Mieten rauf – Vertrauen gefährdet
Infolge der letzten Mieterhöhung in den Leipziger Wohnheimen hat sich eine Initiative Studierender zum Protest organisiert. Die Beteiligten werfen dem Studentenwerk mitunter fehlende Transparenz vor.
Aus heiterem Himmel geht regelmäßig ihr Rauchmelder an. Durch den Schock sei es gar nicht so leicht, ihn dann wieder abzustellen. Die Vorstellungsrunde, in der jeder sagen soll, was ihn am Leben in den Studentenwohnheimen stört, geht weiter: „Ich heiße so, ich wohne dort, mein Licht braucht zwanzig Sekunden, bevor es endlich angeht.“ Die Nachbarin: „Ich heiße so, ich wohne dort, immer wenn ich das Internet mal brauche, fällt es wieder aus.“ Klassiker: Das hat jeder hier erlebt.
Der Nächste ist an der Reihe und bringt es so auf den Punkt: „Ich heiße so, ich wohne dort und mich nervt, dass ich mehr Miete zahlen soll, aber die gleiche schlechte Leistung bekomme.“ Wer gerade noch schmunzelte, schaut jetzt ernst und entschlossen drein.
Unmut
Seit vergangenem Dezember trifft sich eine Gruppe Studierender aus den Wohnheimen des Studentenwerks und wehrt sich gegen wiederholte Mieterhöhungen. Nachdem bereits 2024 die Miete für viele stieg, wurde kurz vor Weihnachten eine weitere Erhöhung angekündigt, die seit Februar wirkt. Für manche Bewohner war dies die vierte in vier Jahren. Die Miete für ein Zimmer in der Philipp-Rosenthal-Straße ist in diesem Zeitraum um rund 30 Prozent gestiegen. Zum Vergleich: In demselben Viertel sind die Mieten auf dem freien Wohnungsmarkt laut dem Vergleichsportal ImmoScout24 in dieser Zeit um 24 Prozent gestiegen.
„Bis dahin wurden in die WhatsApp-Gruppe vom Wohnheim nur Kleinigkeiten reingeschrieben: Wenn die Waschmaschinen mal wieder voll sind, jemand seine Pakete nicht abholt oder die Polizei im Haus ist“, berichtet Josefine. Als die Bewohner aber von der kommenden Mieterhöhung hörten, machten sie ihrem Unmut in den WhatsApp-Gruppen Luft. Josefine und andere haben sich danach vernetzt und eine erste Vollversammlung einberufen: „Wir waren dann dreißig, vierzig Leute, darunter sehr viele internationale Studierende.“
Josefine ist seit zwei Jahren in Leipzig und studiert Geografie. Sie ist in die Stadt gekommen, weil sie die Mieten in Berlin nicht hätte bezahlen können. Das Studentenwerk habe sie zunächst auf die Warteliste gesetzt. Mitten im ersten Semester hätte sie dann doch noch Glück gehabt und ein WG-Zimmer in einem Wohnheim zugewiesen bekommen, ganz in der Nähe ihrer Fakultät. Schaut man aus ihrem Küchenfenster, sieht man Platten rechts, Platten links, Platten geradezu. Josefine stört das nicht: „Ich mag Platten. Wo ich herkomme, gibt es die ja auch. Aber warum ist mein Zimmer in einem staatlich finanzierten Wohnheim genauso teuer wie ein WG-Zimmer in der Südvorstadt?“ Es seien die Mieterhöhungen gewesen, die sie mobilisiert hätten, aber auch die fehlende Transparenz sei ein großes Problem: Warum gibt es keine Betriebskostenabrechnung? Welche Baumaßnahmen werden ergriffen? Warum fällt die Mieterhöhung unterschiedlich aus? Wo geht das ganze Geld hin?
Investition
Es regnet. Wieder ein Plattenbau, aus dem Fenster sieht man auf das Opernhaus und vielleicht findet sich hier die Klarheit, die Josefine so sehr vermisst. Michael Mohr ist für Kommunikation und Marketing im Studentenwerk zuständig und erklärt: „Der Mietpreis kommt bei uns ganz anders zustande, als man sich das auf dem regulären Wohnungsmarkt vorstellen würde, nicht zuletzt, weil wir keine Gewinnerzielungsabsicht haben.“
Das Studentenwerk betreue derzeit rund 5.200 Wohnheimplätze, die gesamtwirtschaftlich betrachtet werden. Das bedeutet, dass der Mieter im Wohnheim in Lößnig auch für den Unterhalt und die Instandsetzung der Wohnheime am anderen Ende der Stadt zahlt. Dahinter stehe der Fairness- und Solidargedanke des Studentenwerks: Alle zahlen in einen Topf, aus dem die anfallenden Kosten bezahlt werden.
Das gilt auch für die Nebenkosten. Nicht die einzelne Wohnung werde beim Studentenwerk betrachtet, sondern die Einnahmen und Ausgaben für alle Wohnungen insgesamt. Das sei auch der Grund, warum die Mieter keine eigene Betriebskostenabrechnung erhalten. Sie wird erst gar nicht für die einzelnen Bewohner erstellt, da laut Mohr zum einen die Infrastruktur dafür fehlt: „Wir bräuchten eine kleine Armee an Beschäftigten, um diese Einzelabrechnung überhaupt durchführen zu können.“ Zum anderen ließe sich eine personengenaue Abrechnung in einer Wohngemeinschaft nicht abbilden. Insofern sei das Verfahren des Studentenwerks nicht nur gerecht, sondern insgesamt günstiger. So würden Studierende im Schnitt für ein möbliertes Wohnheimzimmer mit allen Nebenkosten und Strom einen Pauschalpreis von 305 Euro im Monat zahlen, was noch deutlich unter der Bafög-Wohnpauschale von 380 Euro liege.
Solidarität
Ein Problem dieses Verfahrens sei jedoch offensichtlich: Was sichtbar der günstigere Weg ist, bleibe für die einzelne Person schwer nachvollziehbar. „Den Part müssen die Mieter*innen uns dann einfach glauben, allerdings werden Mietpreiserhöhungen und Veränderungen am Mietpreiskonzept für die Studentenwohnheime im Verwaltungsrat des Studentenwerkes beschlossen.“, zieht Mohr Bilanz. Die jetzigen Mieterhöhungen seien neben gestiegenen Betriebskosten im Wesentlichen eine Folge der inflationsbedingt gestiegenen Bau- und Instandhaltungskosten, die für die Sanierungen der Wohnheime anfallen.
Größere Sanierungen stehen in der Regel erst nach mehreren Jahren an; die dafür notwendigen Mittel müssten über die Mieterträge über mehrere Jahre kontinuierlich erwirtschaftet werden. Die Sanierungen kämen daher nicht immer den aktuellen Mietern zugute, sondern auch zukünftigen Studierenden. Wer jetzt einen Platz im Wohnheim hat, bekommt davon unter Umständen wenig mit, zahlt aber aufgrund steigender Bau- und Instandhaltungspreise trotzdem eine höhere Miete. Es ist „absolut verständlich, dass die aktuellen Studierenden da gefrustet sind“, räumt Mohr ein, „aber wir können wirklich nur an das Verständnis appellieren, dass jeder seinen Beitrag zum langfristigen Erhalt der Studentenwohnheime leisten muss.“
Vertrauen
Zeitgleich mit den Protesten berät die sächsische Staatsregierung über den neuen Haushalt. Laut Angaben der Staatsregierung muss allein im Jahr 2025 ein Haushaltsloch von 2,3 Milliarden Euro gestopft werden. Normalerweise findet eine Koalition nach langen Verhandlungen zu einem tragfähigen Kompromiss, mit dem der Kuchen gerecht aufgeteilt wird und alle zufrieden sind. Die schwarz-rote Regierung hat im Landtag aber keine Mehrheit hinter sich, sodass in einer größeren Runde Mehrheiten gefunden werden müssen. Kleiner Kuchen, große Kaffeerunde.
„Jetzt ist die Zeit, um aktiv zu werden und aufzuzeigen, dass die Studierenden am Limit sind“, sagt Micheal Mohr. Das Studentenwerk sei dazu mit der Staatsregierung im Gespräch. Doch auch die Studierenden werden wach: Anfang März startete die Konferenz Sächsischer Studierendenschaften (KSS) eine Petition, „um die Studentenwerke zu retten.“ Seitdem liegen in den Cafeterien Flyer aus und in den Bibliotheken sind Aushänge zu finden. Damit will die KSS Druck auf die Haushaltsverhandlungen ausüben.
Josefine und die anderen, die gegen die höheren Mieten kämpfen, reagieren zunächst verhalten auf den Wunsch des Studentenwerks, sich mit ihren Forderungen an die Staatsregierung zu wenden. Sie haben Angst, dass sie nur vom einen zum anderen geschickt werden und ihr Protest so aufgerieben wird. Nach etwas Zögern aber teilen sie Anfang März auch die Petition in ihren Gruppen, nicht ohne den Warnhinweis: „Die Person, von der die Petition ursprünglich stammt, arbeitet beim Studentenwerk und sie rücken sich in ein entsprechend gutes Licht.“
Gespräch
Den Beteuerungen des Studentenwerks wollen viele Studierende, die an den Protesttreffen teilnehmen, nicht glauben. Zu viel sei in der Kommunikation rund um die Mieterhöhungen schief gegangen. Doch auch das Miteinander der Studierenden ist bisher oft von Distanz geprägt: „Nach einem Meeting“, sagt Josefine, „sind eine andere Person vom Treffen und ich in dieselbe Bahn gestiegen, an derselben Haltestelle ausgestiegen, in dasselbe Wohnheim gegangen und dann im selben Fahrstuhl gefahren. Da haben wir erst bemerkt, dass wir fast Nachbarn sind.“ Durch solche Begegnungen kann neues Vertrauen wachsen. Deshalb seien für Josefine die schönsten Aktionsformen auch die Türgespräche im Wohnheim oder das gemeinsame Bannermalen. So lernt man sich kennen und so kommt man ins Gespräch.
Auch Michael Mohr betont wiederholt: „Der beste Weg ist das direkte Gespräch. Egal, ob Fragen zu einer Mieterhöhung oder unseren Baumaßnahmen: Die Studierenden könnten selbstverständlich einen Termin machen und ins Studentenwerk kommen. Das meiste ließe sich so schnell klären.“
Gar keine schlechte Idee: Josefine und Michael Mohr hätten sich viel zu erzählen. Beide schauen in die Zukunft und besprechen, was sie sich für die Wohnheime erhoffen. Säßen sie sich gegenüber, könnte Josefine erzählen, dass sie sich mehr Gemeinschaftsleben und eine größere Küche wünsche. Michael Mohr hingegen, dass das Studentenwerk in die Lage versetzt würde, mehr Wohnheimplätze zu schaffen, denn gerade internationale Studierende hätten es auf dem Wohnungsmarkt besonders schwer. In einem wären sich beide aber sofort einig: Was braucht es in einem Studentenwohnheim der Zukunft? „Günstige Mieten.“
Titelbild: Arvid Büntzel


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