Liebe, bitte
Es ist ein Monat ohne Charakter. Den Valentinstag beiseitegeschoben – der Februar verdient mehr Liebe. Und wir selbst auch. In einem Februar wie diesem ganz besonders.
Es ist also Februar. Ich werfe meinen morgendlichen Blick aus dem Fenster. Schwer einzuordnen, was ich da sehe. In erster Linie ist es grau, die Dächer nass, es sieht windig aus. Wirklich kalt ist es draußen nicht. Frieren tue ich dennoch.
In den letzten sechs Tagen haben wir fast das gesamte Repertoire von Frau Holle einmal durchgespielt. Die Sonne hat mal kurz geschienen, es gab Regen und Schnee und Schneeregen, immens starken Wind und leichte Böen. Hageln und graupeln wird es in diesem Monat bestimmt auch noch. Es ist schließlich Februar. Ein seltsamer Monat, der sich in die Unendlichkeit ausdehnt, assoziiert mit Winterdepressionen, dunklen Tagen und Prüfungen. Ein Monat, der einfach nur irgendwie überstanden werden muss.
Der vergessene Monat
Der zweite Monat des Jahres ist nicht der einzige, in dem mich das Fahrradfahren Überwindung kostet, nur mit guten Handschuhen und einer Regenjacke zu bewerkstelligen ist. Doch alle anderen kalten Monate haben zumindest eine Lobby, ein Thema, haben eine Ästhetik.
Oktober und November werden kuschelig mit Grusel an Halloween, Flammkuchen, Heißgetränken mit Kürbis, Zimtschnecken und Pflaumencrumble. Den Herbst kann man im Handumdrehen romantisieren und Gemütlichkeit einziehen lassen.
Der Dezember ist erfüllt von der magischen Wirkung von Gewürzmischungen mit Nelken und Zimt, Zuckerguss und Plätzchenformen. In christlich geprägten Kulturen ist er der heilige Monat, voll von Kaminfeuer und Traditionen mit der Familie.
Dem Januar eilt kein großartiger Ruf voraus. Aber zumindest kann man sich auf das Auskatern am Tag nach Silvester, Neujahrsvorsätze, Plätzchenreste und Vision-Boards konzentrieren. Und sich an den noch nigelnagelneuen Weihnachtsgeschenken erfreuen. Der Januar zieht schnell vorüber.
Keine Kuscheligkeit
Und dann Februar. Es ist der Monat der Irritationen. Irritation darüber, weshalb sich der Februar trotz seiner gerade einmal 28 Tage so schrecklich lang anfühlen kann. Irritation auch, dass nach diesen 28 Tagen immer noch nicht Frühling ist. Und darüber, was der Höhepunkt des Februars – der Valentinstag – eigentlich genau soll. Wer war dieser Valentin?
Ich sehe großes Potenzial für Februar-Gemütlichkeit. Doch er hat nicht den Ruf des Kuschelmonats, der er sein könnte. Es ist Valentinstag, ja, doch der Februar ist einfach nicht der Monat der Liebe. Er ist nass und kalt und komisch. Dass er mit dem Valentinstag so etwas wie einen Feiertag hat, habe ich nicht verinnerlicht und es ändert auch nichts am Ruf des Februars. Ich werde an Supermarktkassen von den vielen rosaroten Herzen und Schleifen daran erinnert, dass Valentinstag ist. Nimmt man diesen Tag wirklich ernst? Muss ich mich zwei Monate nach Weihnachten noch einmal in den Geschenketrubel stürzen? Gibt es neben Rosenbouquets noch irgendwelche anderen Traditionen? Weshalb kosten Blumensträuße eigentlich so ein Vermögen?
Der Februar braucht eine Lobby, braucht Traditionen, eine bestimmte Ästhetik, mit der sich das Ausbleiben des Frühlingsanfangs romantisieren lässt.
Pastinake und Pfefferminz
All die sogenannten Herbstobst und -gemüsesorten sind im Februar noch immer saisonal. Vielleicht kann der Februar ja der Monat der Steckrüben und Pastinaken werden? Pastinakenrisotto ist keine schlechte Sache.
Februar könnte der Monat sein, in dem Pinterest überfüllt ist von Rezepten für die von nun an februartypischen Birnen-Muffins und Waffeln mit Äpfeln und Honig. Vielleicht auch der Monat, in dem soziale Medien einem eintrichtern, jeden Tag gesüßten frischen Pfefferminztee zu trinken. Und dabei noch einmal all diejenigen Liebesfilme zu schauen, die absolut nichts mit Weihnachten zu tun haben.
Er kann ein Monat der Romantik, Besinnung und Zweisamkeit sein – ohne dass ein Christkind eine Rolle spielen muss. Ich könnte so einen Monat unter dem Motto Zweisamkeit und Pfefferminztee mit Honig gut gebrauchen.
Von nun an der Monat der Bundestagswahlen
Es braucht nicht mehr rote Rosen, aber mehr Liebe im Februar. Besonders in diesem Jahr und besonders an dem Sonntag in einer Woche. Dem 23. Februar 2025. Einem Wahlsonntag, der richtungsweisend dafür sein wird, unter welchen politischen Bedingungen Liebe, Zugehörigkeit und Miteinander gelebt werden können. Ob wir ein Miteinander wollen. Ob Familien voneinander entzweit bleiben müssen, weil Landesgrenzen sie trennen. Grenzen, die geschlossen werden.
In der nächsten Woche wird darüber entschieden, wer seine Liebe unter welchen Bedingungen ausleben kann. Und wer nicht. Es geht um die Sicherheit queerer Menschen. Es geht um die Sicherheit von Frauen und ihre Möglichkeit, frei über ihre Körper zu bestimmen. Und um so viele Kämpfe mehr. Und zwischen diesen Kämpfen für die Liebe und die Freiheit der Liebe braucht es Zweisamkeit und Freundschaft und Liebe für uns selbst.
Der Februar steht mehr zu als der Ruf, der Monat zu sein, durch den man in erster Linie durchkommen muss. Er verdient ein bisschen mehr Liebe. Und wir auch. In diesem Februar, in diesem politischen Klima insbesondere.
Fotos: privat
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