• Menü
  • Film
  • Eine eindringliche Studie über Macht, Intrigen und Reichtum

    „Succession“ – ein satirisch-ernster Blick in das Leben der Elite. Die Einflüsse von Macht und Reichtum auf alles andere im Leben: und das mit hervorragender Besetzung und innovativer Kameraführung.

    Pianogeklimper erklingt. Wir sehen alte Aufnahmen einer Familie: erst nur vier Kinder, sie scheinen gepflegt, ähneln Erwachsenen, wirken steif und einsam. Es umgibt sie eine Aura der Vernachlässigung. Die Eltern, besonders der Vater, werden mit physischer Distanz zu ihren Kindern gezeigt. Gemischt werden diese Aufnahmen mit futuristischen Einblendungen der Morastlandschaft der manhattener Skyline.

    Wie im Titel schon verraten, wird in „Succession“ die Geschichte einer Nachfolge erzählt. Die Roy-Family, eine reiche, elitäre und einflussreiche Familie, unterliegt immer noch der strengen Führung des alternden Medienriesen und Vaters Logan Roy, der seine Position als Gründer und CEO seiner einflussreichen Medienfirma nicht aufgeben will. Seine vier Kinder kämpfen und konkurrieren während der Serie sowohl um seine Position als auch um das Ansehen, die Aufmerksamkeit und die Liebe des angsteinflößenden Patriarchen und – eher zweitrangig – Vaters.

    Abseits von Gut und Böse

    Die Roy-Family kennt keine anderen Formen der Kommunikation als Erniedrigung, Beleidigung, Perversion. Der Stellenwert eines Mitglieds wird durch Drama, Intrigen und Verrat bemessen, anstatt durch Zusammenhalt, Unterstützung oder familiärer Bindung – sowas existiert nur rudimentär in der Roy-Family. Die vier Kinder buhlen shakespearedramenartig um das Ansehen des Vaters und opfern dafür regelmäßig ihre Geschwister, mit denen sie sich aber genauso regelmäßig gegen ihren Vater verbünden. Es ist ein Auf und Ab, ein wahres Wirrwarr an geschmiedeten Allianzen und mehr oder weniger offen ausgelebten Feindschaften und Intrigen. Kein Move dieser Charaktere ist berechenbar, aus ihren jeweiligen Abgründen ergeben sich ständig neue und unausdenkbare Schachzüge.

    Die Mitglieder der Roy-Family

    Logans bereits erwachsene Kinder Colin, Kendall, Roman und Siobhan leiden alle auf ihre eigene Weise unter dem familiären Druck und unter der Erziehung ihres Vaters. Die Mutter der Kinder hat sich schon lange von diesem Patriachat gelöst, jedoch gleichzeitig auch ihre mütterliche Fürsorge eingestellt. Die Beziehungen zu dem mächtigen Vater sind so vielschichtig wie schwierig.

    Eine kleine Übersicht:

    Logan Roy (Brian Cox), Vater von vier Kindern. Seine Lebensaufgabe: ein Medienimperium aufbauen, erhalten und vergrößern. Logan ist einer der bestgeschriebenen Superbösewichte, die es seit langem im Fernsehen zu sehen gab. Durch gelegentliche Wutausbrüche, aber vor allem einem großen Repertoire an Subtilitäten, strahlt er Macht, Kontrolle und Abschätzigkeit aus – und versetzt seine Kinder und die Zuschauer dadurch in einen ständigen Angstzustand. Er manipuliert hemmungslos, respektiert kaum einen anderen Menschen und vertraut niemandem.

    Der älteste Bruder Colin (Alan Ruck), der eine andere Mutter hat als die übrigen drei und deshalb im Ansehen des Vaters nie eine Chance hatte, lebt ein weltfremdes und verschwenderisches Leben abseits der Stadt und des Familienunternehmens und möchte stattdessen lieber gleich Präsident werden (was natürlich nur bei einem kläglichen, hobbymäßigen Versuch bleibt). Colin hat, ebenso wenig wie auf die Anerkennung seines Vaters, eine sinnvolle Perspektive auf einen Zweck in seinem Leben und rettet sich deshalb in absurde Extravaganzen.

    Siobhan (Sarah Snook) – Shiv genannt – wird nie ganz ernstgenommen in der männerdominierten Business- und Familienwelt der Roy-Familiy, jedoch immer in ihrer Rolle als einzige Frau instrumentalisiert. Sie kann niemandem vertrauen, nicht mal ihrem Ehemann Tom, der höchstens als Marionette in ihren Intrigen fungiert, wenn er überhaupt involviert ist.

    Der jüngste Bruder, designierter Clown und obszöne Perversling der Familie Roman (Kieran Culkin) nimmt nichts ernst, denn er wurde selber nie ernstgenommen. Er flucht, sexualisiert alles und jeden und bringt nichts zu Ende. Dafür gibt es außerdem keine Konsequenzen, außer der, dass er für einige der besten Lacher der Serie sorgt. Roman ist nie erwachsen geworden und besonders in der Beziehung zu seinem Vater noch immer ein ganz unsicheres Kind, das Anleitung und Disziplin verlangt.

    Und Kendall Roy (Jeremy Strong)? Der „Golden Boy“ der Familie sieht sich als einzig wahrer Nachfolger und auserwählter Erbe des Familienunternehmens, scheitert jedoch immer wieder an der Kaltherzigkeit seines Vaters, der ihn wie einen geschlagenen Hund behandelt, sodass er sich in Drogen- und Partyexzesse rettet. Kendall schwankt in bipolarer Weise zwischen manischen Umsturzaktionen, depressivem Ja-Sager-Zombiemodus und seiner Karriere im Familienunternehmen.

    Tom Wambsgans (Matthew Macfadyen), Shivs Ehemann, und Cousin Greg (Nicholas Braun), der Punching-Ball der Familie, spielen als Nebencharaktere regelmäßig in skurrile B-Plots eine Rolle oder dienen als Schachfiguren in den Intrigen des inneren Zirkels der Roy-Family.

    Alles und nichts scheint möglich für diese kindlichen Erwachsenen: In finanzieller Hinsicht stehen ihnen alle denkbaren Extravaganzen zur Verfügung – seien es ein Helikopter als übliches Transportmittel, eine Rakete beim Start in die Luft zu jagen oder in Colins Fall: Den vermeintlichen Penis von Napoleon zu ersteigern. Doch kommt es zu persönlichen oder beruflichen Zielen, die Logan nicht gerne sieht, hört der Spaß auf. Das Auge des Vaters wacht über alles und greift im Zweifel ein.

    In „Succession“ werden Angelegenheit in der Regel bei einem Glas Champagner oder Whiskey in wahlweise Penthäusern, Schlössern oder Yachten ausdiskutiert.

    Eindringende und eindringliche Kameraführung

    Jeder Darsteller der Besetzung von „Succession“ scheint das Naturell seiner Rolle in Absolutheit zu verstehen und stellt es in den kleinensten Nuancen wie Körperhaltung, Mimik und Veränderung der Stimmlage ständig zur Schau. Doch abgesehen davon fällt bei „Succession“ besonders die Art und Weise der Kameraführung auf – beziehungsweise eben nicht: Durch die recht freie Art der Kameraführung fühlt es sich so an, als wäre man gerade selbst im Raum mit den Charakteren und dringe in ihre Privatsphäre ein. „Succession“ ist oft im Stil einer Mockumentary gefilmt. Das bedeutet, dem Zuschauer soll der Eindruck vermittelt werden, das Geschehen sei nicht geskriptet, sondern geschehe eben einfach so, wie im echten Leben auch. Die Kamera ist quasi gar nicht da, sondern stattdessen man selbst, als Zuschauer.

    Unangenehm nahe Aufnahmen der Gesichter der Roy-Family sind in „Succession“ gang und gäbe. Die Kamera zoomt immer etwas zu nah an die Charaktere heran und braucht eine kurze Weile, um den Fokus wieder zu finden. Man hat das Gefühl, als belausche man die Figuren in heimlichen und privaten Gesprächen, die nicht für die Öffentlichkeit gedacht sind. Das Bild ist oft verwackelt und bleibt fast nie statisch. Die Kamera selbst, als eigenständiger Charakter, bestimmt, was gezeigt wird und wo der Fokus liegt. Der Blick der Kamera durchkreuzt ganze Räume voller Menschen, um ein privates Gespräch einzufangen.

    Dieses dynamische Bild wird jedoch manchmal von statischen Aufnahmen unterbrochen, die kontrolliert rein- beziehungsweise rauszoomen. Dies geschieht oft in Momenten, in denen Charaktere einen wichtige Entscheidung treffen und mit den Konsequenzen ihrer Handlung konfrontiert werden. Dieser Kontrast betont auf subtile Weise die Immanenz eines solchen Moments: Für die Kamera besteht kein Zweifel, wo der Fokus liegen sollte. Im Gegensatz dazu wird die Kamera besonders unruhig, wenn etwas Aufreibendes gerade im Gange ist. Angespannte Situationen werden betont durch ein stetiges Wackeln und unruhiges Hin-und-Her. Bedeutungsschwere Szenen wirken dadurch noch intensiver, da sie sich auch in den Aufnahmen von den dynamischen Szenen unterscheiden.

    Überragend durch Feinheiten und Raffinessen

    „Succession“ ist ein Meisterwerk der subtilen Darstellungsweisen, sowohl durch die Performances der Schauspieler als auch durch die Kameraführung. Auch die Darsteller spielen mit dieser „ehrlichen“ Art der Kameraführung: Durch körperliche oder mimische Nuancen, die aber nur uns – den Zuschauern und der Kamera – offenbart werden, nicht aber den anderen Charakteren im Shot, erfahren wir einen Einblick in die scheinbar wahren Motive der Charaktere. Scheinbar – denn klare Motive gibt es in der ambivalenten Welt von „Succession“ nicht. All dies ist verpackt in eine Darstellung voller Abgründe, vulgären Flüchen und schwarzem Humor.

    Falls „Succession“ auf Papier erst einmal dröge, kalt und langweilig klingen sollte und die Aussicht auf eine mitleiderregende Darstellung der Elite heutzutage beim Normalbürger einen bitteren Beigeschmack auslöst, trügt der Schein. „Succession“ schafft es durch eine einzigartige und ausgeklügelte Produktion sowie perfektes Casting und Performance nicht nur Spannung, sondern auch Empathie und sogar Sympathie für seine äußerst ambivalenten Charaktere auszulösen. HBO überzeugt in dieser Serie mit komplexen und im gleichen Maße intriganten Rollen, einer qualitativ hochwertigen Produktion, einer aussichtlos-grauen und tristen Ästhetik und vor allem der Abwesenheit von einem klaren Gut und Böse.

     

    Fotos: Macall PolayHBO

    Hochschuljournalismus wie dieser ist teuer. Dementsprechend schwierig ist es, eine unabhängige, ehrenamtlich betriebene Zeitung am Leben zu halten. Wir brauchen also eure Unterstützung: Schon für den Preis eines veganen Gerichts in der Mensa könnt ihr unabhängigen, jungen Journalismus für Studierende, Hochschulangehörige und alle anderen Leipziger*innen auf Steady unterstützen. Wir freuen uns über jeden Euro, der dazu beiträgt, luhze erscheinen zu lassen.

    Verwandte Artikel

    15 Jahre außerhalb der Komfortzone

    Die ehemalige Gefängnisinsassin und geniale Pianistin Jenny schwankt in 15 Jahre zwischen dem Glauben zu Gott und dem Glauben an die Rache.

    Film | 11. April 2024

    ZENDAYA und die Challengers

    Ist das Kunst oder kann das weg? Regisseur Luca Guadagnino präsentiert uns nach Bones and all (2022) eine sehr sehenswerte und poppige Erotiknovelle.

    Film | 18. August 2024