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  • „Wir sind demokratisch, wir sind mehr“

    Das Bündnis „Widersetzen“ mobilisierte zur Demonstration am 11. Januar gegen den AfD-Parteitag in Riesa. Es wurden um die 10.000 Demonstrierende aus ganz Deutschland und Österreich erwartet.

    Am Wochenende vom 11. bis 12. Januar sollte der AfD-Parteitag in der WT-Energiesysteme Arena im sächsischen Riesa abgehalten werden. Mit Kundgebungen und zivilem Ungehorsam in der Innenstadt plante das Bündnis „Widersetzen“, den Parteitag zu stören und möglicherweise zu verhindern. Um mehr über das Bündnis und die Vorbereitung auf den Aktionstag zu erfahren, hat luhze-Redakteurin Rosa Burkardt im Vorfeld der Aktion mit Lilly K. gesprochen. Die Zwanzigjährige studiert Jura im fünften Semester und ist seit November 2024 bei der Ortsgruppe in Leipzig aktiv und Teil des Social Media-Teams.

    luhze: Was macht „Widersetzen“?

    Lilly: Die Gruppe hat sich im Frühjahr vergangenen Jahres gegründet, mit dem Vorhaben, den AfD-Parteitag in Essen zu stören. Darum geht es jetzt auch wieder: Wir wollen den Parteitag er AfD in Riesa am besten verhindern. Unser Ziel ist es, faschistische Strukturen etwas entgegen zu setzen und die Aufmerksamkeit der Zivilgesellschaft zu erlangen. In Riesa wollen wir zeigen: Hier sind Faschisten in der Stadt und das wollen wir nicht stillschweigend hinnehmen.

    Warum mobilisiert ihr für die Demonstration in Riesa?

    Einfach, um zu zeigen, wie wichtig Demokratie ist. Demonstrationen sind ein demokratisches Mittel, um sich gegen rechte Hetze, Hass, Ausgrenzung und Rassismus zu wehren. Wir werden nicht hinnehmen, dass die AfD dort ihre menschenfeindlichen Ziele und Ideologien verbreiten kann.

    Wen wollt ihr erreichen?

    Die eingefleischten AfD-Wähler erreicht man damit nicht unbedingt. Es geht eher darum, ein Gemeinschaftsgefühl herzustellen und zu wissen: Wir sind demokratisch, wir sind mehr und wir können etwas bewegen. Ich meine damit nicht nur sehr linke Menschen, sondern auch diejenigen, die sich eher in der politischen Mitte verorten.

    Wer steckt hinter dem Bündnis?

    Wir sind in um die siebzig Städten in Deutschland aktiv, und auch aus Österreich wird am Wochenende ein Bus anreisen. „Widersetzen“ ist bunt und die Mitglieder kommen aus ganz verschiedenen Teilen der Gesellschaft. Wir sind ein Zusammenschluss verschiedener Gruppen wie Omas gegen Rechts, Studis gegen Rechts, Eltern gegen Rechts.

    Folgt ihr bestimmten Grundsätzen?

    Ganz oben stehen natürlich Demokratie, Menschenrechte und sich gegen Rechtsextremismus und Rassismus zu wehren. Wir haben uns auf den Konsens geeinigt, dass wir gemeinsam die AfD bekämpfen wollen, auch wenn unsere politischen Positionen sich unterscheiden.

    Habt ihr bestimmte Ziele oder Projekte, die ihr als Ortsgruppe in Leipzig umsetzt?

    Momentan ist es natürlich die Vorbereitung auf Riesa. Leipzig ist da ein Dreh- und Angelpunkt. Wir haben eine Bettenbörse organisiert, für Personen, die am Freitag schon anreisen. Außerdem gab es viele Aktionstrainings, die Teilnehmende auf die Demonstration und Aktionen des zivilen Ungehorsam vorbereiten.

    Wie habt ihr euch auf das Wochenende vorbereitet?

    Wir haben verschiedene Strukturen mit Leuten aufgebaut, die sich beispielsweise um die die Mobilisierung, die Anreise oder Social Media gekümmert haben. Neben einer Intervention an der Uni haben wir Informationsveranstaltungen und Aktionstrainings organisiert. Es gab auch Legal Trainings, bei denen über die Rechte bei der Demo gesprochen wurde. Und dann gibt es ganz viel Aufklärung: Von „Was packe ich in meinen Rucksack?“ bis „Wen rufe ich an, wenn ich von der Polizei gekesselt werde?“.

    Welche Aktionen oder Angebote habt ihr für das Wochenende geplant?

    Es wird eine Demo geben, die durch Riesa verlaufen wird. Dann wird es eine Großkundgebung geben mit einem kostenlosen Konzert. Da treten zum Beispiel Team Scheiße, Pöbel Mc und La Rey auf. Vor Ort wird es verschiedene Info- und Aktionsstände geben, zum Beispiel von „Omas gegen Rechts“. Zum Aufwärmen und Kraftsammeln gibt es eine Küfa und eine Teestube. Außerdem werden Menschen zivilen Ungehorsam leisten.

    Auf eurem Flyer nennt ihr „massenhaften zivilen Ungehorsam“ als Teil eures Konzepts. Was bedeutet das?

    Ziviler Ungehorsam geht von Leuten aus, die wirklich stören wollen. Wahrscheinlich werden Barrikaden überwunden und Zufahrten blockiert, um die AfD-Mitglieder daran zu hindern, überhaupt in die Veranstaltungshalle zu gelangen.

    Was erwartet ihr von diesem Wochenende?

    Wir hoffen, dass ganz viele Menschen nach Riesa kommen, um zu zeigen, dass Demokratie stark, groß und wichtig ist. Man darf auch nicht vergessen, dass viele Menschen, die gegen die AfD sind, sich in der aktuellen Regierung nicht wiederfinden können oder keine Partei haben, von der sie sich verstanden fühlen. Es ist wichtig, dass sie zur Demo kommen und auch im Februar wählen gehen. Das macht am Ende den Unterschied. Die Leute sollen sehen, dass es genug Menschen in Deutschland gibt, die nicht mit der AfD und ihrer Politik übereinstimmen. Vielleicht werden sie zum Nachdenken angeregt, sodass sie die AfD nicht aus Protest wählen.

    Inwiefern rechnet ihr mit Konfrontationen mit der Polizei oder Rechtsextremen?

    Es werden einige rechtsextreme Streamer anwesend sein. In der Innenstadt soll es einen Bereich geben, in dem die Polizei Personalien feststellen kann, ohne dass dafür besondere Gründe genannt werden müssen. Leider ist es auch nichts Neues, dass die Polizei Faschisten schützt. Ich habe ganz schlimme Bilder aus Essen gesehen, wie Aktivisten verprügelt wurden, und ich kann mir vorstellen, dass das dieses Mal auch wieder der Fall sein wird. Wir rechnen mit einem starken Polizeiaufkommen.

    Habt ihr entsprechende Strategien, um damit umzugehen?

    Für Menschen, die in eine Polizeimaßnahme oder in die Gefangenensammelstelle kommen, gibt es auf jeden Fall Strukturen. Unter anderem den Ermittlungsausschuss [EA; Anmerkung der Redaktion]. Der Ermittlungsausschuss kann bei juristischen Repressionen Rechtsbestand vermitteln. Jede Person, die nach Riesa kommt, sollte sich online eine eigene EA-Nummer generieren. Wenn man oder andere Personen sich in einer Polizeimaßnahme befinden, kann man den Ermittlungsausschuss anrufen und sich anonym melden. Die Mitteilung wird an Anwält*innen weitergeleitet. Man sollte auch Bescheid sagen, wenn man aus der Polizeimaßnahme entlassen wurde. Das ist unsere Hauptstruktur, die das ganze Wochenende verfügbar sein wird. Das Wichtigste ist: Niemand ist allein und niemand wird allein gelassen.

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