für unrealistisch. „Ich denke, vielen käme das komisch vor, bei jeder fremden Person erstmal eine Nachricht in die Gruppe zu schicken. Außerdem ist auch gar nicht jeder in diesen WhatsApp-Chats drin.“ In der Realität würden die Chatgruppen eher für Veranstaltungshinweise oder Beschwerden über die Lautstärke genutzt. „Solche Nachrichten würden da schnell untergehen.“ Auch von der Idee, fremde Leute direkt anzusprechen, hält er nicht viel. „Wie kann ich denn überprüfen, ob die Person mir die Wahrheit sagt? Mein Einfluss endet ja, sobald die Person behauptet, dass sie im Wohnheim wohnt oder jemanden besucht.“
Eigenverantwortung der Studierenden
Grundsätzlich sei es nicht die Aufgabe der Studierenden, im Wohnheim für Recht und Ordnung zu sorgen, findet Raimond Schübel. Das Problem daran ist, dass es ab einem bestimmten Punkt auch nicht mehr die Aufgabe des Studentenwerks ist. „Als Vermieter stellen wir natürlich sicher, dass die Bewohner durch Schlüssel oder Transponder Zugang zum Gebäude haben“, sagt Monika Schwarzenberg. „Sonst gelangt man nicht ins Gebäude. Lassen die Studierenden jedoch die Haustüren offen oder lassen andere Personen ins Gebäude, können sich Externe Zutritt zum Gebäude verschaffen.“
Dass offene Türen in den Wohnheimen ein Problem sind, weiß auch Raimond Schübel. „Ich habe eine Zeit lang im Wohnheim in der Philipp-Rosental-Straße gewohnt. Da liegt eigentlich immer ein Stein in der Tür und hält sie offen.“
Das Studentenwerk weise die Bewohner*innen immer wieder darauf hin, Türen geschlossen zu halten, betont Monika Schwarzenberg. Auch nach der versuchten Vergewaltigung im Sommer habe man erneut darüber informiert. „Wir als Vermieter sind jedoch nicht permanent vor Ort. Die Bewohner*innen müssen selbst darauf achten, Türen geschlossen zu halten und nur Personen Zutritt zu gewähren, die sie persönlich kennen beziehungsweise erwarten.“
In einer Sache sind das Studentenwerk, Raimond Schübel vom Stura und die anderen befragten Studierenden sich einig: Kameras zu installieren, würde das Problem nicht lösen. „Ich will in meinem eigenen Zuhause nicht überwacht werden“, meint Elena. „Auch nicht in den Fluren. Da müssen andere Lösungen gefunden werden.“
Das Studentenwerk und die Wohnheimsprecher*innen in den Wohnheimen sorgen mit verschiedenen Aktionen dafür, die Anonymität zu verringern. „So lernen die Studierenden sich kennen“, beschreibt Studentenwerk-Sprecher Michael Mohr. „Das Zusammengehörigkeitsgefühl wächst und man weiß, wer eigentlich noch so im Wohnheim wohnt.“
Wegen des ständigen Mieter*innenwechsels und der hohen Anzahl an Studierenden sei es trotzdem unmöglich, alle kennenzulernen, betont Miryam. „Aber natürlich fühlt man sich sicherer, wenn man viele Freund*innen im Wohnheim hat und sich untereinander gut kennt.“ Vorfälle wie die versuchte Vergewaltigung im Sommer könnten dadurch zwar nicht ausgeschlossen werden, aber immerhin steige das Sicherheitsgefühl im Wohnheim.
Titelbild*: Emma Eckhoff
*Zu sehen ist nicht das Wohnheim in der Straße des 18. Oktobers, sondern ein anderes Wohnheimgebäude des Leipziger Studentenwerkes.
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