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  • „Ein Salat neben einer Möhre funktioniert super“

    Anbau mit Hügelbeet und zwölf Prinzipien: In der Winterausgabe hat Redakteurin Caroline Tennert einen genaueren Blick auf das Konzept der Permakultur geworfen.

    Neben ethischen Aspekten wissen wir, dass alle Ökosystemleistungen, von denen wir abhängen, zum Beispiel gesundes Essen, saubere Luft oder sauberes Wasser, von der Biodiversität bereitgestellt werden. Biodiversität ist deshalb die Grundlage unseres Lebens“, meint Nico Eisenhauer, Professor für Experimentelle Interaktionsökologie an der Universität Leipzig und Arbeitsgruppenleiter am Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung Halle-Jena-Leipzig. Konventionelle Landwirtschaft könne sich negativ auf die Artenvielfalt auswirken, sagt er und ergänzt: „Intensive Bewirtschaftung reduziert beispielsweise die Vielfalt von Bodenorganismen und reduziert dadurch die vielen wichtigen Prozesse, die Böden bereitstellen.“
    In Sachsen wirtschaften rund 86 Prozent der Landwirtschaftsbetriebe konventionell, wie eine Sprecherin des sächsischen Landwirtschaftsministeriums aus den Zahlen vom 31. Dezember 2023 ableitet. Insgesamt wurden in der letzten Agrarstrukturerhebung 6.500 Landwirtschaftsbetriebe in Sachsen ermittelt. Davon seien etwa 14 Prozent zum selben Zeitpunkt bio-zertifiziert gewesen.
    Das Ministerium hat keine Daten darüber vorliegen, inwiefern die Methode der Permakultur Eingang in die landwirtschaftliche Praxis Sachsens gefunden haben. Allerdings verweist die Pressereferentin auf einzelne Projekte, unter anderem das Projekt Permagold – Agrarwende aus Bügerhand. Dabei handelt es sich um eine gemeinnützige Genossenschaft, die sich nach eigenen Angaben für ein „Netzwerk von ökologischen Landwirtschaften in Deutschland und Europa einsetzt, die gesunde Lebensmittel erzeugen und den Menschen in ihrem Umfeld den Konsum von saisonalen und regionalen Produkten ermöglichen.“

    Was ist Permakultur?
    Aufgeschlüsselt steht der Begriff für „permanente Agrikultur“. Das Konzept haben Bill Mollison und David Holmgren in den Siebzigerjahren entwickelt. Ergebnis ihrer Kooperation ist das Buch „Permaculture One: A Perennial Agriculture for Human Settlements“, das erstmals 1978 erschien und heute noch oftmals in gebrauchter Form online erhältlich ist.
    Seit den 1970er Jahren hat die Idee der Permakultur an Popularität gewonnen, und wird von vielen Menschen aufgegriffen, deren erklärtes Ziel es ist, nachhaltig und im Einklang mit der Natur zu wirtschaften. Zahlreiche Websites tragen den Begriff „Permakultur“ im Namen. Im Kern geht es überall um Problemlösungen und Anbaustrategien, welche die Kreisläufe und Gegebenheiten des einzelnen Ökosystems einbeziehen.
    Für die praktische Umsetzung gibt es drei gängige Grundsatz-Kataloge: Sowohl Mollison als auch Holmgren wird je eine Reihe von Permakultur-Prinzipien zugesprochen. Außerdem gibt es noch die sogenannten Ökosystem-Kriterien, die eine Anleitung geben sollen. Besonders Holmgrens zwölf Kriterien sind allgemein bekannt und werden häufig zitiert.

    Ernte Mich in Liebertwolkwitz

    Die Wasserversorgung spielt in jedem Permakultur-System eine Rolle. Bei Ernte Mich in Liebertwolkwitz gibt es hierzu auch einen zentral gelegenen Teich.

    Aus Mietbeeten wird Permakultur-Hof
    Ein Gegensatz zur Permakultur ist laut Richard Hagedorn der monokulturelle Anbau. Dabei konzentriere man sich darauf, den höchsten Ertrag zu erwirtschaften – weitgehend unabhängig vom Ökosystem. Er ist studierter Bauingenieur und hat den Leipziger Biohof Ernte Mich gegründet, der sich seit rund acht Jahren an den Prinzipien der Permakultur ausrichtet. Das Projekt gibt es seit etwa zehn Jahren. In den Anfängen ging es noch primär darum, in Form von Mietbeeten Raum und Ressourcen für Selbstversorger*innen bereitzustellen: „Ich wollte gar nicht so sehr in Aktion treten, was den Anbau angeht, sondern selbst viel ausprobieren und die Leute zwar anleiten, aber selbst gärtnern lassen“, erzählt Hagedorn im September bei einem Besuch auf dem Hof in der Großpösnaer Straße.
    Das könne so zwar grundsätzlich funktionieren, ist er überzeugt, aber in Leipzig habe es nicht geklappt: „Die Stadt hat viel zu viele Schrebergärten. Das Angebot ist in der Stadt viel größer, wodurch die Leute eher nicht extra hier rausfahren“, sagt er. Neue Mietbeete werde es in Zukunft wohl nicht mehr geben.
    Also strukturierte sich das Unternehmen um: Im Jahr 2017 habe man sich bei Ernte Mich entschieden, den eigenen Gemüseanbau zu intensivieren und in dieser Zeit sei Hagedorn auch der Begriff der Permakultur in die Hände gefallen. Dann habe er die Prinzipien konsequent auf die Struktur des Hofes angewandt. Seit 2018 gibt es die Bio-Kiste, ein Abonnement, bei dem man regelmäßig saisonales Bio-Gemüse und -Obst vom Hof erhält. Später habe Ernte Mich als zweites Standbein noch die Jungpflanzenanzucht und deren -verkauf etabliert, erzählt Hagedorn.

    Bild eines Bauwagens

    Von Hagedorns Bauwagen aus blickt man auf eine Streuobstwiese. Er hat ihn selbst ausgebaut.

    Vom Balkon bis zu den 1.000 Hektar
    In Leipzig-Lieberwolkwitz bei Ernte Mich sieht man rund um Hagedorns Bauwagen, die Gewächshäuser, Hügelbeete, den kleinen Hofladen und die Beet-Reihen auch viel Grünland, das sich abgetrennt hinter einem Wildzaun an die Streuobstwiese anschließt. Von den zweieinhalb Hektar Fläche werde nur auf etwa einem Hektar intensiv Gemüse und Obst angebaut, sagt Hagedorn. Beteiligt an den Prozessen auf dem Hof sind insgesamt fünf Festangestellte und zwei Personen, die ihr Freies Ökologisches Jahr absolvieren. Zu „Spitzenzeiten“, vor allem im April und Mai, wenn in der Jungpflanzenanzucht und dem Gemüseanbau Hochzeit ist, hole sich das Team noch ein wenig Verstärkung dazu.
    Permakultur sieht in der Anwendung abhängig vom Standort sehr unterschiedlich aus, bestätigt Hagedorn: „Man kann Permakultur von klein auf groß machen. Aber es sieht immer anders aus, weil man unterschiedliche Ziele definiert. Auf dem Balkon ist zum Beispiel Diversität wichtig, sodass es für die Küche taugt. Bei 1.000 Hektar ist wichtig, dass sich bestimmte Sachen gegenseitig beeinflussen. Da nimmt man Agroforst-Systeme, wo man Baumreihen hat, die Früchte abwerfen. Oder die Baumreihe besteht aus Nutzholz, wie etwa Möbelholz. Dazwischen hat man Felder, die man bewirtschaftet.“

    Wie gelingt die Mischkultur?
    Um eine Mischkultur nach Prinzipien der Permakultur zu bewirtschaften, brauche es im Vorfeld viel Recherche, erklärt Hagedorn. Er habe nun einige Jahre Erfahrungen gesammelt und lerne immer noch. Allerdings gebe es ein paar Faustregeln: Wenn es um Gemüse geht, könne man sich immer den Bodenhorizont vorstellen. Gehe eine Pflanze tief in die Erde hinein, stehe daneben lieber eine, die flach wurzelt: „Ein Salat neben einer Möhre funktioniert super“, sagt er.
    Außerdem würden bestimmte Gewächse sich positiv beeinflussen, weil sie beispielsweise gegenseitig Schädlinge abwehren. Das treffe auf Zwiebeln und Möhren zu. Auch könne man berücksichtigen, welche Lichtverhältnisse eine Kultur verträgt. Benötige eine Pflanze nur halbtags Sonne, so könne man daneben eine andere stellen, die etwas größer wächst, um sie halbtags zu beschatten. „Ansonsten gibt es Pflanzen, die sich durch Wurzelausscheidungen gegenseitig negativ beeinflussen. Da gibt es ganz viele Kombinationen, aber das ist schon wieder sehr speziell. Die pflanze ich dann auseinander.“

     

    Fotos: ct

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