Türen in neue Welten
Zum Anlass des Rundgangs der Hochschule für Grafik und Buchkunst waren vom 13. bis zum 16. Februar die Türen der Hochschule mal wieder weit geöffnet. Jede kunstinteressierte Person war willkommen.
Auch dieses Jahr konnte man vom 13. bis zum 16. Februar wieder einen Eindruck von den künstlerischen Arbeiten der Studierenden der HGB bekommen. Schon im Lichthof, direkt hinter der Eingangstür bleibt der Blick an einem überdiemensional großen Foto von Klara Stangl hängen. Es zeigt zwei Personen in sportlichen Klamotten, die auf eine brutale und gleichzeitig begehrende Art und Weise übereinander herfallen und ineinander verschlungen sind. Sie bleiben anonym, denn sie sind so positioniert, dass ihre Gesichter nicht erkennbar sind. Das Foto, welches eine moderne und gleichzeitig mysteriöse Ausstrahlung hat, stellt einen faszinierenden Bruch zu der sonst sehr klassischen Innenarchitektur des Gebäudes dar.
Neben den zahlreichen ausgestellten künstlerischen Arbeiten, wurden dieses Jahr im Rahmen des Rundgangs zwei verschiedene Preise verliehen. Erstmalig gab es den neuen Preis „Beziehungsweise HGB“. Dieser nimmt vor allem die Zusammenarbeit mit anderen Hochschulangehörigen aus (inter-)nationalem Raum ins Blickfeld. Es geht, darum internationalen Austausch und neue Formen der Zusammenarbeit und Inspiration zu finden. Den „Beziehungsweise HGB – Preis“ haben dieses Jahr Yunju Shin (Medienkunst), Hyeyun Lee (Medienkunst) und Hyelim Jeon (Fotografie) gewonnen. Bei ihrem Projektentwurf „Exploring Contemporary Media Narratives“ geht es um den Einfluss digitaler Medien auf unsere seit der Geburt von ihnen geprägte Generation. Er beschäftigt sich mit der Verschränkung von Realität und Virtualität.
Außerdem wurde der jährliche HGB-Studienpreis verliehen. Es gab fünf Preisträger*innen aus den
verschiedenen Klassen. Hyelim Jeons’ (Medienkunst) Arbeit „Maladaptive Daydreaming“ ist eine
autofiktionale Videoarbeit aus einer Mischung von selbst erstellten und KI-generierten Fotos und Videos. Ellen Kolbe (Malerei/Grafik) gewann den Preis für ihre Einreichung „no stress (untitled 1-15)“ , welche eine Bildreihe aus 15 klein formatigen Bildern ist. Die Bilder sind in einem comicartigen Stil gemalt und zeigen eine Figur, deren Nase immer länger wird. Zoe Popp (Fotografie) hat die Videoarbeit „summersun“ und fünf Bilderpaare mit dem Titel „Linie2“ eingereicht. Die Bilderpaare wurden in Seoul aufgenommen und setzen sich mit Architektur, Räumen und Material auseinander. Romina Vetter (Buchkunst/Grafikdesign) beschäftigt sich in ihrer Arbeit „Verkappte Konversationen“ anhand von Zeichen, Fotos und Typografie mit Abkürzungen und Codes im (digitalen) Sprachgebrauch. Merlin Rainer (Malerei/Grafik) setzt sich in seinem gezeichneten Dokumentar-film „UPLOAD DDR“ mit HardTekk auseinander, einer Musikrichtung aus Ostdeutschland.
Besonders fallen dieses Jahr die plastischen künstlerischen Arbeiten auf, die die jeweiligen Räume auf
unterschiedlichste Weise für sich einnehmen. Der Raum von Tobias Kurpat (Klasse für künstlerisches Handeln und Forschen) und Juli Winterstein (Klasse für Performative Künste), der den Künstlern zufolge eine Druckkammer verkörpern soll, hat eine sehr mystische Wirkung. Zumal im Hintergrund ein ständiges mechanisches Grollen zu hören ist. Er ist in düsteres Licht getaucht und in der Mitte sind vier Podeste zu sehen, auf denen jeweils zwei silbern glänzende amorph geformte Figuren stehen. Sie wirken einerseits durch ihre organische Form lebendig und andererseits artifiziell durch ihren unnatürlich starken Glanz. An den Wänden hängen schwarzweiße Bilder, die dreidimensionale Räume zeigen und stark von kastenartigen Strukturen durchzogen sind. Die beiden Arbeiten stehen in einem straken Kontrast zueinander und ergänzen sich gleichzeitig. Besonders viel Aufmerksamkeit zieht jedoch ein Bild auf sich, welches nur aus Glitzer besteht, angeleuchtet wird und in den Raum reflektiert. Es wirkt wie ein Energiepol. Wenn man den Raum betritt, fühlt es sich so an, als würde man eine andere Welt betreten und den Bezug zur Realität verlieren.
Jan Lessmann aus dem zweiten Grundstudium Fotografie kuratierte eine ganze Wand voller klein-formatiger Fotos, die verschiedenste Arten von Waffen zeigt. Darunter fallen offensichtliche Waffen, wie scharfe Messer und Pistolen, aber auch Gegenstände, die man im ersten Moment gar nicht als Waffe identifizieren würde. Dabei handelt es sich um Waffen, die denen ähneln, die bei rechtsextrem motivierten Morden verwendet wurden. Diese Waffen wurden in der Nähe des Tatorts zum Verkauf angeboten. Diese fotografische Waffensammlung entfaltet so viel Potential zur Gewalt und Brutalität und lässt einen aufgrund ihrer bedrohlichen Ausstrahlung nachdenklich werden.
Besonders auffallend sind auch der selbst-konstruierter Kiosk (Grafikdesign) und das Museumscafé. Der gelb gestrichene Kiosk ist voll ausgestattet mit den schwarz-weißen, von den Künstler*innen selbst gestaltet und illustrierten Zeitungen. Sie sind ein kollektives Endprodukt, an dem jede*r Künster*in der Klasse mitwirken konnte.
Das Museumscafé von der Klasse Reinbothe (Cross-Media, Malerei und Buchdruck) ist ebenfalls sehr einladend gestaltet. Es beinhaltete viele ansprechende Elemente – von Tassen mit entsprechendem Merch über ein gemütliches Interieur und mit gemalten Bildern tapezierten Wänden. Es ist eine faszinierende und einladende Idee, ein Museumscafé so detailgetreu zu gestalten.
Die Klasse Blank (Installation und Raum) widmet ihren Teil der Ausstellung dem Thema „Schenken“. Jede künstlerische Arbeit der Klasse soll an eine Institution oder eine Privatperson geschenkt werden. Die Ausstellung stellt die Frage, wie der Kapitalismus den Bezug zum Schenken verändert und ob es selbstloses Schenken in diesem System überhaupt noch gibt.
Man könnte stundenlang durch die Gänge der HGB schlendern, denn jeder Raum eröffnet eine andere Welt, einen neue Perspektive auf die Realität. An vielen Stellen werden Grenzen gesprengt, an anderen aufgezeigt und gesetzt. Überall ist man mit implizierten, wenn nicht sogar explizit politischen Nachrichten oder Überlegungen konfrontiert. Gleichzeitig ist oft eine Wechselwirkung zwischen persönlichen, emotionalen Befindlichkeiten und politischen Auseinandersetzungen zu erkennen. Trotzdem bleibt viel Raum für Interpretation und der letztendlichen Auseinandersetzung mit sich selbst. Es ist erfrischend und inspirierend sich die einzelnen Ausstellungen anzuschauen – und vielleicht verlässt man die HGB mit einer unterschwellig veränderten Wahrnehmung.
Titelbild und Bilder: Paula Helena Pugnat


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