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  • Albtraum in den Alpen

    Schräg, atmosphärisch und spannend – der Horror-Mystery-Film Cuckoo von Regisseur Tilman Singer ist alles andere als gewöhnlich und ein Lichtblick für das Genre.

    Gretchen (gespielt von Hunter Schafer) ist die typische 17-jährige Teenagerin, verschlossen und ein bisschen nörgelig, deren Leben sich nach einer Familientragödie schlagartig ändert. Sie zieht zu ihrem Vater in die deutschen Alpen, der in einem abgelegenen Hotelresort ein Bauprojekt leiten soll. Gretchen fängt an, in dem Hotel für ein bisschen Geld zu jobben. Doch in dem Hotel gibt es Regeln: Die Rezeption ist nach 22 Uhr nicht mehr besetzt, zudem wird ihr verboten, nach Einbruch der Dunkelheit alleine durch den Wald zu fahren. Als sich dann noch einige Gäste merkwürdig verhalten, und Gretchen selber von brutalen Visionen geplagt wird ist klar, dass hier etwas nicht stimmt. Warum geht der Hotelbesitzer Herr König (Dan Stevens) mit einer Flöte in den Wald? Und wieso wird Gretchens Halbschwester Alma (Mila Lieu) von hysterischen Anfällen geplagt?

    Cuckoo rückt von Beginn an die Atmosphäre in den Mittelpunkt. Was dabei auffällt, ist das unfassbar schöne Setting. Wenn Gretchen mit dem Fahrrad durch den grünen, einsamen Wald fährt oder man eine Großaufnahme des Hotels inmitten der weißen Bergketten der Alpen sieht – wirkt das unfassbar satt und clean, und ist cool für das Auge. Dabei leidet zwar zunächst die Handlung, als Zuschauer fragt man sich lange, worum es eigentlich geht. Es werden verschiedene Charaktere eingeführt, wie der Hotelbesitzer oder Gretchens Halbschwester, die irgendwie alle merkwürdig erscheinen, aber zunächst nicht greifbar sind – das werden sie jedoch alle noch.

    Tilman Singer hat schon mit seinem Spielfilmdebüt Luz (2018) gezeigt, dass er Neues erschaffen möchte. Dabei orientiert er sich klar am Look der 80er-Jahre Filme, welchen er durchgängig in seinen Filmen einsetzt. In der Handlung experimentiert er dann sehr viel und möchte etwas Erfrischendes bringen, was vielleicht auch die Regeln des Bekannten bricht. In der Zeit vor den 2000er-Jahren gab es einige deutschsprachige Produktionen, die einen echten Mehrwert für das Genre hatten (zum Beispiel Angst oder Der Fan). Tilman Singer, der auch noch gebürtiger Leipziger ist, knüpft da an und versucht, die Kreativlosigkeit der letzten Jahre zu brechen.

    Ist Cuckoo ein gruseliger Film? Nein, nicht gruselig in dem Sinne, was der normale Zuschauer unter gruselig versteht. Ich würde ihn eher als „strange“ bezeichnen. Der Film lässt sich in eine Riege mit anderen Indie-Filmen stellen, welche nicht wie die üblichen Mainstream-Horrorfilme das Jumpscare-Verlangen des Zuschauers füttern möchten. Vielmehr möchten sie eine spannende Geschichte erzählen, welche in erster Linie kreativ ist und neue Pfade begeht.

    Dass dabei etwas Schräges herumkommt, ist nicht verwunderlich, und deshalb auch an einigen Stellen gewöhnungsbedürftig – wie das Finale des Films. Ich habe mich sehr an die Kurzgeschichten eines H. P. Lovecraft erinnert gefühlt, der gerne Kreaturen außerhalb jeder Vorstellungskraft erschaffen hat, das Ganze aber in eine starke Atmosphäre eingebunden hat, so dass es kein Trash ist.

    Es macht Spaß, im Horrorgenre mal etwas Gutes geliefert zu bekommen. Meist sind es entweder die bekannten Billigproduktionen, die immer das gleiche Repertoire abspulen, oder Remakes, die mit keiner neuen Idee aufwarten können. Ich würde den Film daher jedem empfehlen, der auf Retrohorror (Scream, Shining) steht oder vom Genre in letzter Zeit gelangweilt war – man dürfte nicht enttäuscht werden.

    Cuckoo lief letztes Jahr in ausgewählten Kinos und ist seit dem 26. Dezember im Stream verfügbar. Am 10. Januar 2025 erschien außerdem die DVD und die Blu-Ray.

     

    Titelbild: Photo Felix Dickinson, Courtesy of NEON

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