Wo Leidenschaft auf Detailverliebtheit trifft: Die Kunst des Holzspielzeuges
Die Holzspielzeugwerkstatt Liebe lädt zum Staunen ein. In zweiter Generation wird hier in Handarbeit traditionelles Holzspielzeug gefertigt. luhze hat dem Betrieb einen Besuch abgestattet.
Ein olivgrünes Haus mit ziegelrotem Dach, das Seitenprofil verziert mit Malereien: die Holzspielzeugwerkstatt Liebe liegt in Markranstädt, Frankenheim. Im Schaufenster ist eine Auswahl an Holzobjekten ausgestellt: Eine kleine Krippengesellschaft versammelt sich um das Mini-Kind in der Wiege; ein filigraner Holzwagen zieht vorbei an Bäumen; ein kleiner Hampelmann wartet auf seinen ersten Tanz.
Jörg Liebe, ausgebildeter Holzspielzeughersteller und Sohn des Gründers Wolfram Liebe, öffnet die Tür zur Werkstatt. Frühmorgendliche Produktivität, der Geruch von Holz und das gedämpfte Knarzen eines Radios strahlen ein Gefühl von Wärme aus.
Durch einen Gang geht es vorbei am Ausstellungsraum. Direkt dahinter befindet sich bereits der erste Teil der Werkstatt. An den Wänden sind Regale befestigt, die Bretter voller Kästen und Kisten. Ein langer Arbeitstisch voll mit zu bearbeitenden Objekten, kleinen Utensilien, Pinseln, Scheren und einer an einen Lötkolben erinnernden Apparatur reiht sich entlang der gegenüberliegenden Wand. Liebe zieht einen Kasten hervor. Darin befinden sich die Einzelteile für ein Miniatur-Regal. Die zahlreichen beschrifteten Schachteln offenbaren ein ausgeklügeltes System: Aus einer weiteren schöpft er eine Handvoll kleiner Räder für einen Mini-Roller; das Loch für die Achse ist nicht größer als ein Stecknadelkopf.
Für Liebe ist Spielzeug in erster Hinsicht als ein Abbild oder ein Modell der Umwelt zu verstehen. Gut bespielbar soll es natürlich
auch sein. Besonderes Spielzeug muss, laut Liebe, besondere Kriterien erfüllen: Kinderspielzeug muss beispielsweise speziell auf Kinderhände ausgelegt sein; Miniaturen sind dagegen eher nicht zum Bespielen konzipiert.
Über den Innenhof erreicht man einen weiteren Raum, der einen großen Teil der Maschinerie offenbart. Verschiedene Sägen stehen dicht nebeneinander. Gerade wird ein Stapel Leisten verarbeitet. Die vorderen Enden sind bereits in gleich große Stücke zertrennt. An der verbleibenden Länge der Stäbe lässt sich die Anzahl der Würfel, die daraus entstehen werden, nur staunend abschätzen. Am Ende des Fertigungsprozesses werden diese eingefärbt und in einem Holzkasten als Mosaikset verkauft.
Vom Baumstamm zum Spielzeug
Bis zum Vertrieb durchläuft das Holz einige Arbeitsschritte: „Los geht es immer im Leipziger Auwald, von dort beziehen wir die Holzstämme.“, berichtet Liebe. Bevor diese weiterverarbeitet werden könnten, vergingen jedoch mehrere Jahre. So lange dauere es, bis dem Holz genug Feuchtigkeit entzogen sei. „Erst dann können wir anfangen, die Stämme zu Brettern, und die Bretter zu Leisten zu sägen.“ In diesem Fall werden die Leisten zu Würfeln weiterverarbeitet. Anschließend erfolgt der Feinschliff: „Wir achten darauf, dass beim Holzspielzeug alles sauber und ordentlich gearbeitet ist, dass alle Flächen und Kanten fein geschliffen sind.“, so Liebe. Zum Schluss würden die fertigen Würfel im Siebdruckverfahren bedruckt, dann in einem Kasten verwahrt – fertig ist das Mosaik.
Die Bezeichnung “Holzwerkstatt” könnte den Eindruck erwecken, bei HolzLiebe werde nur Holz verarbeitet. Das ist aber bei weitem nicht der Fall. In einer voll eingerichteten Puppenstube treffen verschiedenste Materialien aufeinander: Allein für ein Miniatur-Sofa ist beispielsweise die Arbeit mit Stoff und Polstermaterial unerlässlich – schließlich sollen die Puppen auch bequem sitzen! Darüber hinaus werden zahlreiche Elemente im Zinnguss hergestellt, die dann mit weiteren Stoffen wie Papier, Pappe, Ölen, Lasuren oder Farben in Kontakt treten. Auch der Umgang mit Kunststoff bleibt nicht aus, zum Beispiel in Form von Gießharz für eine Miniatur-Badewanne.
Im Innenhof stapelt sich eine Sammlung von Baumstämmen unter einem Dach. Die Abholzdaten sind am Ende markiert. Den Zahlen nach zu urteilen, wird das Holz wohl noch einige Zeit hier verbringen werden, bevor es weiterverarbeitet werden kann.
Welche Teile muss ich herausschneiden?
Der Beruf des Holzspielzeugherstellenden verbindet verschiedenste handwerkliche Teildisziplinen. Unerlässlich ist neben einer gewissen Kreativität ein Gefühl für Formen, dazu ein guter Blick für das Holz als Material. Typische Fragen im Alltag sind etwa: Wie ist das Holz gewachsen? Wo muss ich das Werkzeug ansetzen oder welche Teile muss ich herausschneiden? Auch das Überwinden der möglichen Angst im Umgang mit Maschinen erfordert Übung. „Mit ehrlichem Interesse kann man aber auch vieles erlernen.“
Die handwerkliche Arbeit mit Holz hat Liebe schon immer interessiert: „Ich habe immer mal wieder bei meinem Vater in die Werkstatt geschaut, das eine oder andere mitgeholfen oder nebenbei Weihnachtsgeschenke gebastelt.“ Nun arbeitet er zusammen mit seiner Frau Corinna und seinem Vater Wolfram im eigenen Familienbetrieb. Seinen Ursprung hat HolzLiebe in Leipzig Leutzsch, in der Zeit der Wende erfolgte der Umzug nach Frankenheim.
Den größten Teil des Sortiments machen Puppenstuben aus, „zusammen mit Möbeln und Zubehör und allem, was noch rein gehört.“ Dazu zählen unter anderem kleine Möbel samt Kleidern, Betten oder Bestecksets bis hin zu Miniaturvarianten der großen Sägemaschinen: Drechselbänke, Hobelmaschinen, oder eine Bandbreite an Werkzeugen. „Und das alles im Maßstab 1:12!“ Abseits davon bietet HolzLiebe noch klassisches Kinderspielzeug an. Besonders beliebt sind JoJos, Kreisel oder Baukästen. Als generelle Altersfreigabe müsste man wohl “von 3-99” festlegen; das nicht nur wegen der großen Bandbreite an Produkten: Es gibt, so Liebe, durchaus auch Erwachsene, die sich einen JoJo mitnehmen und von ihren Kindheitserinnerungen erzählen.
„Das Kind und der Spieltrieb bleiben auch im Erwachsenen erhalten“
So ein JoJo befindet sich auch gerade in der Herstellung. Liebe fügt die beiden Hälften zusammen, die Holzmaserung scheint sich nahtlos zu verbinden und gibt einen Vorgeschmack auf das fertige Produkt.
Primär auf Erwachsene ausgelegt sind die Miniaturen, kleine Nachbauten der großen Vorbilder: Karren, Dreiräder, Roller, aber auch Mini-LKWs oder eine hoch-filigrane Kugeltreppe finden sich im Sortiment. Liebe erzählt von Sammlern mit schönen Vitrinen, von kleinen staunenden Kindern, die vielleicht eines Tages selbst vorsichtig mit den Holzobjekten spielen dürfen.
Der Blick in die Zukunft sorgt bei Liebe für gespaltene Gefühle. In der Branche ist der Betrieb gut etabliert; Angst vor direkter Konkurrenz hat er nicht. Anfangs, kurz nach der Wende, sei das noch anders gewesen. Damals interessierten sich die Menschen mehr für modernes Plastikspielzeug, allen voran die bekannten dänischen Klemmbausteine. Stetige Innovation und konstant hohe Qualität hätten dazu beigetragen, dem Betrieb einen Platz auf dem Spielzeugmarkt zu sichern.
Unruhe erzeugen bei Liebe dagegen vor allem die neuen Techniken und Maschinen, allen voran das im 3D-Druck-Verfahren hergestellte Holzfilament. Dabei wird eine mit Holzpartikeln angereicherte Polymermasse maschinell in die gewünschte Form „gedruckt“ – schneller, effizienter und günstiger als die traditionelle Handarbeit.
Eine technische Aufrüstung müsste wohl in Zukunft stattfinden, die Finanzierung könnte dabei aber zum Problem werden. „Scheitern wird es eher an den Ausgaben, die damit verbunden sind.“ Neue Maschinen sind teuer, für einen lokalen Handwerksbetrieb nahezu unbezahlbar. „Wir wissen natürlich von Maschinen oder Hilfsmitteln, die wir uns aber einfach nicht leisten können.“ Dennoch bleibt Liebe optimistisch.
„Wir müssen einfach immer weiter machen“
Er nimmt ein kleines geschliffenes Holzobjekt in die Hand, fährt mit einem Finger an der Kante entlang. Viele Großbetriebe würden zum Ausschneiden der Formteile einen Laser-Schneider verwenden. Das Ergebnis sind dunkle, „verbrannte“ Schnittkanten. Hier ist keine Verfärbung zu erkennen.
Zum Schluss folgt ein Rundgang durch den Ausstellungsraum. Per Knopfdruck erleuchtet Liebe die Regale. Die Puppenstuben, Mosaiksets und Miniaturen werden in warmes, gelbes Licht getaucht. Ein unwahrscheinlich kleiner Hampelmann ist an der Wand eines Kinderzimmers montiert. Auf den ersten Blick könnte man meinen, die Funktionalität sei durch die Größe eingeschränkt. Doch das ist nicht der Fall. Ein mit spitzen Fingern durchgeführter Zug bringt die Gelenke zum Tanzen.
„Langweilig wird es nicht.“, sagt Jörg Liebe abschließend. „Ich denke, dass Holzspielzeug weiter Bedeutung haben wird.“
Titelbild: Jonas Böhme
Fotos im Text: holz-liebe.de


Hochschuljournalismus wie dieser ist teuer. Dementsprechend schwierig ist es, eine unabhängige, ehrenamtlich betriebene Zeitung am Leben zu halten. Wir brauchen also eure Unterstützung: Schon für den Preis eines veganen Gerichts in der Mensa könnt ihr unabhängigen, jungen Journalismus für Studierende, Hochschulangehörige und alle anderen Leipziger*innen auf Steady unterstützen. Wir freuen uns über jeden Euro, der dazu beiträgt, luhze erscheinen zu lassen.