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  • „Er ist der Amerikaner, der alle sein wollen“

    Donald Trump wurde erneut zum US-Präsidenten gewählt. Über Gründe für diesen Sieg und darüber, was Trump von der AfD unterscheidet, spricht Erica Larson Bautze vom Deutsch-Amerikanischen Institut.

    Am 5. November haben die USA zum 60. Mal einen Präsidenten gewählt. Entgegen vieler Erwartungen konnte sich Donald Trump gegen die demokratische Kandidatin Kamala Harris durchsetzen. Kann man aus den Ergebnissen etwas lernen? Warum haben vermehrt junge Wähler*innen für Trump gestimmt? luhze-Autorinnen Paula Busch und Emma Wendland haben darüber mit Erica Larson Bautze, der stellvertretenden Direktorin des Deutsch-Amerikanischen Instituts Sachsen (DAIS) in Leipzig gesprochen. Larson Bautze ist selbst Amerikanerin und hat als Schülerin in Magdeburg ein Auslandsjahr gemacht und in Leipzig später Politikwissenschaften und Amerikanistik studiert.

    luhze: Frau Larson Bautze, die Wahlnacht liegt nun schon einige Zeit zurück, mittlerweile sprechen viele von einer historischen Nacht. Wie haben Sie diese verbracht?

    Larson Bautze: Wie viele Institutionen haben wir vom DAIS uns dagegen entschieden, eine Wahlparty zu veranstalten. Wir haben aus den vergangenen zwei Wahlen gelernt, dass es schwierig ist einzuschätzen, wie die Stimmung je nach Ergebnis kippen könnte, besonders hier im europäischen Kontext. Aber auch, dass die Ergebnisse meist lange brauchen, um final bestätigt zu sein. Wenige wollen dann morgens früh um sechs Uhr noch vor dem Fernseher sitzen.

    Ich war also zu Hause und bin auch früh ins Bett gegangen. Dort habe ich dann aber die ganze Nacht über mein Handy gecheckt.

    Hat Sie das Ergebnis überrascht?

    Überrascht vielleicht nicht, aber entsetzt. Das steht im Kontrast zu der letzten Wahl von Trump 2016. Damals waren alle völlig überrascht, weil die Zahlen etwas anderes vorhergesagt hatten. Dieses Gefühl der Überraschung blieb aus.

    Bei Biden verspürten viele ein großes Gefühl der Erleichterung, als er es geschafft hatte. Ich komme aus dem Swing State Wisconsin. 2020 entschieden dort 21.000 Stimmen die Wahl für die Demokraten. Das war also ein Thema für mich, ob meine Heimat wieder die Wahl kippen könnte. Letztendlich haben aber fünf der sieben Swing States für Trump gewählt, was vorher nicht so erwartet wurde. Überraschend war für mich nur, dass es keine knappe Entscheidung war.

    Wir wollen nochmal zurückblicken auf den Wahlkampf. Dieser war durchzogen von dramatischen Momenten, von einem versuchten Mordanschlag auf Donald Trump bis hin zu einem kurzfristigen Wechsel der demokratischen Kandidatur. Welche Themen haben den Wahlkampf besonders geprägt?

    Das Thema Wirtschaft hat die Wahl klar entschieden. Für viele Menschen stand die Inflation ganz oben auf der Liste der Dringlichkeiten. Ich denke auch, dass dieses Thema die Wahlen hier in Deutschland beeinflusst und entscheiden wird. Denn wenn es bei Menschen am Ende darauf ankommt, schauen sie, wie es ihnen finanziell geht. Auch wenn die tatsächliche Verbindung zwischen der aktuellen Regierung und der Wirtschaftslage schwach ist, existiert sie doch in vielen Köpfen.

    Bei den vergangenen Landtagswahlen kam die AfD, ähnlich wie die republikanische Partei und Donald Trump auch, vermehrt bei jungen Menschen gut an. Können Sie sich diesen Trend erklären?

    Dieses Phänomen zeigt sich in vielen Ländern, aber ja, auch die AfD hat eine vermehrt junge Wähler*innenschaft. Dabei sind Gen Z und Millennials eigentlich zum Beispiel für ein größeres Klimabewusstsein bekannt. Ich denke schon, dass die AfD zu den Trump-Republikanern schaut und Verbindungen legt. Außerdem hat die AfD verstanden, dass Social Media eine effiziente Plattform für sie ist. Ich würde aber nicht sagen, dass dies nur an Social Media liegt. Hier in Deutschland geht es um Zukunftsängste, aber auch eine rhetorische Verteufelung der Ampel-Parteien und der anderen etablierten Parteien.

    Man muss betonen: Trump hat einen breiten Konsens in der Gesellschaft gewonnen. Viele haben auch unter der Prämisse gewählt: “Er wird schon nicht das machen, was er sagt.“ Dieser Konsens lässt sich hier in Deutschland für die AfD noch nicht sehen. Ich erinnere mich noch an den Anfang des Jahres, als zehntausende von Menschen gegen die AfD auf die Straße gegangen sind. Das war beeindruckend.

    Haben sich die Zukunftsängste der Menschen in den letzten Jahren verändert und beeinflussen das Wahlverhalten jetzt?

    Gewisse Zukunftsängste, die unsere Eltern und Großeltern nicht in dieser Form hatten, führen zu diesem Wahlverhalten, ja.  Ich denke aber auch, dass sich die Parteien so gewandelt haben, dass sich viele nicht mehr repräsentiert fühlen und dadurch anders wählen, auch in Amerika. Der klassische amerikanische Traum wirkt nicht mehr erreichbar und wird immer unwahrscheinlicher. Das führt zu dem Gedanken “Was habe ich schon zu verlieren?“. Trump bietet in diesem Punkt eine bestimmte finanzielle Sicherheit und ein Zukunftsangebot.

    Inhaltlich schienen andere Themen dann egal zu sein. Das zeigt sich auch an einem bestimmten Wahlverhalten: In einigen Staaten und Wahlkreisen waren die Wahlzettel seitenlang. Es wurden auch andere Abgeordnete gewählt oder Referenden abgehalten. Besonders junge Wähler*innen haben aber ausschließlich bei der Wahl zum Präsidenten/ zur Präsidentin ihr Kreuz gesetzt und den restlichen Zettel freigelassen. Das könnte darauf hindeuten, dass Trump wieder als Person gezogen hat, aber viele Inhalte nicht.

    Kommen wir nochmal zurück zum Thema Social Media. Auf unterschiedlichsten Kanälen findet mittlerweile politischer Diskurs und Wahlkampf statt. Wie sind die jeweiligen Kandidat*innen damit umgegangen?

    Trump bietet für Social Media viel Content. Und er bricht auch häufig mit der Annahme, für Social Media müsse alles kurz und prägnant sein. So war er beispielsweise für fast vier Stunden im Joe Rogan Podcast und redete eigentlich nur Quatsch. Das haben sich Millionen von Menschen komplett angehört. Ich glaube, er als Charakter und seine Figur erscheint spannender als alle Alternativen. Jedes Detail, ob die McDonald’s-Schürze oder sein Spaß beim Frittieren von Pommes bei einem PR-Stunt im Wahlkampf, zieht die Aufmerksamkeit vieler Menschen an.

    Die Demokraten haben auch Social Media reife Momente geboten: Der Vize-Kandidat Tim Walz nutzte in einem Interview den Begriff “weird“, um Trump und seinen Vize Vance zu beschreiben. Dieses Buzzword war dann für einige Wochen überall auch als Meme. Das hat sich aber auf eine kurze Zeit und eben auf das Meme-Format beschränkt.

    Wir leben in Zeiten, die durch Krisen gezeichnet sind. So herrscht beispielsweise immer noch der russische Angriffskrieg in der Ukraine. Welchen Einfluss hat die Wahl in diesem Kontext auf die diplomatischen Beziehungen zwischen Deutschland und Europa und den USA?

    Das hält mich nachts wach. Ich weiß es nicht. Viele Diplomat*innen, die bereits mit Trump gearbeitet haben, haben eine Vorstellung von seiner Arbeitsweise. Es ist ja auch nicht so, als hätte nichts mehr funktioniert. Es ging ja irgendwie weiter. Und eine dritte Amtszeit halte ich im Vergleich zu anderen eher unwahrscheinlich, auch rein biologisch (schmunzelt). Was viele Menschen besorgt, ist, dass die Situation nicht einschätzbar ist. Der vorherige Kreis von Menschen um Trump herum, der zum Beispiel Kommunikationswege nach Europa aufrechterhalten hat, ist weg. So wird es beispielsweise einen Außenminister Marco Rubio geben, der in der letzten Legislaturperiode gegen ein großes Ukraine-Hilfspaket gestimmt hatte. Da fragen sich viele in Deutschland und Europa, ob die transatlantischen Beziehungen jetzt von einem Gegenwind bestimmt sein werden oder auf welcher Ebene und Basis wir Partner bleiben werden.

    Wie beurteilen Sie die bereits spürbaren Reaktionen aus Europa?

    Im Anschluss an die Wahl haben sich fünf NATO-Mächte für eine Erhöhung der Ukraine-Hilfen ausgesprochen. Währenddessen versucht Biden unter Hochdruck das restliche Geld, das für die Ukraine zur Seite gelegt wurde, auszuschütten. Es gibt also, schon bevor Trump im Amt ist, eine Reaktion aus Europa, denn die wissen: Wir können uns nicht unbedingt auf die USA verlassen, wenn es um Unterstützung gegen Russland geht.

    Ich bin gespannt, wie sich das gesellschaftlich zeigen wird. Im Osten, auch in Sachsen, lässt sich oft eine russland-freundliche Rhetorik im öffentlichen Diskurs beobachten. Das wird sich sicher auf die Bundestagswahlen im Februar auswirken.

    Entspricht Trump dem Klischee des “typischen Amerikaners“?

    Ich hoffe nicht! (lacht) Ich habe aber bereits Ähnliches gehört: Er ist der Amerikaner, der alle sein wollen. Er ist reich und lebt das Leben der Eliten in New York City, ohne sich selbst als Elite zu verkaufen. Ein unerreichbares Vorbild. So repräsentiert er nicht alle Amerikaner*innen, aber er scheint etwas zu sein, was man sein möchte, aber nie sein kann. Dafür besteht sein Werdegang aus zu vielen Paradoxa und Widersprüchlichkeiten.

    Was bedeutet Trumps Sieg für Sie persönlich?

    Persönlich geht es mir, wie es vielen geht, ob in Sachsen, Deutschland oder Amerika. Meine Familie hat nicht etwa geschlossen in eine Richtung gewählt, sondern unsere Meinungen unterscheiden sich voneinander, was manchmal belastend ist. Das muss ich versuchen zu verstehen und zu verarbeiten und dann die Beziehungen weiterführen, wie es geht.

    Besonders für Frauen haben sich die Ergebnisse persönlich belastend angefühlt, da sie einen großen Eingriff in das Recht, über den eigenen Körper bestimmen zu dürfen, bedeuten. Es entsteht eine zunehmende Unsicherheit, da man nicht weiß: Kann Trump auf der nationalen Ebene Abtreibungen komplett verbieten? Wie könnte er so etwas umsetzen? Da entstehen Sorgen und Ängste um die eigene Situation und in Zukunft die der Töchter. Dabei bleibt das Thema sowohl bei republikanischen als auch bei demokratischen Wähler*innen sehr unpopulär.

    Haben Sie einen Ratschlag für Menschen, denen es mit ihrer Familie ähnlich geht wie Ihnen?

    Für viele ist das nichts Neues: Ob damals zu Zeiten von Corona oder jetzt über Themen wie den Ukrainekrieg gehen die Meinungen auseinander. Häufig scheut man sich davor, genauer nachzufragen, weil es manchmal unangenehmer ist, die Wahrheit über die politische Einstellung der Verwandtschaft zu wissen, als sie nicht zu kennen und nur Kopfkino zu haben.

    Ich wünschte, ich hätte eine Lösung, doch meine eigene Erfahrung ist etwas anders. Ich fand es persönlich sinnvoll, sich gegenseitig Zeit zu geben und zunächst gar nicht zu kommunizieren, weil man emotional aufgeladen ist. Nach und nach beginnt man dann wieder, über banale Alltagsdinge zu reden – ‚Ich war gerade einkaufen‘, ‚Was kochst du?‘ – so, dass man langsam den Weg zurück zur anderen Person findet. Wenn ich die Beziehung weiterführen will, muss ich Dinge ausblenden. Kann ich mich auf solche inhaltlichen Diskussionen einlassen? Oder lasse ich das vielleicht besser jemand anderen tun? Man muss wissen, wo die eigenen Grenzen und Fähigkeiten liegen – und es dabei belassen.

    Das mag nicht das Richtige sein, um Leute zu überzeugen. Doch frage ich mich ohnehin, ob man das in der heutigen Zeit überhaupt noch kann, oder die Polarisierung doch schon zu tief sitzt.

    Im Kontext der deutsch-amerikanischen Geschichte arbeitet das DAIS als einziges Amerikahaus in Ostdeutschland. Unter dem Dachverein der Deutsch-Amerikanischen Zentren sind Sie dabei vernetzt mit den anderen Deutsch-Amerikanischen Instituten und wollen laut eigener Aussage die liberal-demokratische Gesellschaft durch den transatlantischen Dialog fördern. Welchen Einfluss hat die Wahl auf die Arbeit des DAIS spezifisch in Ostdeutschland?

    Beispiele aus unserem Programm sind die “Ask An American“-Initiative, im Zuge derer Amerikaner*innen, die in Deutschland leben, Schulen besuchen und dort Fragen von Schüler*innen beantworten. Gerade in ländlichen Gebieten im Erzgebirge oder um Plauen oder im Vogtland, also weiter weg von den geballten Ressourcen der Großstädte merkt man, dass das für viele Kinder die erste Begegnung mit einer amerikanischen Person ist und dort spannende Fragen und ein großes Interesse aufkommen. Deshalb setzt sich das DAIS besonders dort dafür ein, Beziehungen zwischen Amerikaner*innen und Deutschen, genauer Ostdeutschen, zu knüpfen.

    Gerade aktuell schauen viele auf die USA: Es wirkt fast wie ein Zirkus oder Reality-TV von fern. Viele denken sich, glaube ich, “Na, zum Glück sind wir nicht so“. Doch das muss man reflektieren, finde ich. Die deutsche Politik hat uns in derselben Woche im November gezeigt, dass sie Drama doch auch ganz gut kann.

    Die Arbeit unserer Institute im Osten und Westen wird dabei unterschiedlich aufgenommen, mir erscheint es manchmal wie Tag und Nacht. Eine öffentliche Veranstaltung in Stuttgart oder München würde ein großes Publikum anziehen, aber hier in Leipzig ist es manchmal schwierig, überhaupt auf Interesse zu stoßen. Die Zivilgesellschaft hier ist noch nicht so sensibilisiert oder interessiert für amerikanische Themen. Natürlich hat das viele historische Gründe und ist wenig überraschend, aber fordert unsere Kreativität in unserer Arbeit und gerade das macht mir Spaß.

    Titelbild: Paula Buch

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